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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 29. April 2020; 08:29
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> Heraus zum 1. Mai!

Grundrechte nicht nur bei Schönwetter!

Soviele Aufrufe zum 1.Mai erreichten die akin schon lange nicht mehr. Es
soll eine Vielzahl von öffentlichen Manifestationen in Wien und anderen
Teilen Österreichs geben. Zum Teil sind sie als Versammlungen angezeigt --
inwiefern es diesbezüglich schon Untersagungen gibt oder diese noch kommen
werden, ist unklar. 15 Kundgebungsanmeldungen zählte allein die Wiener
Polizei bis Dienstag früh, macht aber Untersagungsbescheide und Vorgaben
großteils noch abhängig von einem ausständigen Parlamentsbeschluß zur
Neuregelung von Versammlungen in Epidemiezeiten.

Die Inhalte der Kundgebungen und Demos sind vielfältig und reichen von der
Forderung, daß diesmal wirklich die Reichen die Krise bezahlen sollen, über
Solidarität mit den Flüchtenden an den Grenzen der EU bis hin zum simplen
Bestehen auf der Bewahrung der Grund- und Menschenrechte.

Ein Personenkomitee verbreitet einen Aufruf, der zu allen derzeit geplanten
öffentlichen Protestaktionen mobilisieren soll. Wir veröffentlichen ihn hier
hier pars pro toto für alle konkreten Aufrufe:
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Demokratie und Rechtsstaat müssen sich nicht bewähren wenn alles gut läuft.
Gerade in Krisensituationen zeigt sich ob eine demokratische Gesellschaft
demokratische Grundrechte verteidigt oder nicht. Versammlungsfreiheit gehört
in Österreich zu diesen Grundrechten und war bereits im Katalog der
Grundrechte von 1867 aufgelistet. Dieses heute mit Novellierungen immer noch
gültige Versammlungsgesetz ist damit die Basis für ein verfassungsmäßig
garantiertes Grundrecht, das nicht so ohne weiteres durch eine Verordnung
oder ein einfaches Gesetz ausgehebelt werden kann.

Selbstverständlich gilt es die Ausbreitung eines gefährlichen Virus zu
behindern. Dies ist jedoch mit Abstandsregeln oder Mundschutz möglich und
setzt nicht per se die Versammlungsfreiheit aus. Auch in anderen von
Covid-19 betroffenen Staaten mit sehr strikten Beschränkungen, wie zum
Beispiel in Israel, war es in den letzten Wochen möglich, Demonstrationen
unter Einhaltung von Sicherheitsabstand zwischen den Demonstrant*innen
abzuhalten.

Gerade in einer massiven Krise, wie sie durch die Maßnahmen in der Folge der
Covid-1-Pandemie ausgelöst wurde, ist es wichtig, dass sich die Bevölkerung
in den politischen Prozess einbringen kann. Dazu zählen eben nicht nur
Wahlen, sondern auch Bürgerinitiativen, Kundgebungen und Demonstrationen.

Mit 600.000 Arbeitslosen, über 800.000 Menschen in Kurzarbeit und
Einpersonen- und Kleinunternehmen, die vor dem Ruin stehen, stellt sich die
Frage, wer für die Folgen der Krise bezahlen soll. Ganze Branchen, wie etwa
die Kunst- und Kulturszene, stehen vor dem Aus. Überlastete
Mitarbeiter*innen in Gesundheits-, Pflege- und Sozialberufen werden mit
Applaus statt mit höheren Löhnen oder besseren Arbeitsbedingungen
abgespeist. In einer Situation, in der insbesondere Frauen im Home Office
neben der geschlechterspezifische Doppelbelastung und Carearbeit auch noch
mit der Rolle als Lehrerinnen für ihre Kinder überlastet sind, in der
zunehmende Polizeiwillkür den öffentlichen Raum dominiert oder Geflohene an
den Rändern der Europäischen Union dem Tod ausgeliefert werden, ist es nicht
nur unser Recht, sondern auch umso dringlicher, unseren Protest auch auf die
Straße zu tragen. Gerade die vielfach autoritären und nationalstaatlichen
Antworten auf eine globale Krise zeigen, wie wichtig eine globale
Demokratie- und Arbeiter*innenbewegung von Unten ist.

Der erste Mai, der seit den Streiks von 1886 in Chicago zum internationalen
Kampftag der Arbeiter*innenbewegung wurde, ist in Österreich ein Feiertag
und wurde bis auf die Unterbrechung durch Austrofaschismus und
Nationalsozialismus als Tag begangen an dem die Arbeiter*innen ihre
Forderungen auf die Straße trugen. 2020 sind diese angesichts der sich
anbahnenden sozialen Krise noch wichtiger als die Jahre zuvor. Es muss klar
sein, dass die Kosten für diese Krise nicht von den Arbeitnehmer*innen,
Kleinselbstständigen und Einpersonenunternehmen bezahlt werden kann, sondern
dafür die großen Vermögen angetastet werden müssen, also die Reichen mit
Vermögens- und Erbschaftssteuern die Kosten der Krise bezahlen müssen.
Zugleich gilt es aber auch klar zu machen, dass es zu keinerlei
Einschränkungen der demokratischen Grundrechte und des Rechtsstaates kommen
darf.

Wir rufen deshalb dazu auf, sich am ersten Mai unter Beachtung der
notwendigen Sicherheitsabstände, an Kundgebungen und Demonstrationen zu
beteiligen und damit nicht nur deutlich zu machen, dass wir bereit sind für
unsere sozialen Rechte auf die Straße zu gehen, sondern auch unsere
Grundrechte und den demokratischen Rechtsstaat zu verteidigen. Wir haben uns
deshalb in dieser außergewöhnlichen Situation, in der die meisten Parteien
ihre Maidemonstrationen abgesagt haben, dazu entschlossen als
Personenkomitee dazu aufzurufen sich an den Kundgebungen und Demonstrationen
zu beteiligen. ###



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