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  akin-Pressedienst.
  Aussendungszeitpunkt: Donnerstag, 20. Mai 2021; 02:18
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  Letzte Worte:
  
  > Patriotisches
  
  Gedanken zum 8.Mai
  
  
  "Der Österreicher hat ein Vaterland, / Und liebts, und hat auch Ursach, es
  zu lieben."
  (Schiller, Wallenstein)
  
  "Dieser Erdteil ist stolz auf sich, und er kann auch stolz auf sich sein.
  Man ist stolz in Europa: / Deutscher zu sein. / Franzose zu sein. /
  Engländer zu sein. / Kein Deutscher zu sein. / Kein Franzose zu sein. / Kein
  Engländer zu sein."
  (Tucholsky, Worauf man in Europa stolz ist)
  
  "I werd narrisch! Krankl schießt ein zum 3:2!"
  (Edi Finger live aus Cordoba)
  
  "Ei äm from Ostria!"
  (Reinhard Fendrich)
  
  
  Österreichischem Patriotismus haftet immer etwas Komisches an. Also sowohl
  etwas Haha-Komisches als auch etwas ziemlich Seltsames.
  
  Da ist mal diese Fahne mit ihrem blutrünstigen Entstehungsmythos. Der ist
  zwar historischer Unfug, aber das macht es nur noch schlimmer. Schon wenn
  der "Bindenschild" wirklich durch die Abnahme eines Gürtels an einem
  ansonsten blutbesudelten Schlachtgewand entstanden wäre, müßte einem das
  Grausen vor so einer Herrschaft kommen. Aber daß man die Geschichte extra
  erfinden mußte, um auf derlei Bestialitäten dann einen Machtanspruch und
  eine Volksgemeinschaft zu gründen, ist schon der Gipfel der Abartigkeit.
  
  Rot-Weiß-Rot hätte man daher spätestens mit der Republiksgründung entsorgen
  müssen. Aber nein, auch ohne imperialer Macht ist diese Fahne geblieben und
  somit schon ein bißchen lächerlich.
  
  Mit der Hymne ist es nicht viel anders. Deren Melodie mußte man schon Mozart
  unterstellen, damit sie akzeptabel sein konnte, weil melodisch ist wirklich
  anders. Immerhin war sie ein Fortschritt, weil in der ersten Republik ist
  man bei der Haydn-Hymne geblieben -- allerdings mit anderem Text. Oder
  besser im Plural: anderen Texten! Zeitzeugen berichteten, daß es bei
  offiziellen Anlässen eine ziemlich Kakophonie gegeben haben soll, weil da
  sang man zur Melodie wahlweise die Renner-Hymne, die Kernstock-Hymne, das
  Deutschlandlied oder Gott-erhalte, je nach politischer Präferenz. Und alle
  wollten die Lautesten sein.
  
  Gut, was ist heute Österreich-Patriotismus? Und wie patriotisch darf man
  überhaupt sein? Neulich wurde eine Anti-Corona-Maßnahmen-Gegnerin
  festgenommen, weil sie eine Österreich-Fahne trug. Darauf war nämlich auch
  der Bundesadler und der steht nur den obersten Organen der Republik zu. Der
  einfache Bürger muß sich mit geierlosem Rot-Weiß-Rot begnügen. Ist auch
  klar, weil schließlich muß das ja einfach zu Basteln sein -- als wir anno
  dazumal in der Volksschule Österreichfahnen malen mußten, hätten wir uns
  schön angschissen, wenn wir den Vogel einigermassen hätten hinbekommen
  müssen. (Es hält sich ja immer noch das Gerücht, in einer frühen Fassung der
  diesbezüglichen Rechtsnorm wäre gestanden, der Adler müsse "rotbezumpft"
  statt "rotbezungt" sein, aber das ist wahrscheinlich genauso ein Gschichtel
  wie das mit dem Bindenschild.)
  
  Diese patriotische Indoktrination jedenfalls erfuhren wir zum "Tag der
  Fahne", wie der Feiertag zum 26.Oktober genannt wurde. Diese Bezeichnung
  dürfte wohl dann deswegen irgendwann nicht mehr verwendet worden sein, weil
  viele Leute an Feiertagen sowieso eine Fahne hatten und man diesen
  weinseligen Volksbrauch nicht auch noch mit einer nationalstaatlichen
  Gloriole versehen wollte.
  
