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  akin-Pressedienst.
  Aussendungszeitpunkt: Donnerstag, 2. April 2020; 17:02
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  > Die bösen Experten
  
  Eine Presseschau
  (31.3.2020)
  
  "Ich hab daher auch wenig Verständnis für die Kritik von manchen Experten an
  den Vorhaben, die wir hier planen, die aus meiner Sicht sehr sinnvoll und
  richtig sind." Nein, das ist kein aktuelles Zitat des Bundeskanzlers,
  sondern stammt noch aus den Zeiten der Basti-Bumsti-Regierung und betraf
  eine Strafrechtsreform, bei der höhere Strafen bei Gewaltdelikten die Ultima
  Ratio waren. Jetzt hat er gesagt: "Ich halte es für ein großes Problem, dass
  es nach wie vor viele Verharmloser gibt, auch unter den Experten."
  
  Dabei hat es der Gesalbte eigentlich schon mit Experten. Er zitiert sie
  ständig. Aber das sind halt nur die Experten, die das Gleiche wie er für
  "sinnvoll und richtig" halten. Blöd, daß man in Österreich noch kein Gesetz
  wie in Ungarn hat, daß das, was die Regierung als Fake News deklariert,
  unter Strafe stellt. Ganz schlimm ist es aber, wenn da Experten im Ausland
  eine andere Meinung haben als der Bundeskanzler. Die scheren sich nämlich
  nichts um seine Meinung und wollen auch keine Lehr- und Studienaufträge in
  Österreich. Drei Beispiele:
  
  
  1) Sucharit Bhakdi
  
  "Bhakdi stellt sich mit diesem Interview bewusst gegen den Konsens der
  Wissenschaft, Universitäten, Staatengemeinschaft und der WHO. ...
  Dementsprechend findet seine Meinung auch in den meisten Medien und
  staatlichen Stellen wenig Widerhall und beschränkt sich auf Youtube und
  Verschwörungsgruppen bzw. Plattformen, die dem Interview des emeritierten
  Professors viel Aufmerksamkeit schenken, um eigene Verschwörungstheorien zu
  bestätigen." Ja, das ist natürlich ein Argument, daß da mimikama.at bringt.
  Okay, ein Konsens der Wissenschaft ist vielleicht nicht unbedingt gegeben,
  schließlich ist der gescholtene Mediziner und Mikrobiologe auch Teil der
  Scientific Community. Und die "Staatengemeinschaft" sind auch nur die
  Staaten, die der selben Meinung sind wie jene Experten, denen der Gesalbte
  vertraut. Und die WHO, naja, deren Ruf war auch schon mal besser, damals
  nämlich, als sie nur von Pflichtbeiträgen der Mitgliedsstaaten lebte und
  nicht von Konzernspenden (siehe Link unten).
  
  Vielleicht hat Bhakdi unrecht damit, daß die hohen Todesraten in Wuhan und
  Norditalien auch etwas mit der Luftverschmutzung in diesen Regionen zu tun
  hat -- das ist das Hauptargument von mimikama, warum dem Professor nicht zu
  trauen sei, weil die Luft in der Region um Bergamo weitaus weniger
  verschmutzt sei als die in der chinesischen Großstadt. Aber was er sonst zu
  sagen hat, ist nicht so leicht von der Hand zu weisen. Vor allem zweifelt er
  die tatsächliche Gefährlichkeit des Virus an. Da kann mimikama nur mit
  Zitaten des Robert-Koch-Instituts kontern -- was jetzt nicht wirklich gut
  kommt, denn Bhakdi hat seine Stellungnahme ja genau deswegen gemacht, weil
  er anderer Meinung ist als solche Institutionen wie das staatliche RKI.
  
