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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Donnerstag, 14. Mai 2020; 07:07
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> "Demokratische Zumutung" des Wolfgang Sobotka

Von *stopptdierechten.at*, 6.5.2020

Vorbei ist er der Gedenktag anlässlich des 75. Jahrestags der Befreiung des
KZ Mauthausen und seiner Nebenlager. Am Abend gab's in der ZiB 2 ein
Interview mit Wolfgang Sobotka. Dazu hätten wir einige Anmerkungen.

Es war Wolfgang Sobotka, dem studierten Historiker, Innenminister von April
2016 bis Dezember 2017, seither Präsident des Nationalrats, vorbehalten, am
gestrigen Gedenktag den Schlusspunkt der politischen Statements zu setzen.
Als Gast der ZIB 2 erklärte er uns, wie das denn mit dem Antisemitismus so
sei und dass wir was dagegen tun müssen. Nichts Außergewöhnliches also, aber
doch einiges, was bemerkenswert war.

Wolfgang Sobotka erklärt, wie wichtig Erinnerungsarbeit sei und was es da in
Österreich schon gäbe:

"Da gibt es eine ganze Reihe von Organisationen, wie Centropa, die die
Geschichten aufschreibt, die sie filmt, die sie zu Tonträgern macht. Aber
auch eine ganz wesentliche Arbeit leisten unsere Vermittler in Mauthausen
selbst, (.) Da genügt es nicht allein, wenn die Regierung, wenn die
Parlamentarier Maßnahmen setzen oder die Israelitische Kultusgemeinde. (.)
Und da gibt es eine ganze Reihe von Maßnahmen. Das Parlament hat eine ganz
eine wesentliche gesetzt: Unsere Demokratiewerkstätte geht vor allem in
Schulen hinaus, um dieses Thema vor Ort mit Schülerinnen und Schülern zu
diskutieren." (Transkript APA)

Fehlt da nicht der so ziemlich wichtigste Akteur gerade im Feld rund um die
KZ Gedenkstätte Mauthausen, das Mauthausen Komitee Österreich (MKÖ)? Es ist
ja gut, auch eine weitgehend unbekannte Plattform zu nennen, aber
ausgerechnet das MKÖ außen vor zu lassen, das neben der kontinuierlichen
Gedenkarbeit jährlich die zwei wichtigsten Fixpunkte im Erinnern an den
Holocaust organisiert, die Befreiungsfeiern und das "Fest der Freude", auf
die Beine stellt, ist ein Fauxpas - hoffentlich kein parteipolitisch
motivierter, da das MKÖ als SPÖ-nahe gilt.

Da passt dazu, wenn Sobotka - vollkommen zu Recht - beklagt, dass es
Denkmalschändungen, auch in Mauthausen gäbe: "(.) wenngleich aber es immer
wieder zu Schändungen von Grabmälern kommt, von Friedhöfen oder auch, wie es
in Mauthausen schon oftmals vorgekommen ist, dass dort diese Gedenkstätte
geschändet wird und mit Nazi-Sprüchen beschmiert wird".

Just gestern wurde über die Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage das
publik:

"Mindestens 107-mal wurden in den vergangenen sieben Jahren Gedenkstätten
für NS-Opfer in Österreich geschändet, etwa durch Vandalismus. Der Großteil
dieser Straftaten wurde der Öffentlichkeit allerdings nicht bekannt - und
auch das Mauthausen-Komitee (MKÖ), Nachfolgeorganisation der
Lagergemeinschaft Mauthausen, wurde über 22 Schändungen in der
KZ-Gedenkstätte nicht informiert." (derstandard.at, 5.5.20)

Sobotka war in seiner Zeit als Innenminister direkt für die KZ-Gedenkstätte
Mauthausen verantwortlich und damit ebenfalls für Reaktionen auf die
Vandalenakte. Er hat sich jedoch - wie seine Amtskollegin Mikl-Leitner davor
und Kickl danach - weggeduckt. Die gedenkpolitische Sprecherin der SPÖ,
Sabine Schatz, verweist darauf, es sei "alleine seit September 2018 in der
Gedenkstätte Mauthausen zu 12 Vorfällen" gekommen. Was meint Sobotka dazu?

