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  akin-Pressedienst.
  Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 17. Februar 2021; 19:31
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  Zivilgesellschaft/Wickel:
  
  > Offener Brief an epicenter.works
  
  Nachstehender Offene Brief wurde am 12. Feber 2021 an die interne
  epicenter.works-Mailingliste (vds-discuss) und die drei Vorstandsmitglieder
  gemailt sowie auf Twitter verbreitet. Die Thematik betrifft aber nicht nur
  die angesprochene NGO, sondern generell Probleme der "Zivilgesellschaft":
  *
  
  Lieber Vorstand, lieber Dieter, lieber Herbert, liebe Sonja,
  wir machen uns - schon länger - Sorgen um epicenter.works. Finaler Auslöser
  für diesen Offenen Brief sind die Ereignisse um und der Umgang mit Iwona
  Laub diese Woche (siehe z. B. diesen Bericht im Standard (1)). In der Folge
  kam es bereits zu zahlreichen Fördermitgliedschaftskündigungen, ersten
  Vereinsaustritten und, to put it mildly, einer ziemlich schlechten Nachrede
  für den Verein (vgl. hier auf Twitter (2)).
  
  Iwonas Fall ist aber tatsächlich nur die Spitze des Eisbergs. In den letzten
  vierzehn Monaten haben trotz Pandemie und Arbeitsmarktunsicherheit sechs
  Menschen das epicenter.works-Team verlassen. Der größte gemeinsame Faktor
  war laut unseren persönlichen Gesprächen mit Abgänger:innen der Umgangston
  und die Mitarbeiter:innenführung innerhalb des Vereins.
  
  So kann es nicht weitergehen. Österreich braucht dringend eine netzpolitisch
  orientierte NGO zur Verteidigung und zum Ausbau der Grund- und
  Menschenrechte. Aufgabe einer solchen NGO muss es sein, der Regierung und
  politischen Parteien gegenüber kritisch zu sein. Dieser Aufgabe konnte
  epicenter.works in den letzten Jahren trotz der genannten chronischen
  internen Probleme nachkommen, aber nur dank immenser Leistung Einzelner. Die
  Versuche, die internen Probleme mit minimalinvasiven Maßnahmen wie einer
  Betriebsratsgründung oder einer Zweiteilung der Geschäftsführung anzugehen,
  müssen wohl spätestens mit dieser Woche als gescheitert gelten.
  
  Wir, die wir uns bisher ehrenamtlich bei epicenter.works engagieren, stehen
  solidarisch hinter aktuellen wie ehemaligen Mitarbeiter:innen. Es braucht
  endlich Konsequenzen. Unserem Eindruck nach gibt es keine andere Möglichkeit
  zur Lösung der bereits lange anhaltenden Probleme als umgehende Änderungen
  in der Geschäftsführung. Gibt es solche Änderungen nicht oder erscheinen
  diese nicht aussichtsreich, muss unserer Meinung nach in letzter Instanz
  auch eine grundlegende Umstrukturierung des Vereins erwogen werden. Ideen,
  wie diese Änderungen oder Umstrukturierung aussehen können, sollten in einem
  möglichst offenen Prozess unter Einbindung von Vereinsaktiven,
  Ehrenamtlichen und Sympathisant:innen gesammelt und evaluiert werden.
  
  Alles Liebe,
  
  *Sabrina Burtscher, Peter Grassberger, Lukas Daniel Klausner und Erwin Ernst
  Steinhammer*
  
  (1)
  https://www.derstandard.at/story/2000124042030/gruene-beschwerde-ueber-ngo-mitarbeiterin-wegen-mittelfinger-tweet
  (2) https://twitter.com/search?q=(to%3Aepicenter_works)&f=live
  Veröffentlichung des Offenen Briefes:
  https://pads.c3w.at/pad/#/2/pad/view/IhPuh1KG2hECTfEJjYMfSOoTPuUvma6dYXsTF2tANfE/embed/
  
  *
  
  > Der parteipolitische Hintergrund
  
  Vorausgegangen ist diesem Brief zuerst der Protest der erwähnten bisherigen
  Mitarbeiterin von epicenter.works Iwona Laub. Diese hatte sich --
  ursprünglich ohne ihren Arbeitgeber zu nennen -- in einem öffentlichen
  Statement über die Grüne Partei empört: "Als eine langjährige Verbündete
  dieser Partei habe ich meine Schlüsse aus ihrem politischen Verhalten
  gezogen und mache daraus keinelei Geheimnis und poste auch immer wieder
  Kritik dazu auf Twitter, ja, manchmal ist sie nicht sehr nett, aber niemals
  habe ich jemanden persönlich angegriffen oder bin untergriffig geworden.
  Schon vor einiger Zeit sich Maurer bei mir im Verein über einen
  grün-kritischen Tweet beschwert und das, nachdem ich die Frau wirklich DIE
  GANZE ZEIT auch wegen der Craftbeercausa unterstützt hab. Ja, oida, ich hab
  ihr sogar meine Vorzugsstimme gegeben! Solche Leute rufen nun deinen Chef an
  und beschweren sich über dich! Wo sie vor Jahren selbst gegen solche Leute
  gebasht haben. Ich lache mittlerweile über meine eigene Dummheit
  diesbezüglich. Vor einigen Tagen (...) haben die Grünen einen
  selbstbeweihräuchernden Tweet zu "1 Jahr Türkis-Grün" geschrieben. Ja, ich
  habe nicht sehr 'nett' reagiert und war aufgrund einiger Dinge, die da
  genannt wurden, wütend und hab den Tweet geretweetet mit drei
  Mittelfinger-Emojis. Mehr nicht. Sowas MUSS eine Regierungspartei aushalten
  können. Und genau das hat einen hochrangigen grünen Ministeriums-Mitarbeiter
  zu einem langen Brief an meine Chefitäten veranlaßt."
  
