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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Donnerstag, 15. April 2021; 05:24
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Kapitalismus/Glosse:

> Gedanken zu Steyr

Bösartige Assoziationen zum Industriestandort Österreich

"Menschen wieder in Beschäftigung bringen", "Maßnahmen zur
Standortsicherung", "Wiederaufbau", "Modernisieren", "Comeback",
"Ökologisierung und Digitalisierung" verkünden Kurz und Kogler im Chor.
Komischerweise kommt da der jetzt akute Fall MAN Steyr nicht vor. Da ist
nichts zu hören, wohl, weil man es den Arbeitern in dem Betrieb krumm nimmt,
daß sie sich nicht als Billigarbeitskräfte unter Kündigungsängsten an Sigi
Wolf verschachern lassen wollten. Lediglich von Markus Koza, früher
AUGE-Gewerkschafter und jetzt grüner Sozialsprecher im Nationalrat kommt mit
französischen und deutschen Beispielen an staatlichem Eigentum der
Autoindustrie daher und macht eine klare Ansage: "Öffentliche bzw.
staatliche Beteiligungen an strategisch und beschäftigungs- und
wirtschaftspolitisch bedeutenden Unternehmen - insbesondere auch an
Unternehmen der Automobilindustrie - sind als weniger 'anachronistisch' und
'retro', als vielmehr weiter verbreitet und üblicher, als es manche
Konservative und Liberale gerne wahr haben wollen. Wären öffentliche
Beteiligungen tatsächlich längst überholt, wie auch seitens Teilen der ÖVP
aktuell behauptet wird, stellt sich die Fragen, warum dann Bund, Länder und
Gemeinden - gerade auch ÖVP-dominierte - imme noch staatliche bzw.
öffentliche Anteile halten. Und das gar nicht in kleinem Umfang. Und warum
es die ÖBAG gibt." So Koza auf Facebook.

Markus, viel Glück bei deinen diesbezüglichen Ambitionen, nur fürchte ich,
daß nichtmal deine eigene Partei dich dabei unterstützen wird!

Und die ÖBAG wird wohl spätestens ab nächstem Jahr nicht mehr von einem
türkisen Familienmitglied und Bussibären geführt werden können, da muß man
doch eher die Privatisierungslinie fahren. Daß die ÖVP alles privatisieren
will und nichts verstaatlichen, war nicht immer so -- in der Nachkriegszeit
war man Feuer und Flamme für staatliches Industrieeigentum. Okay, ja,
hauptsächlich deswegen weil die Sowjets "deutsches Eigentum" als
Reparationen einkassieren wollten, aber auch, weil es vernünftig war und
auch die damaligen Ideen des Ordoliberalismus damit zusammenpaßten. Wobei
Andreas Khol ja einst behauptet hat, der damalige Hoffnungsträger und
jetzige Kanzler hätte eine gewisse Nähe zum Ordoliberalismus, aber das war
wohl ein Irrtum. Denn spätestens seit Kreiskys Zeiten, als die Schwarzen
keine Kontrolle mehr über die Verstaatlichte hatten, waren
Staatsbeteiligungen des Teufels -- schließlich war Vollbeschäftigung
Kreiskys Lieblingsthema und daher mußte die Opposition ein ihrer Meinung
nach zu hohes Budgetdefizit thematisieren.

Schöner neuer Markt

Vranitzky und Schüssel sorgten dann aber später für die Filetierung oder
besser Zerschlagung der Verstaatlichten, womit wir wieder bei Steyr wären.
Denn eine Verstaatlichung des jetzt noch zu MAN gehörenden Werkes wäre ja
nur eine Rückkehr zu alten Zeiten (als die damals staatliche Creditanstalt
Eigentümer von Steyr-Daimler-Puch war), also eine Wiederverstaatlichung. Und
es ist wohl auch kein Zufall, daß ausgerechnet der ehemalige Magna-Manager
jetzt als rettender Engel präsentiert wurde -- hatte sich doch der
Stronach-Konzern bei der Zerschlagung von SDP recht kräftig bedient und
Magna Steyr gegründet, dessen CEO dann eben Sigi Wolf wurde.

