Türkisgrün: Wir brauchen Gesundheits-, Sozial- und Demokratieschutz!
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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 18. November 2020; 13:48
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Türkisgrün:

> Wir brauchen Gesundheits-, Sozial- und Demokratieschutz!

Statement der *Solidarwerkstatt*

Die täglichen Neuinfektionenen, die Zahl der IntensivpatientInnen und der
Corona-Toten steigt massiv an. Das macht entschlossene Gegenmaßnahmen
notwendig. Während die Regierung mit dem (Teil-)Lockdown versucht, die
Ausbreitung des Virus zu drosseln, bleiben die Maßnahmen der Regierung gegen
die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der Pandemie immer noch
dürftig.

Mitte September waren von den 28 Milliarden im
Corona-Krisenbewältigungsfonds erst 2,3 Milliarden (8%) ausbezahlt. Seit
zwei Monaten befindet sich der Fixkostenzuschuss II in der Warteschleife,
weil sich die Regierung nicht traut, endlich die ständige Gängelung durch
die EU-Kommission zurückzuweisen. Das trifft vor allem Klein- und
Mittelbetriebe. Es bleibt zu hoffen, dass zumindest der jetzt versprochene
Umsatzentgang rasch und unbürokratisch ausbezahlt wird.

Arbeitslosengeld sofort und dauerhaft erhöhen!

Die Regierung verweigert nach wie vor eine sofortige und dauerhafte Anhebung
der in Österreich besonders niedrigen Nettoersatzrate beim Arbeitslosengeld
von 55%. Einmalige Almosenzahlungen dienen dazu, jetzt die Forderung nach
einer dauerhaften Erhöhung für alle abzublocken, um später ein "degressives"
Arbeitslosengeld auf Schiene zu bringen, wie das die grüne Klubobfrau Sigrid
Maurer angekündigt hat. Das heißt: Das Arbeitslosengeld soll mit zunehmender
Dauer der Arbeitslosigkeit immer weiter absinken. Damit soll durchgesetzt
werden, worauf Industriellenvereinigung und EU-Kommission schon lange
drängen: Druck auf Langzeitarbeitslose, zu Dumpinglöhnen zu arbeiten, um
einen Niedriglohnsektors a´la Hartz 4 in Deutschland auszuweiten. Außerdem
zeichnet sich ab, dass diese Einmalzahlungen für Arbeitslose mit
Verschlechterungen für PensionistInnen - Abschaffung der Hacklerpension -
verknüpft wird.

Auch die von der Coronakrise hart getroffenen Studierenden werden im Stich
gelassen. Statt diese in der Covid-Krise zu unterstützen (z.B.
Studiengebührenbefreiung), sollen mit der geplanten Novellierung des
Universitätsstudiengesetz neue Hürden für das Weiterstudieren errichtet
werden.

Deckelung der Gesundheitsausgaben beseitigen!

Um eine Überlastung der Spitäler zu vermeiden, ist es jetzt notwendig, die
Neuinfektionen zu senken. Innerhalb kurzer Zeit können nicht
Intensivkapazitäten, für die hoch qualifiziertes Personal benötigt wird,
ausgebaut werden. Gleichzeitig müssen aber sofort auch die Weichen dafür
gestellt werden, dass die Spar- und Kürzungspolitik im Gesundheitsbereich
endgültig der Vergangenheit angehört. Einige besonders wichtige Punkte:

. Unter dem Druck des EU-Fiskalpakts würde 2012 die Deckelung der
Gesundheitsausgaben eingeführt. Das hatte Folgen: Über 4.500 Akutbetten sind
seither abgebaut worden. Das rächt sich jetzt in der Pandemie bitter. Eine
Regierung, die hier nicht endlich umsteuert und sofort diese skandalöse
Gesundheitsdeckelung aufhebt, bleibt heuchlerisch, wenn sie vom Schutz
unserer Gesundheit redet. Davon ist immer noch nichts zu hören, im
Gegenteil: Die SPÖ hat aufgedeckt, dass der Bundesbeitrag zu den Spitälern
im kommen Jahr um 130 Millionen sinken soll. Der Deckel muss endlich weg!
(1)

. Ebenso muss die finanzielle Aushungerung der Gesundheitskasse und der
Unfallversicherung beendet werden, die durch die vermurkste türkis-blaue
"Reform" verursacht wurde. Gerade der Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz kann
entscheidend zur Corona-Prävention beitragen, wie die vielen Cluster in
prekären Arbeitsverhältnissen gezeigt haben.

. Auch der Pflegenotstand muss sofort in Angriff genommen werden, indem die
Pflege in die Sozialversicherung integriert wird. Die bisherige Antwort von
Gesundheitsminister Anschober dazu: "In dieser Gesetzgebungsperiode nicht
mehr" (Kurier, 5.9.2020). Das ist unverantwortlich und kurzsichtig - denn
der Schutz älterer und pflegebedürftiger Menschen hängt maßgeblich davon ab,
ob es uns gelingt, gute Pflege für alle, also unabhängig von der Größe der
Brieftasche, zu organisieren.

Mundschutz ja - Maulkorb nein!

