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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Donnerstag, 29. April 2021; 05:05
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Corona/Debatte:
> Was muß Satire?
Das Zitat Tucholskys, wonach Satire alles dürfe, ist ja schon ziemlich
ausgelutscht. Vor hundert Jahren hat er das geschrieben und da muß man sich
dann fragen, ob das heute überhaupt noch angemessen ist. Muß man nicht heute
da ganz andere Maßstäbe an den Tag legen und die Satire in die Pflicht
nehmen?
Denn: Was muß Satire? Das ist wohl in unserem Jahrhundert die richtige
Fragestellung! Auch Satiriker*innen sind heute angehalten, das ihre für ein
gedeihliches Miteinander zu tun!
Kurt Tucholsky verstand "Satire" auch noch viel brutaler. An anderer Stelle
schrieb er, daß "es überhaupt für den Kämpfer nicht darauf ankommt, Distanz
zu halten, sondern zu kämpfen - deshalb ist der Satiriker ungerecht. Er kann
nicht wägen - er muß schlagen". Gehts noch? Das ist einfach nicht
akzeptabel, schließlich ist es doch des/der Satiriker*in wichtigste Aufgabe,
Ungerechtigkeit zu benennen und nicht zu verallgemeinern! Und das vor allem
in fried- und liebevoller Manier. Um etwa die gleiche Zeit schrieb Alfred
Polgar, Satire sei wie das Pistolenschießen, wo man auch etwas höher zielen
müsse, als man treffen wolle, weil es einem die Hand beim Schuß nach unten
verreisse. Ja, was sind denn das für Vergleiche, sind wir denn im Krieg?
Nein, in Zeiten, wo uns der Friede alles ist und Gewalt niemals ein Mittel
sein darf, können wir diese veralteten Literaturmodelle nicht mehr
akzeptieren.
Wenn einstens Jonathan Swift vorschlug, man könne das Elend der Armen
lindern, in denen man ihnen zeige, wie sie ihre Neugeborenen schmackhaft
zubereiten können, um damit, statt einen unnützen Esser zu haben, endlich
wieder einmal selbst eine reichhaltige Mahlzeit auf den Tisch bringen zu
können, so war das wohl in jenen rohen Zeiten verortet, in denen Swift
lebte. Wenn hingegen heute im Rahmen dieser unsäglich dummen
#allesdichtmachen-Kampagne ein Ulrich Tukur vorschlägt, man solle auch die
Supermärkte zusperren, damit wir alle verhungern und so das Corona-Virus
keine Chance habe, dann erschreckt das doch die Leute! Und überhaupt wäre so
ein Maßnahme illegal! Ja, er hat es wohl "satirisch" gemeint, aber darüber
kann man nicht lachen. In Krisenzeiten kann man sich doch nicht über
überlebensnotwendige Maßnahmen lustig machen und sie bekämpfen! Schließlich
sind diese Verordnungen demokratisch zustandegekommen und wer das nicht
akzeptiert, scheint wohl zu glauben, er stünde über dem Gesetz! Satire darf
doch nie so antidemokratisch sein, Mehrheitsbeschlüsse der Volksvertreter in
Frage zu stellen!
Generell kann und muß man von Satire auch verlangen, daß sie nicht einfach
alles niedermachen dürfe, sondern sie muß auch konstruktiv sein und
Vorschläge machen, wie es besser ginge. Natürlich ist Kritik notwendig in
einer Demokratie, aber diese Kritik muß auch maßvoll sein. Ebenso hat Satire
auch lustig zu sein -- man muß darüber lachen können! Aber #allesdichtmachen
oder eine Lisa Eckhart sind einfach nicht lustig und erbaulich, sondern
erzeugen nur schlechte Stimmung und Krawall!
Ja, auch politisch korrekt muß Satire heute sein! Was da alles heute als
"Satire" bezeichnet wird, sind in Wirklichkeit Hassbotschaften und gehören
auch so -- mittels Boykott und Gerichten -- geahndet.
Unsere heutige europäische Gesellschaft ist viel sensibler geworden, wir
sind verletzlicher und einfühlsamer. Und das ist gut so! Wenn sich auch nur
ein Mensch betroffen und beleidigt fühlt, dann ist das schon einer zuviel.
Auch die Freiheit der Kunst hat ihre Grenzen!
Tucholsky hat ja auch später selbst erkannt, daß man mit Hass nicht die
Gesellschaft verbessern kann, indem er schrieb: "Küßt die Faschisten, wenn
ihr sie trefft!" Das ist der richtige Weg der Liebe und der gewaltfreien
Kommunikation.
Lebte Tucholsky heute noch, würde er daher wohl, seiner Verantwortung
bewußt, schreiben: "Was muß die Satire? Alles!"
Ceterum censeo: Unterstützt alle die Corona-Maßnahmen der deutschen und der
österreichischen Bundesregierung! Und bleibt gesund!
*Mario Czerny* (24.4.2021)
(Auflösung folgt)
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