Warum aber besteht MAN darauf, nur Wolf das Werk überlassen zu wollen? Man
will die vertraglich zugesagte Beschäftigungsgarantie gerne loswerden, schon
klar, aber ginge das nicht an jemanden anderen auch? Was sind da die
Absprachen mit den deutschen Konzernherren -- etwa, daß Wolf das Werk billig
kriegt, dafür aber keine Konkurrenzprodukte zu MAN herstellt oder gar
einfach nur ein kostengünstigerer Zulieferer wird? Darüber herrscht
Stillschweigen -- man kann sich nur seinen Teil denken und das taten wohl
auch die Arbeiter in Steyr. Und deswegen ist die Abstimmung auch so
ausgegangen und MAN stellt jetzt auf stur, weil dieses divide et impera so
nicht funktionieren wollte.

Wem gehört Steyr und warum?

Und welche Rolle spielen eigentlich die Herren hinter den MAN-Managern? Denn
MAN gehört der Münchner Traton SE. Traton gehört der Volkswagen AG. Und die
Volkswagen AG wird mehrheitlich von Porsche SE kontrolliert. Und die gehört
hauptsächlich der österreichischen Großfamilie Porsche-Piech. Und deren
Vorfahren hatten zum Wiederaufbau ihres Konzerns nach 1945 das Geld von
Hitler, das sie mit Kriegsende nach Österreich in Sicherheit brachten und
damit in ihr Eigentum überführten. Ganz unabhängig von der
Zwangsarbeitsgeschichte des Auto-Konglomerats von Daimler, Benz, Kdf-Wagen
und Porsche im Dritten Reich wäre halt daher wohl auch eine
entschädigungslose Wiederverstaatlichung des Steyr-Werks mehr als
angemessen.

Wird es wohl nicht spielen! Nicht nur, weil die Milliardärsfamilie
sakrosankt, sondern auch weil Verstaatlichung pfui ist. Jetzt dürfen wir uns
das Gezeter der ÖVP Oberösterreich anhören, die beklagt, daß wohl ein
"Informationsdefizit" bei den Steyr-Arbeitern vorgelegen habe, daß sie
dieses tolle Angebot nicht angenommen haben -- wäre schön, gäbe es jetzt
einen Untersuchungsausschuß, mit dessen Hilfe wir die SMS zwischen Wolf, MAN
und der ÖVP-OÖ lesen könnten, wenns geht noch vor den Landtagswahlen in
Oberösterreich. Da könnte man dann vielleicht dieses Informationsdefizit
beheben. Ja, auch so ein Wunsch an den Osterhasen, der nicht in Erfüllung
gehen wird.

Nein, es wird sich wohl so abspielen wie einstens bei Semperit -- da hat man
auch erst privatisiert und dann bei der Schließung des Werks seitens der SPÖ
nur bedauern können, daß man da jetzt halt nichts mehr machen könne. Und
heute kommt dann noch dazu, daß staatliches Industrieeigentum in der EU
nicht so gerne gesehen werde und man einfach den freien Markt akzeptieren
müsse. Wenn nicht sowieso die Chinesen schuld sind, die ja viel billiger
produzieren können. Oder die Gewerkschaft, die nicht bereit ist,
"weltmarktkonforme" Löhne zu akzeptieren.

Tja, erst wenn der letzte Industriestandort Österreichs geschlossen wird,
werden ÖVP und Grüne erkennen, daß man auch Elektro-LKWs nicht im Homeoffice
zusammenschrauben kann.
*Bernhard Redl*


Zur Geschichte der Verstaatlichten und speziell Steyr empfiehlt sich die
Lektüre von:
Der lange Ausverkauf des Steyr-Konzerns, Ein Geschenk für Stronach - von Ali
Kropf/SLP (1998)
https://www.slp.at/artikel/der-lange-ausverkauf-des-steyr-konzerns-1029

und:
Die dubiose Filetierung von Steyr-Daimler-Puch - von Heinz Högelsberger
(2003)
https://con-labour.at/wp-content/uploads/2020/07/Filetierung-von-Steyr-Daimler-Puch.pdf


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