  Die Debatte auf Twitter eskalierte schnell darüber, immer noch unter
  weitgehende Schonung des Arbeitgebers. Dieser meinte aber dann doch, ein
  längeres Statement abgeben zu müssen, das alles noch schlimmer machte. Der
  offizielle Account von epicenter.works twitterte: "Wir distanzieren uns von
  ihrer privaten Kommunikation, weil sie nicht unserem Stil und auch nicht den
  Fakten entspricht. (...) Wir haben unsere Position noch nie aufgrund von
  politischem Druck verändert. Unser Job ist es zu kritisieren und Lösungen
  anzubieten, aber das tun wir so, dass es das politische Gegenüber auch
  verstehen und nehmen kann. Es gab am Dienstag an Iwona die Ankündigung eines
  Gesprächs für Donnerstag über geplante Social Media Guidelines nach dem
  Vorbild des ORF. Daraufhin hat Iwona mit dem Deaktivieren ihres Twitter
  Profils reagiert und einen Facebook Post mit falschen Anschuldigungen
  geschrieben. Es gab nie einen Brief aus einem Ministerium bezüglich Iwona.
  Ein Grüner Kabinettsmitarbeiter hat seine private Fördermitgliedschaft bei
  uns gekündigt, die er seit 2015 hatte. (...) Weitere Schritte werden intern
  besprochen. Uns ist diese ganze Situation einfach nur peinlich und wir
  entschuldigen uns für diese unsachliche Diskussion."
  
  Die Äußerung "weitere Schritte", die Unterstellung, Laub würde die Sache
  falsch darstellen, vor allem aber die Entblößung "Social Media Guidelines"
  einführen zu wollen, die gerade im Umfeld einer NGO, die sich die digitale
  Selbstbestimmung auf die Fahnen geheftet hat, eher als Maulkorb für
  MitarbeiterInnen gesehen wird, kam auf Twitter und anderen Kanälen nicht gut
  an. Und Laub zog die Konsequenzen: "Ich habe selber gekündigt, aber das
  unloyale Verhalten meines Arbeitgebers und die angeblich faktisch falschen
  Behauptungen (es war Signal und nicht e-Mail etc.) sind einfach unrichtig.
  Ich wurde unter den Bus geworfen, so is es jetzt halt. Was hätte ich denn
  davon, zu lügen? Leute, ich hab jetzt keinen Job mehr. In der größten Krise
  seit ich auf der Welt bin. Glaubts ihr ernsthaft, dass ich so eine
  Geschichte bei den Haaren herbeiziehe? (...) Für mich ist die Sache beendet,
  ich bin jetzt auf der Suche nach einem neuen, spannenden Job in der
  Kommunikation. An der Stelle möchte ich auch anmerken, dass ich zu keinem
  einzigen Zeitpunkt meinem Arbeitgeber den Vorwurf gemacht habe, sich diesen
  Interventionen zu unterwerfen. Aber anscheinend hat man das anders gesehen."
  (akin)
  
  > Kommentar
  
  Der Schaden für epicenter.works, einer so wichtigen NGO, die leider den
  schweren Fehler begangen hat, sich offensichtlich zu sehr in den Dunstkreis
  einer politischen Partei zu begeben, ist enorm. Geschichtlich ist dieser
  Fehler verständlich, schließlich war die NGO, die als kleine Initiative
  gegen die Vorratsdatenspeicherung gegründet worden ist, anfänglich ein
  wichtiger Bündnispartner der damals noch oppositionellen Grünen. An eine
  saubere Trennung war damals nicht zu denken.
  
  Das Bild von einer tatsächlichen parteiunabhängigen und kritischen
  Institution muß sich epicenter.works jetzt aber erst wieder zurückerkämpfen.
  Es ist zu hoffen, daß das gelingt, denn bislang war die Arbeit der NGO ja
  sehr wertvoll.
  
  Vielleicht kann aber auch dieses Beispiel für andere NGOs als Mahnung
  funktionieren: Wer eine "Nichtregierungsorganisation" sein will, sollte
  beizeiten darauf achten, nicht in die Abhängigkeit oder auch nur Nähe zu
  einer politischen Partei -- egal, welcher -- zu geraten, selbst wenn diese
  Partei sobald nicht in Gefahr zu geraten scheint, auf irgendeiner Ebene in
  eine Regierung zu kommen. Wenn das aber unvermeidbar ist, sollte damit offen
  umgegangen und auch klargemacht werden, daß man sich zumindest um Distanz
  bemüht.
  
  Meint zumindest der Redakteur eines nicht ungrünnahen Blattes.
  *Bernhard Redl*
  
  
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