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  akin-Pressedienst.
  Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 3. Februar 2021; 22:01
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  Debatte:
  
  > Gehässigkeit als Notwendigkeit
  
  Eine Antwort auf Robert Fiedel (im heutigen akin-pd)
  
  Nunja, lieber Robert, "kontroversiell" ist dir zuwenig stark? Könnten wir
  uns auf "polemisch" einigen? Weil "gehässig", ist selbst auch ziemlich
  gehässig. Obwohl: Hass ist ein starkes, aber nicht so schlechtes Gefühl. Vor
  allem ist es ein notwendiges Gefühl, damit was weitergeht. Hass hat halt nur
  ein Imageproblem, weil in der Postmoderne haben sich ja alle liebzuhaben.
  
  Okay, das war wohl wieder zu polemisch oder gar gehässig -- aber im Ernst:
  Du bist kein dahergelaufener Bobo-Antifa, der nicht weiß, daß staatliche
  Kontrolle immer auch Herrschaft bedeutet. Und der Begriff
  "Kontrollstrategie" stammt nicht von mir, sondern aus dem Zero-Covid-Papier.
  Wer diese "Kreise der Linken" sind? Ich habe exemplarisch zwei erwähnt, die
  andern sind leicht zu ermitteln, wenn man sich die Erstunterzeichner dieses
  Aufrufs durchliest.
  
  Daher gehe ich gleich darauf ein, daß Du anscheinend meinst, Hofer und Van
  der Bellen würde mehr trennen als sie gemeinsam hätten. Nun, da kann ich
  einmal mit einem mittlerweile klassisch zu nennenden Zitat von Noam Chomsky
  antworten: "Der schlaueste Weg, Menschen passiv und folgsam zu halten, ist,
  das Spektrum akzeptierter Meinungen strikt zu limitieren, aber innerhalb
  dieses Spektrums sehr lebhafte Debatten zu erlauben."
  
  Aber zugegebenermassen ist das Zitieren von Autoritäten mehr billig als
  recht. Daher en detail: Der Bundespräsident hat in Österreich faktisch die
  Rolle eines Grüßaugusts -- man nennt das "Rollenverzicht". Was schon mal
  eine ziemliche Zumutung ist, denn wozu wählen wir eigentlich mit
  Riesenbrimborium einen Bundespräsidenten, der sich dann nobel zurückhält,
  seinen Job zu machen, als wäre er die englische Königin? Doch der gute
  Sascha hat ja versprochen, daß er eine eventuelle Regierungsbeteiligung der
  FPÖ verhindern werde, sollte er gewählt werden -- was ihn natürlich vom
  Kandidaten Hofer unterscheide. Wir wissen was dann passiert ist: Van der
  Bellen gelobte das Kurz-Strache-Kabinett an, frohgemut, zu Scherzen
  aufgelegt, mit einem Lächeln -- er schaffte nichtmal die Leichenbittermiene
  seines Vorvorgängers Klestil in einer ähnlichen Situation. Ja, zugegeben,
  ein Unterschied besteht schon: Hofer hätte möglicherweise nicht so ohne
  weiters dem Ansinnen des machtgierigen Gesalbten zugestimmt, eine
  Alleinregierung zu führen -- aber dafür wurde Van der Bellen gewählt? Die
  Regierung Kurz entlassen hat er ja eh nur, weil ihn das Parlament dazu
  gezwungen hat. Und dann sucht er sich augerechnet eine verdammt ÖVP-nahe
  Richterin als neue Bundeskanzlerin aus? Auch hier gibt es natürlich den
  Unterschied: Hofer hätte sich vielleicht jemand FPÖ-nahen ausgesucht -- aber
  den Unterschied zwischen Türkisen und Blaunen kann mittlerweile sogar ich
  (unmusikalisch wie ich bin) Klavier spielen. Zuletzt durften wir dann noch
  hören, was Van der Bellens wichtigstes Anliegen ist: Der formelle
  Oberbefehlshaber möchte das Bundesheer wieder aufrüsten -- ja, das wäre dem
  Hofer sicher auch ein Anliegen gewesen.
  
  Aber so ganz generell: Wo sind denn die großen Unterschiede zwischen den
  Parteien? Ja, wenn sie in der Opposition sind, betonen sie, was sie von den
  Regierungsparteien unterscheidet -- aber spätestens wenn sie in Regierungen
  sitzen, sind sie alle kapitalismus-apologetisch und
  österreich-patridiotisch. Der Unterschied beschränkt sich darauf, ob man ein
  bisserl mehr auf die EU schimpft oder zusätzlich Euro-Patridiotismus
  verzapft. Internationalismus ist entweder kein Anliegen oder heißt, sich der
  NATO anzubiedern. Antikapitalismus gibts nicht. Antifaschismus heißt,
  Menschen mit Hakenkreuzen öde zu finden, Antimilitarismus hingegen ist
  mittlerweile auch bei den Grünen kein Thema mehr. Der Unterschied beschränkt
  sich darauf, ob man Dollfuß für einen "Heldenkanzler" hält oder lieber
  pietätvoll über ihn schweigt. In der Fremdenpolitik will die SPÖ nur
  "Gfraster" abschieben, die ÖVP aber alle "Illegalen" -- Abschiebungen finden
  aber alle Parteien notwendig. Die ÖVP will Arbeitslose drangsalieren, damit
  sie der "Wirtschaft" zur Verfügung stehen, die SPÖ das Gleiche, aber aus dem
  Grund, weil es ja so wichtig ist, in Arbeit zu stehen. Das Ergebnis ist
  wieder das Selbe. Usw. usf., Du weißt, worauf ich hinauswill. Ja, natürlich,
  ich alter Anarcho bin immer noch der Meinung, daß der Spontispruch richtig
  ist: Wenn Wahlen etwas verändern könnten, wären sie längst verboten. Sicher,
  die Nuancen sind bisweilen in konkreten Betroffenheiten relevant -- aber
  essentiell sind es eben nur Nuancen. Noch so ein Spruch sei hier angebracht:
  Das System hat keine Fehler, es ist der Fehler!
  
  Will man in der bürgerlichen Demokratie etwas verändern, muß man die
  Stimmung verändern. Das Kreisky-Wort über "einen Teil des Wegs gemeinsam
  gehen" sagt alles: Kreisky konnte die Aufbruchsstimmung der 70er nutzen, um
  einerseits das Land wirklich zu verändern und sich andererseits die Mehrheit
  zu sichern. (Natürlich waren da Prosperität und das Ausnutzen von ein paar
  alten Nazis auch hilfreich, aber das ist eine andere Geschichte.) Es gab
  eben diese Stimmung für ein "modernes Österreich". Wenn umgekehrt heute in
  der Krise an sich fortschrittliche Leute sich für ein autoritäres
  Herrschaftsmodell stark machen, erzeugt das auch Stimmung -- allerdings eine
  katastrophale.
  
  Wenn ich davor warne, magst Du das für gehässig halten. Ich halte es für
  notwendig.
  
  *Bernhard Redl*
  
  
  
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