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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Donnerstag, 20. Mai 2021; 02:14
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Polizei/Regierung:
> BVT: Viel Macht, kein Vertrauen und zu wenig Kontrolle
Das BVT soll zur DSN werden. Es dürfte der alte Stapo-Fusel in neuen
Schläuchen werden. Die NGO *Epicenter.works* hat sich die Regierungsvorlage
genau angesehen:
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Als eine der mächtigsten Institutionen Österreichs genießt das Bundesamt für
Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) keinen guten Ruf.
Zahlreiche Vorkommnisse der Vergangenheit haben das BVT gebrandmarkt und
sein internationales Ansehen beschädigt. Unter ausländischen Geheimdiensten
gilt Österreich als "Sicherheitslücke". Ein Prüfbericht des "Berner Clubs",
dem Direktor*innen aller Inlandsgeheimdienste der EU-Mitgliedstaaten,
Norwegen und Schweiz angehören, ortet schwere Mängel. Ein
Untersuchungsausschuss zur Hausdurchsuchung in der Ära Kickl und der
tragische Anschlag in Wien am 2. November 2020 waren schließlich der Anlass
zu einer umfassenden Reform. Das skandalumwitterte BVT soll neu strukturiert
und professionalisiert werden. Dazu wurde im Bundesministerium für Inneres
das Projekt "BVT neu" geschaffen, welches den Nachrichtendienst und
Staatsschutz nach Maßgabe internationaler Standards neu ausrichten soll.
Damit wir sichergehen können, dass uns die Regierung da nicht wieder weitere
invasive Überwachungsmaßnahmen unterjubelt und uns in unseren Grundrechten
beschneidet, haben wir den Entwurf genau durchleuchtet.
Organisatorische Trennung der Aufgabenbereiche
Die Reform sieht eine Aufteilung der Bereiche Staatsschutz und
Nachrichtendienst vor. Dadurch beabsichtigt die Regierung eine "deutliche
Trennung", die unserer Ansicht nach durch den vorliegenden Entwurf so nicht
erzielt werden kann. Denn dadurch wird nach wie vor der polizeiliche
Staatschutz und der Nachrichtendienst in einer Behörde vereint und
unterstehen dem/der Direktor*in. Genau das ist aber der Hauptkritikpunkt am
österreichischen Modell des Verfassungsschutzes von internationalen
Diensten. Wenn es die Regierung mit der Trennung wirklich ernst meint, dann
muss der polizeiliche Aufgabenbereich vollständig vom Nachrichtendienst
abgekoppelt sein.
Ein weiteres Problem sehen wir darin, dass die Direktion weiterhin bei der
Generaldirektion für öffentliche Sicherheit im Innenministerium angesiedelt
bleibt. Das bedeutet, dass der/die Direktor*in dem Generaldirektor für
öffentliche Sicherheit untergeordnet ist, der wiederum dem Innenminister
unterstellt ist. Ihr könnt es euch vermutlich schon denken, aber eine
Stärkung und Entpolitisierung des Verfassungsschutzes kann dadurch nicht
erreicht werden.
Des Weiteren sieht der Entwurf vor, dass der/die Direktor*in ermächtigt
wird, Mitarbeitenden des nachrichtendienstlichen Bereichs eine Dienstwaffe
zur Verfügung zu stellen. Kurz zur Erinnerung: Staatsschutz und
Nachrichtendienst sollen voneinander getrennt werden. Genau das strebt die
Regierung an, zumindest behauptet sie das. Daher hat sie auch schon mehrmals
versichert und betont, dass Mitarbeitende des Nachrichtendienstes keine
Exekutivgewalt haben werden, da es ja eine strikte Trennung zwischen der
polizeilichen Gefahrenabwehr (Staatsschutz) und der analytischen
Gefahrenforschung (Nachrichtenkontrolle) geben wird. Warum wird dann hier in
der Bestimmung verankert, dass Personen der Nachrichtenkontrolle doch Waffen
tragen könnten? (§ 2b Abs 2 SNG)
Verfassungsgefährdender Angriff
Laut dem Entwurf (§6Abs3Z2) kann solch ein Angriff auch dann vorliegen, wenn
bestimmte Straftaten mit "ideologischer oder religiöser" Motivation begangen
werden. Einen genauen Schluss, was unter solch einer Motivation überhaupt zu
verstehen ist, lässt der Entwurf aufgrund der Schwammigkeit gar nicht erst
zu. Das führt dazu, dass die Bestimmung den Eindruck erweckt, eine einfache
Körperverletzung, die ideologisch oder religiös motiviert ist, stelle einen
verfassungsgefährdenden Angriff dar. Bei einer Körperverletzung ohne
ideologischer oder religiöser Motivation, sei das aber dann nicht der Fall.
Da läuten bei uns die Alarmglocken, denn diese Auslegung führt zu einer
Ungleichbehandlung und wäre wegen der Verletzung des Gleichheitssatzes
verfassungswidrig. Noch dazu findet sich keine Erklärung im Gesetzestext,
warum die angeführten Delikte bei ideologischer oder religiöser Motivation
gefährlicher als andere erachtet werden und warum es dafür überhaupt
besondere Ermittlungsmaßnahmen braucht.
Die Sache mit den IMSI-Catchern
Zur erweiterten Gefahrenforschung und zum vorbeugenden Schutz
verfassungsgefährdender Angriffe, ist es bereits jetzt schon möglich, von
Mobilfunkbetreiber*innen den Standort eines Telefons abzufragen, solange die
Ermittlungsaufgabe nicht auch durch andere Maßnahmen bestritten werden kann.
Dem BVT blieb diese Überwachungsmaßnahme allerdings bisher verwehrt.
Innenminister Karl Nehammer hat im Vorfeld der BVT-Reform stehts
zugesichert, dass es zu keiner Ausweitung von Überwachungsbefugnissen kommt.
Und jetzt liegt uns ein Gesetzestext vor, der aber genau das vorsieht: die
Ausweitung von Überwachungsmaßnahmen.
Mit dem Evaluierungsbericht des Terror-Anschlags am 2. November ist klar,
wir haben ausreichende Mittel und Möglichkeiten, damit die
Verfassungsschutzbehörden ihre Aufgabe erfüllen können. Der Verlust von
Menschenleben am 2. November war einem Behördenversagen geschuldet, nicht
dem Fehlen von entsprechenden Maßnahmen. Einer Sicherheitsbehörde, die an
einem Tiefpunkt ihres Vertrauens in der Öffentlichkeit steht, darf man nicht
noch mehr Macht in die Hand geben.
(epicenter.works / stark gek.)
Quelle mit ausführlichen weiteren Information:
https://epicenter.works/content/bvt-viel-macht-kein-vertrauen-und-zu-wenig-kontrolle
Parlamentarische Materialien:
Polizeil. Staatsschutzg., Sicherheitspolizeigesetz u.a., Änderung (104/ME)
https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/ME/ME_00104/index.shtml
Terror-Bekämpfungs-Gesetz - TeBG (849 d.B.)
https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/I/I_00849/index.shtml
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