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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 15. April 2020; 23:24
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> Protestverbote in Deutschland

Tim Lüddemann, freier Journalist in Berlin, postete von sich auf
Facebook ein Bild (1), zu dem er schreibt: "Seht ihr die Polizei im
Hintergrund? Die hat gerade eine friedliche und nach Gesundheitsaspekten
absolut vorbildliche Versammlung rigoros aufgelöst und Menschen
festgenommen. Dafür stehen sie jetzt gedrängt beeinander, ohne Mundschutz,
völlig chaotisch. Das Recht zu demonstrieren ist in Berlin aktuell faktisch
abgeschafft. Ob zu zweit oder zu zwanzigst, auf einem riesigen Platz oder in
Autos, die Polizei geht rigoros dazwischen. Es macht mir Sorge wie leicht
Grundrechte von einem Tag auf den anderen abgeschafft wurden. Wie schnell
das Recht auf Versammlungsfreiheit KOMPLETT ausgehebelt wurde. Und wie sehr
die Polizei hinterher ist friedlichen Demonstranten ordentlich eins
reinzudrücken."

Ähnliches berichtet coview.info, der Watchblog zu den Coronamaßnahmen, aus
Hamburg: Teilnehmer*innen der #LeaveNoOneBehind-Fahrraddemo in St. Pauli
beklagen sich über recht seltsame Gesundheitssicherungmethoden der Polizei:
"Ein Aktivist kann gerade noch einen von der Polizei beinahe provozierten
Zusammenstoß mit dem Cop-Auto verhindern. Eine Demo-Teilnehmerin wird
verletzt, nachdem die Polizei sie anfährt."

Und: "Ende März haben die Hamburger Cops das 'Lampedusa in Hamburg'-Protestzelt
geräumt, das sieben Jahre lang am Platz am Steindamm ein Zeichen
antirassistischen Protests und migrantischer Selbstorganisierung gewesen
war. Die Versammlungsbehörde hatte die Räumung beauftragt. ... Mit dem
Angriff gegen die selbstorganisierte Initiative verlieren die Geflüchteten
auf einen Schlag sowohl Unterkunft als auch das sichtbarste Zeichen ihres
Protests."

Öffentlicher Protest ist auch in Deutschland nur mehr als Kunstaktion
deklariert möglich, wie es eben die Refugee-Welcome-Bewegung gerade
vorführt. Maximal drei Personen marschieren mit Schutzmasken und einem
aufgespannten Zelt, auf dem die politische Botschaft platziert ist. Dann
macht man ganz schnell ein Photo, bevor die ersten Polizisten auftauchen.
Ein Flashmob ohne Mob also, der seine Öffentlichkeit nur mehr über Social
Media erfährt. Einige dieser Flashtents gabs auch in Österreich.

Anwältin in der Psychiatrie

Bedenklich ist aber auch dies: "Wegen des Verdachts, öffentlich zu einer
rechtswidrigen Tat aufgerufen zu haben, ermitteln die Staatsanwaltschaft
Heidelberg und das Dezernat Staatsschutz der Kriminalpolizeidirektion
Heidelberg gegen eine Heidelberger Rechtsanwältin. Sie soll über ihre
Homepage öffentlich zum Widerstand gegen die staatlich erlassenen
Corona-Verordnungen aufgerufen haben. Darüber hinaus soll sie dazu
aufgerufen haben, sich am Ostersamstag bundesweit zu einer Demonstration zu
versammeln. ... In diesem Zusammenhang wird seitens der
Strafverfolgungsbehörden eindrücklich darauf hingewiesen, dass die Teilnahme
an öffentlichen Versammlungen zu Zeiten der COVID-19-Pandemie einen
Straftatbestand erfüllen kann, zumindest indes eine Ordnungswidrigkeit
darstellt. Die Teilnahme an solchen Veranstaltungen hat daher zu
unterbleiben."

Was nicht in dieser "Gemeinsamen Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft
Heidelberg und des Polizeipräsidiums Mannheim" zu lesen ist, daß die
Rechtsanwältin mittlerweile in die Psychiatrie zwangsverfrachtet worden sein
dürfte. Zwar gibt es kolportierterweise Anhaltspunkte, daß sie tatsächlich
einen paranoiden Schub erlitten hatte, dennoch mangelt es hier an
Transparenz der Behörden, was nur schwer durch Datenschutz zu rechtfertigen
ist. Bei der Rechtsanwältin handelt es sich nämlich um Renate Bahner, die
durch einen - letztlich erfolglosen - Antrag auf eine einstweiligen
Anordnung des Bundesverfassungsgerichts gegen die Grundrechtseinschränkungen
durch die "Corona"-Rechtsverordnungen bekannt geworden ist. Die Ablehnung
ihres Antrags begründete das BVerfG unter anderem damit, daß Bahner selbst
nur bedingt von den Maßnahmen betroffen sei. Der Aufruf zur Demo und deren
Verbot hätten also auch eine neue Möglichkeit bedeuten können, Klage zu
führen.

Daß Bahner nun Unterstützung aus der rechten "Reichsbürger"-Szene erhält,
macht es natürlich für die deutschen Behörden leichter, derart rigorose
Maßnahmen zu setzen. Das Bild, daß eine Rechtsanwältin zwangspsychatriert
wird, weil sie sich gegen Grundrechtseinschränkungen wehrt, bleibt aber ein
häßliches.
(akin, 13.4.2020)

(1)
https://www.facebook.com/photo.php?fbid=1130590627302651&set=a.569248600103526&type=3&theater

Nachtrag 15.4.: Einer aktuellen Meldung zu Folge wurde die Anwältin heute
aus der Psychiatrie entlassen.



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