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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Donnerstag, 6. Mai 2021; 03:25
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Linke/Glosse:

> Heimat, fremde Heimat

Der 1. Mai 2021 in Wien, der reinste Kindergarten

Ein vernunftbegabter Mensch könnte sich denken, am 1. Mai trifft man sich
mit ähnlich- oder gleichgesinnten Personen, um gemeinsam den 1. Mai zu
begehen, man freut sich darauf, Freunde, Freundinnen und Bekannte zu
treffen, aber Wien ist anders. Da muss ich mich als Demo-Teilnehmerin schon
am Vormittag entscheiden, wen ich an welchem Standort treffen möchte. Ich
wollte eine gute Freundin von mir treffen, die sich in einer Gruppe befand,
die mit der KPÖ nicht zusammenstehen wollte. Beide Gruppen haben sich
einzeln nicht einmal 100 Meter voneinander getrennt versammelt. Die einen
vor der Oper, die anderen bei der Albertina. Da ich hoffte, gute Bekannte
aus dem KPÖ-Umfeld auch zu treffen, immerhin am 1. Mai, bin ich
hinübergegangen. Dort musste ich zu meinem Erstaunen feststellen, dass es
nur rote Fahnen zu betrachten gab. Ich erlaubte mir, nachzufragen, wo denn
die Leute mit den schwarzen Fahnen seien. "Die" hieß es, würden von
Ottakring aus zum Votivpark spazieren. "Die" hatten einen ganz anderen
Ausgangs-Treffpunkt gewählt. "Die" waren aber die wirklich große,
beeindruckende Demo. In ihren Reihen sah ich die Transparente von attac oder
asyl in not. Es waren mit Sicherheit weit über 1000 Teilnehmer_innen. Anders
als bei den traditionellen Demoreden, die ich zuvor gehört hatte, stand die
Auseinandersetzung mit Flucht und Migration im Vordergrund. Die Demo war
laut und von der Stimmung her lustvoll.

Ich hatte also an nur einem 1. Mai das Vergnügen, an drei verschiedenen
Veranstaltungen, an drei verschiedenen Demonstrationen teilzunehmen. Wie
absurd ist das denn? Am Volkstimmenfest schafft die KPÖ es doch auch, dass
alle Gruppierungen und Grüppchen sich zusammenfinden. Aber am 1. Mai wollen
alle voneinander nichts wissen. Wie trotzige Kinder stellen sich alle an
voneinander getrennten Orten auf. Ich kann ja noch nachvollziehen, dass man
sich von der Sozialdemokratie fernhält, insbesonders da sich diese in Wien
in Regierungsverantwortung befindet. Mit denen möchte ich auch nicht
gemeinsam die Internationale anstimmen. Aber dass man sich selber als
außerparlamentarische Opposition so auseinanderdividiert, dass man nicht
einmal miteinander ins Gespräch kommen möchte, sich nicht gemeinsam an einem
gemeinsamen Treffpunkt einfinden möchte, zeugt von Misstrauen und
Intoleranz. Frei nach dem Motto: ich bin ich, du bist du, ein wir gibt es
nicht. Dabei reden inhaltlich alle dasselbe. Die Bundesregierung ist
Scheiße, der Bundeskanzler indiskutabel, der Umgang mit Flüchtlingen eine
Katastrophe, der Kapitalismus ist das Hauptproblem. Ja, eh. Aber wieso kann
man das nicht gemeinsam aussagen?

Streit und Auseinandersetzung sind wichtig, ohne Diskurs ist eine
Weiterentwicklung eigener Denkschemata auch schwer möglich. Aber dazu muss
man sich auch treffen und zusammentreffen. Alle sind sich darin einig, dass
Ausgrenzung nicht stattfinden soll. Die "linken" Gruppen gehen mit
schlechtem Beispiel voran, wenn sie sich selbst abschotten. (sagt die
selbsternannte Kindergartentante zum Kindergarten)

Ein Wort noch zur SPÖ. Wie blöd kann man sein, im roten Wien den ersten Mai
abzusagen. Weit mehr als 1000 Menschen haben sich den 1. Mai nicht nehmen
lassen. An die Sozialdemokratie werden diese wohl nicht andocken. Nicht
einmal Fahnen der SJ waren zu sehen, die Parteijugend ist brav,
wahrscheinlich üben sie sich im Backen von Marillenkuchen.

In diesem Sinne, hoch der 1. Mai,

*rosalia krenn*
neo-wienerin mit salzburger migrationshintergrund



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