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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Donnerstag, 1. April 2021; 04:01
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VERWORTET

> Förderung, Verdienst, Bedarf

"Besteht da nicht die Gefahr der Überförderung?" So oder ähnlich haben wir
das in letzter Zeit häufiger gehört bei Journalistenfragen. Gerade beim
Staatsfunk, weil da müssen sie laut ORF-Gesetz so fragen, denn die Nutzung
von Steuergeldern gilt als ein gesellschaftlich relevantes Thema und die
Neidgesellschaft gegenüber denjenigen, die eh nicht viel haben, steht als
Staatsziel in der österreichischen Realverfassung.

Generell steht die "Förderung" oder auch "Subvention" in einem schlechten
Geruch. Sie hat immer etwas Illegitimes im Gegensatz zum "Verdienst" -- eine
Förderung hat man nicht verdient, sondern sie wird in einem Gnadenakt
"gewährt".

Ein klassischer privater Förderer will den Geförderten vorwärtsbringen,
dieser ist sein Protegé. Diese Förderung ist gesellschaftlich nur
akzeptiert, weil da der Obrigkeitsglaube zuschlägt: Je höherstehend der
Förderer, desto legitimer erscheint die Förderung. Allerdings: Wer jemanden
anderen fördert, setzt diesen auch in ein Abhängigkeitsverhältnis -- die
nicht nur emotionale Dankbarkeit gehört zum Deal.

So ähnlich macht das auch der Staat. Auch dieser fordert Wohlverhalten bei
den Geförderten ein. (Vielleicht kann man das meist in Bildungsdebatten
gebräuchliche Schlagwort von "Fordern und Fördern" auch so verstehen.)
Allerdings vergibt der Staat zumeist eigentlich keine "Förderungen", sondern
er subventioniert aktive Mitglieder der Gesellschaft und da vor allem
juristische Personen, also Institutionen. Man denke da zum Beispiel an die
Sozialvereine -- die werden im Wortsinn nicht gefördert, sondern sie werden
einfach zur Gänze von der öffentlichen Hand bezahlt, um Aufgaben zu
übernehmen, die gesellschaftlicher Natur sind, also an sich eine staatliche
Angelegenheit. Es gibt da dieses verräterische Wort "Förderbedarf": Die
Institutionen "bedürfen" dieser "Förderung", weil es sie sonst schlicht
nicht gäbe und der Staat selbst wieder diese Aufgaben übernehmen müßte. Dann
müßten diese Dinge wieder Beamte erledigen und die bekommen halt keine
Förderung sondern haben ihren Verdienst -- und der kostet halt mehr. Also
wird doch lieber "gefördert".

Dabei ist "Verdienst" ja auch ein heikles Wort. Ein Diener bekommt für
seinen Dienst eine Entlohnung. Hier ist ebenfalls das Obrigkeitsprinzip
eingeschrieben. Dennoch: Auf einen Verdienst hat man einen Anspruch,
hingegen aus einem Förderbedarf soll einem kein solcher Rechtstitel
erwachsen. (Daß das der VfGH bisweilen anders sieht -- siehe die
erfolgreiche Einforderung der Publizistikförderung --, ändert nichts am
Grundprinzip.)

Wer hingegen nur einen einfachen "Bedarf" (ohne "Förder-" davor) hat, der
steht noch schlechter da. Der ist ein "Bedürftiger", ein "Hilfsbedürftiger",
der bekommt dann "Hilfe", etwa Notstandshilfe oder Sozialhilfe.
Dementsprechend willkürlich wird diese gewährt -- da ist nicht mehr
Dankbarkeit, sondern totale Unterwürfigkeit gefragt. Kein Wunder, daß man
den Begriff "Mindestsicherung" wieder gestrichen hat -- denn wenn auch diese
rechtlich und praktisch nicht viel anders war als die Sozialhilfe, so mutet
"Sicherung" irgendwie gar zu sehr nach Anspruch und Berechtigung an.

Und wie ist das jetzt mit den Corona-"hilfen" und -"förderungen"? Das
sollten eigentlich gar keine sein. Es sollten ordentliche Rechtstitel sein,
stattdessen gibt es solche sprachlichen Demütigungen wie "Härtefallfonds" --
das klingt so nach barmherzigem Samariter und so gar nicht nach Recht auf
Entschädigung. Daher dann auch die Debatte über "Überförderung".

Es hat schon einen Grund, warum bei der Forderung nach einem
Grundeinkommen -- auch wenn es dann ein sehr langer Begriff wird -- immer
"existenzsichernd" und "bedingungslos" davor gesetzt werden muß. Sonst gibts
Mißverständnisse und es kommt wieder nur eine "Förderung" oder gar "Hilfe"
heraus.
*Bernhard Redl*


In der Rubrik VERWORTET stellt die akin regelmäßig Wörter oder Phrasen vor,
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