  Wobei das mit dem Nationalen, dem Völkischen also, so eine Sache ist in
  Österreich. Der Österreicher als solcher tut sich ja generell schwer mit
  hündischer Verehrung seines Vaterlands, weil das mit dem Staatsvolk ist bei
  uns halt ein bisserl merkwürdig -- Patriot ist man bei uns ja hauptsächlich
  aus Negation. Hierzulande ist man -- siehe Tucholsky -- stolzer
  Nicht-Deutscher. Das ist so ziemlich das einzige Nationenhafte, das wir
  anzubieten haben. (Und selbst das funktioniert nur teilweise, weil die
  Voralberger laut ihrer Landesverfassung darauf bestehen, ein souveräner
  Staat zu sein, der halt nur eher widerwillig die Gesetze, die da im fernen
  Wien beschlossen werden, akzeptiert.)
  
  Dieses Nicht-Deutsche war aber nicht immer so die Nationsdefinition. In der
  Ersten Republik wollte man schon ein Teil Deutschlands sein, aber das
  wollten die Alliierten von Weltkrieg I nicht. In der Zweiten Republik war
  das dann aber schon recht praktisch, weil man nach Weltkrieg II den
  Alliierten dieses Krieges sagen konnte, daß man ja eh nie deutsch war und
  deswegen an allem unschuldig und das erste Opfer Hitlers. Auf diesem Schmäh
  baut die kuhäugige Glorifizierung unserer eher zufällig zustandegekommen
  Verwaltungseinheit immer noch auf.
  
  Der Schmäh geht aber noch weiter: Patriotismus kann man zu Antifaschismus
  umschwindeln -- die blöden Piefke haben da das Nachsehen: Mit
  Schwarz-Rot-Gold wedeln hat immer einen gewissen Hautgout. (Und das obwohl
  bekanntermaßen der Gröfaz ursprünglich nicht wirklich Deutscher war.)
  
  So kann man halt in Wien unter Beteiligung von hohen Militärs ein Denkmal
  für Deserteure einweihen, weil die hier Geehrten eh von der Armee einer
  fremden Macht abpascht sind. Dazu kann man dann noch mit Rot-Weiß-Rot winken
  und sich demokratisch gut fühlen.
  
  Bei der Gelegenheit kann man auch gleich noch was zudecken: Am 8.Mai feiern
  wir das "Fest der Freude", den Tag der Befreiung! Befreiung wovon jetzt
  genau? Vom Faschismus? Vom Nationalsozialismus? Nein, also eigentlich von
  der Oberherrschaft Deutschlands. Also da freuen wir uns, daß "Österreich"
  wiedererstanden ist. Es war jenes Österreich, das zuletzt bestanden hatte
  als Schuschnigg im Radio sagte: "Mit einem deutschen Wort: Gott schütze
  Österreich!" Da steckte dieses Land aber schon längst im Faschismus -- nur
  halt im hauseigenen. Erst 17 Jahre später sollte wieder ein
  christlich-sozialer Politiker sagen können: "Österreich ist frei!"
  
  Blöd halt, das zuerst die Nazis Österreich befreiten (von den
  Klerikalfaschisten), dann die Alliierten zuerst Österreich befreiten (von
  den Nazis) und dann Österreich gleich noch mal befreiten, diesmal von sich
  selber. OMG, nach dreimaliger Befreiung müssen "wir" da aber schon sehr frei
  gewesen sein. Vor allem, wenn man bedenkt, daß in dieser neu gewonnen
  Triple-Freiheit einer Bundeskanzler war, der früher einmal der Chef der
  Niederösterreichischen Heimwehr und auch Minister unterm Kruckenkreuz
  gewesen war. Aber das mit dem Korneuburger Eid hat ihm eh nie getaugt, also
  war ja alles in schönster demokratischer Ordnung.
  
  Man darf aber nicht undankbar sein! Stellt Euch vor, 1920 im Vertrag von St.
  Germain wäre kein Anschlußverbot gestanden. Dann hätte es 58 Jahre später
  keine österreichische Nationalelf gegeben. Und damit auch kein
  Österreich-Gefühl! Denn in Wirklichkeit wurde die österreichische
  Unabhängigkeitserklärung nicht 1945, sondern erst 1978 von einer
  Allparteienkoalition unterschrieben -- einer Koalition aus Rapid, Austria
  und Wacker Innsbruck. Mit den Füßen! Und zwar in Cordoba.
  
  Erst seit damals sind wir eine stolze Nation von Nicht-Deutschen! Weil das
  "Land der Berge" ist ja wohl doch eher die Schweiz.
  *Mario Czerny*
  
  
  
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