Direkt auf die Denkmalschändungen folgert er, er "glaube, es ist insgesamt
eine Situation, die in der analogen Welt eine durchaus moderate Situation
zeigt, aber die im Internet wirklich überhandnimmt". Hätte er nur einen ganz
kurzen Blick auf die Demonstrationen der letzten Tage in Wien, Klagenfurt
oder Bregenz geworfen, hätte auch er bemerken müssen, wie viel offen zur
Schau gestellter Antisemitismus zu bemerken war, ganz analog! Sobotka
weiter: "Und daher muss unser Augenmerk, vor allem in der nächsten Zeit,
ganz scharf auf das Internet gerichtet sein, denn was in der virtuellen
Räumlichkeit stattfindet, kann leicht dann auch im Analogen stattfinden."
Wie recht Sobotka doch hat, es ist zu hoffen, er schärft auch seinen
analogen Blick!

Dies ebenfalls, wenn er eine Berliner Medienwissenschafterin zitierend meint
"Antisemitismus - und das sind neue Ergebnisse - kommt nie aus den Rändern
der Gesellschaft, sondern immer aus der Mitte der Gesellschaft oder aus der
Tradition." Neu daran ist höchstens, dass dieser uralte Befund für Sobotka
neu ist, wirklich neu wäre, daraus endlich die richtigen Schlüsse zu ziehen
und entsprechende Maßnahmen zu setzen.


Richtiggehend abstrus wird der Schluss des Interviews: Lorenz-Dittlbacher:
"Eine letzte Frage noch zu diesen Herausforderungen und zur Gegenwart. Die
deutsche Bundeskanzlerin Merkel hat im Zusammenhang mit den Maßnahmen, die
auch Deutschland setzen musste und gesetzt hat, zur Ausbreitung - zur
Eindämmung der Ausbreitung des Virus, von einer "demokratiepolitischen"
Zumutung gesprochen. Ist es auch aus Ihrer Sicht eine demokratiepolitische
Zumutung, womit wir in den vergangenen Wochen konfrontiert waren?"

Sobotka: "Das österreichische Parlament, Nationalrat und Bundesrat, hat,
glaube ich, in dieser Zeit exzellent funktioniert, wie alle obersten
Staatsorgane. Natürlich hat so eine Zeit natürlich auch Herausforderungen
für den parlamentarischen Alltag und es ist natürlich eine Herausforderung -
manche sagen, es ist eine Zumutung - so viele Gesetze in so kurzer Zeit,
ohne Begutachtung zu beschließen. Das Gute daran ist, sie haben alle ein
Ablaufdatum - manche schon ein sehr frühes, die sind schon wieder außer
Kraft gesetzt worden, am 30. April, manche dauern noch ein paar Wochen
weniger lang. Und da zeigt sich, dass wir auch in der Krise Maß gehalten
haben. Und dort, wo wir jetzt sind, kehren wir Stück für Stück in diese
Normalität auch zurück in den gewohnten Alltag des parlamentarischen
Geschehens."

Es ist verständlich, wenn sich Sobotka in der Rolle des Präsidenten des
Nationalrats wahrnimmt, aber was sagte und meinte Merkel wirklich? "Diese
Pandemie ist eine demokratische Zumutung, denn sie schränkt genau das ein,
was unsere existenziellen Rechte und Bedürfnisse sind - die der Erwachsenen
genauso wie die der Kinder." (zeit.de, 23.4.20)

Wäre gut, wenn es dem Präsidenten des Nationalrats auch gelänge, an die
Bevölkerung zu denken, denn die hat die deutsche Bundeskanzlerin in ihrer
bemerkenswerten Regierungserklärung schließlich gemeint. Und nur die. Es
wäre eine weitere demokratische Zumutung, das zu ignorieren.
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https://www.stopptdierechten.at/2020/05/06/demokratische-zumutung-wolfgang-sobotka-im-zib-2-interview/


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