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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Donnerstag, 1. April 2021; 03:35
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Arbeit/Kapitalismus/Bücher:
> Piketty angelesen
Naja, 1300 Seiten schrecken doch etwas, aber in Coronazeiten kenne ich nix.
Das Kapital im 21. Jahrhundert von Thomas Piketty habe ich nicht gelesen,
aber seinen neuen Wälzer "Kapital und Ideologie" (1) habe ich gerade in der
Reißen. Wie wenig andere verknüpft er soziologische und ökonomische
Erkenntnisse, hat wie ein Wilder recherchiert (hätte sich das auch von Marx
ein bisserl mehr gewünscht), versteht unter Ideologie mehr oder weniger die
Rechtfertigung der Ungleichheit in unserer Gesellschaft, die er nicht total
verdammt, hält die von manchen Marxisten ein bisschen stur angenommene
Gesetzmäßigkeit vom Zusammenhang der Entwicklung der Produktivkräfte
und den Herrschaftsverhältnissen für zu mechanistisch, belegt mit
Statistiken, dass sehr hohe Steuern auf Eigentum bzw. Gewinn im
Gegensatz zur heute allgemein herrschenden Ideologie das
Wirtschaftswachstum nicht bremsen sondern ganz im Gegenteil, fragt
sich, wieso die Sozialdemokratie, die ehemals das Proletariat vertreten
hat, dies heute nicht mehr tut ... ist einfach spannend.
Wer sich nicht gleich den Wälzer antun will, dem / der empfehle ich das
Interview mit Piketty im Schweizer Rundfunk: "Sternstunde Philosophie:
Ungleichheit zerstört die Demokratie" (2).
Ein Plädoyer gegen den oben zitierten quasi deterministischen linken Ansatz
hat schon in den späteren 70er Jahren Otto Ullrich in seinem Büchlein
"Weltniveau / In der Sackgasse des Industriesystems" geschrieben. Zitat aus
dem Buch:
"Der zentrale Punkt meiner Kritik ist, daß auch im Marxismus, und im
vorherrschenden linken Bewußtsein bis heute, die vom Kapitalismus
entwickelte Große Industrie zum Maßstab der Höherentwicklung genommen wird.
Die Große Industrie ist aber eine zentral-machtorientierte Produktivkraft,
die vor allem das Potential der Macht erhöht. Die "Überlegenheit" einer
lndustriegesellschalt gegenüber anderen Gesellschalten bemißt sich also
hauptsächlich in
Kategorien der Macht, in der Fähigkeit, andere Länder durch bessere Waffen
und billigere Waren zu erobern. Wenn diese Länder nicht zur Beute der
'entwickelteren' werden wollten, waren auch sie gezwungen, die Große
Industrie zu entwickeln. Ob aus diesen Zwängen sozialistische Auswege
möglich gewesen wären, kann heute nur Spekulation sein."
Und jetzt kommts: "Jedenfalls kann dieser wenig glückliche Geschichtsverlauf
nicht nachträglich als notwendige Entwicklung verklärt werden, der die
Menschheit insgesamt vorangebracht hätte."
*Kurt Winterstein*
(1) Thomas Piketty: Kapital und Ideologie, C.H.Beck 2020, 1312 Seiten, EUR
41,10.
(2)
https://archive.org/details/Thomas-Piketty_Ungleichheit-zerstoert-die-Demokratie_Sternstunde-Philosophie_SRF_2020
oder https://tinyurl.com/AKIN09piketty
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