So notwendig jetzt entschlossene Maßnahmen für den Gesundheitsschutz sind,
so müssen wir doch immer auf der Hut sein, dass diese nicht zum Abbau
demokratischer Grundrechte führen. Erinnern wir uns zurück: Auch im Frühjahr
versuchte die Regierung, unsere Grund- und Freiheitsrechte im Lockdown zu
behalten, während die Einkaufstempel bereits aufgesperrt wurden. Der
energische Protest der Zivilgesellschaft und der Verfassungsgerichtshof
haben dieser ungerechtfertigten Ungleichbehandlung ein Ende bereitet. Dieser
Erfolg wirkt bis heute: Die Regierung getraute sich jetzt nicht mehr, das
Demonstrationsrecht anzutasten. Doch auch jetzt gibt es eine
verfassungsrechtlich bedenkliche Ungleichbehandlung: Gemeinsames Arbeiten in
Werkshallen oder Büros, gemeinsame Gottesdienste in der Kirche, das Abhalten
von Parteiversammlungen, das alles ist erlaubt, wenn bestimmte Bedingungen -
Abstand, Maske - eingehalten werden. Gleiches gilt jedoch nicht für
Zusammenkünfte der Zivilgesellschaft, auch wenn dieselben Hygieneregeln
eingehalten werden. Die Solidarwerkstatt wird dafür kämpfen, dass die
Eindämmung der Pandemie unter Wahrung der demokratischen Grundrechte
erfolgt. Politische Veranstaltungen der Zivilgesellschaft sind ein
Grundrecht! Mundschutz ja - Maulkorb nein!

Dubiose CVV-Bewegung

Wir dürfen nicht zulassen, dass der Schutz von Gesundheit, sozialer
Sicherheit und demokratischen Rechten auseinanderdividiert wird. Jene
Kräfte, die diese Politik betreiben, bekommen durch eine dubiose
Corona-Verleugner- und-Verharmloser-(CVV)-Bewegung (un-)freiwillige
Schützenhife. Diese CVV-Bewegung zeichnet sich dadurch aus, dass sie den
einfachsten und unbedenklichsten Gesundheitsschutz - den Mund-Nasen-Schutz
(MNS) - zum Gott-sei-bei-uns erklärt. Gerade gegen dieses Mittel, das es
leicht ermöglicht, den Schutz unserer Gesundheit und unserer Freiheitsrechte
miteinander zu verbinden, wird aus vollen Rohren geschossen. Völlig
durchgeknallte CVV-Ideologen bezeichnen den MNS gar "als das Hakenkreuz
unserer Zeit". Das ist nicht nur üble NS-Verharmlosung, das ist auch
Ausdruck einer völligen Respektlosigkeit gegenüber jenen Mitmenschen, die
ein hohes Risiko haben, an Covid schwer zu erkranken oder gar daran zu
sterben. Es ist daher kein Zufall, dass sich viele Rechtsextreme in dieser
Bewegung tummeln, denn der latente und manchmal auch offene
Sozialdarwinismus der CVV-Bewegung ("Sacrifice the weak!") zieht
Rechtsaußen-Strömungen magisch an.

Für jene Regierungspolitiker, die Covid als Chance sehen, den "Maßnahmen am
Rande des demokratischen Systems auszubauen", ist diese CVV-Bewegung ein
Geschenk. Wer autoritäre Überwachungsmaßnahmen durchsetzen will, hat nämlich
kein Interesse, dass sich so gelinde Mittel wie der MNS bei der
Pandemiebekämpfung durchsetzen. Im August hat die Regierung klammheimlich
eine Gesichtserkennungs-Software für Massenüberwachung im öffentlichen Raum
für den Regelbetrieb freigegeben. Führende CVV-Ideologen verrühren realen
Gefahren mit einem derart abstrusen Irrationalismus, dass es der Regierung
leichtfällt, ernsthafte Kritik an den Corona-Maßnahmen in Bausch und Bogen
ins Reich der Verschwörungstheorien verbannen. Und vor allem: Die
CVV-Bewegung macht einen großen Bogen um soziale Forderungen wie z.B. die
Anhebung des Arbeitslosengeldes oder eine kräftige Aufstockung des
Gesundheitsbudgets, die Austeritätsdiktate der EU werden nicht angetastet.
Das freut die Neoliberalen in der Regierung - und in der EU-Kommission, die
jetzt bereits in einem "technischen Papier" Tipps an die Regierungen
verteilt, wie ab kommenden Jahr die Politik des Sozialabbaus wieder
fortgesetzt werden kann (sh. Werkstatt-Blatt 3/2020).

Machen wir weiterhin auf der Straße Druck!

Es wundert daher auch wenig, dass diese CVV-"Opposition" von den
Mainstreammedien ins Rampenlicht gestellt wurde und wird. Jene Opposition
dagegen, die den Schutz von Gesundheit, Demokratie und sozialer Absicherung
miteinander verbindet, wird weitgehend ausgeblendet. Das betrifft etwa die
Aktivitäten des Personenkomitees Selbstbestimmtes Österreich bzw. der
Solidarwerkstatt. Wir werden uns davon nicht unterkriegen lassen. Gerade die
Corona-Pandemie zeigt auf, wie wichtig es ist, um einen Solidarstaat
Österreich kämpfen, in dem Gesundheits-, Sozial- und Demokratieschutz nicht
gegeneinander ausgespielt werden. Das ist auch das beste Gegenmittel zum
Irrationalismus, der in Zeiten von Existenzangst und Ohnmacht wieder einmal
besonders üppig wuchert.
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(1) Petition "Weg mit dem Deckel!"
https://www.solidarwerkstatt.at/medien/kampagnen/formular-weg-mit-dem-deckel-gesundheit-fuer-alle-statt-zwei-klassen-medizin

Quelle:
https://www.solidarwerkstatt.at/demokratie-politik/wir-brauchen-gesundheits-sozial-und-demokratieschutz

Für gestern, Dienstag, organisierten Solidarwerkstatt und Selbstbestimmtes
Österreich eine Protestkundgebung beim Parlament am Josephsplatz in Wien
anlässlich der Nationalratssession. Forderungen: 80% Arbeitslosengeld!
Sofort und unbefristet! Nein zur Einführung eines degressiven, befristeten
Arbeitslosengeldes!



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