  Zur Ehrenrettung von mimikama sei gesagt, daß sich die Plattform nur mit dem
  schon weit verbreiteten Youtube-Video auseinandersetzte -- in dem Bhakdi,
  wie bei solchen Videos üblich, versucht, komplexe Zusammenhänge einer
  breiten Masse anschaulich zu machen. Jetzt hat aber Bhakdi an die deutsche
  Kanzlerin Merkel einen Brief verfaßt, der weitaus klarer ist. Darin
  kritisiert er vor allem etwas, was vor ihm schon viele nachfragten, die aber
  weder in Deutschland noch in Österreich eine eindeutige Antwort bekamen: Die
  genaue Information, wie den die Corona-Toten gezählt werden. (1) Bhakdi:
  "Eine Reihe von Coronaviren sind - medial weitgehend unbemerkt - schon seit
  Langem im Umlauf. Sollte sich herausstellen, dass dem COVID-19-Virus kein
  bedeutend höheres Gefahrenpotential zugeschrieben werden darf als den
  bereits kursierenden Coronaviren, würden sich offensichtlich sämtliche
  Gegenmaßnahmen erübrigen." Er beruft sich auf eine Studie In einer
  Fachzeitschrift die zum Schluss käme, "dass das neue Virus sich von
  traditionellen Coronaviren in der Gefährlichkeit NICHT unterscheidet. Dies
  bringen die Autoren im Titel ihrer Arbeit 'SARS-CoV-2: Fear versus Data' zum
  Ausdruck." Und weiter: "Wurde die obige Studie in den bisherigen Planungen
  zur Kenntnis genommen? Auch hier muss natürlich gelten: Diagnostiziert
  heißt, dass das Virus auch maßgeblichen Anteil an dem Krankheitszustand des
  Patienten hat, und nicht etwa Vorerkrankungen eine größere Rolle spielen."
  Denn es werde "weltweit der Fehler begangen, virusbedingte Tote zu melden,
  sobald festgestellt wird, dass das Virus beim Tod vorhanden war - unabhängig
  von anderen Faktoren. Dieses verstößt gegen ein Grundgebot der
  Infektiologie: erst wenn sichergestellt wird, dass ein Agens an der
  Erkrankung bzw. am Tod maßgeblichen Anteil hat, darf die Diagnose
  ausgesprochen werden."
  
  Dieser Zählfehler ist mittlerweile aus Italien bekannt -- auch damit lassen
  sich Zweifel an der Seriosität der kolportierten Mortalität ableiten. Auch
  hat der Präsident des RKI mittlerweile zugegeben, daß man das an seinem
  Institut so zähle. Allerdings dürften das nicht alle Erfasser in Deutschland
  so handhaben. Das interessiert aber weder Massenmedien noch die Politik. Die
  Frage bleibt: Was soll an diesem Einwand unseriös sein?
  
  Interview: https://youtu.be/N2cn-uI8pDE
  Brief an Merkel:
  https://swprs.org/offener-brief-von-professor-sucharit-bhakdi-an-bundeskanzlerin-dr-angela-merkel/
  Kritik:
  https://www.mimikama.at/allgemein/arzt-verharmlost-coronavirus-faktencheck/
  Deutschlandfunk 2018 über die WHO: Was gesund ist, bestimmt Bill Gates
  https://www.deutschlandfunkkultur.de/unabhaengigkeit-der-weltgesundheitsorganisation-gefaehrdet.976.de.html?dram:article_id=423076
  
  
  2) Gerd Bosbach
  
  Bosbach ist jetzt nicht so wirklich das, was man bei der ÖVP als Experten
  ansehen würde -- der hat sich ja bei konservativen Kreisen schon früher
  damit unbeliebt gemacht, daß er meinte, die Horrorzahlen bezüglich der
  zukünftigen Unfinanzierbarkeit der deutschen Pensionsysteme seien Unfug. Der
  Mann redet von wachsender Produktivität und mangelnder
  Verteilungsgerechtigkeit. So jemanden kann man doch nicht erstnehmen!
  
  Bosbach ist Mathematiker mit dem Spezialgebiet Sozial- und
  Gesundheitsstatistiken. Und was er zu Corona sagt, ist auch nicht so ganz
  nach dem Geschmack der hiesigen Regierungsexperten. Das sind wohl die
  gleichen wie die, über die Bosbach poltert: "Solchen Wissenschaftlern würde
  ich gerne Kamera oder Mikrofon entziehen!" (So auch der Titel eines
  Interviews auf nachdenkseiten.de.) Bosbach, obwohl einer völlig anderen
  Wissenschaftsgilde angehörig, stößt ins gleiche Horn wie Bakhdi: Die
  Todesfallstatistik ist ohne normierte Standards Unsinn.
  
  Die daraus resultierenden Hochrechnungen schauen danach auch aus. Der
  Nachdenkenseiten-Interviewer zitiert eine Prognos der Deutschen Gesellschaft
  für Epidemiologie, "dass wir in Deutschland in einhundert Tagen mehr als
  eine Million Patienten haben werden, die einer intensivmedizinischen
  Betreuung bedürfen". Der Interviewer fragt den Statistiker, wie den so etwas
  zustandekäme. Bosbach: "Solche Gesellschaften und Verbände möchten in die
  Öffentlichkeit kommen. Vielleicht reizt dies unbewusst, statistische Modelle
  zu akzeptieren, die extreme Aussagen zur Folge haben. Solche Aussagen werden
  von den Medien gerne aufgenommen und weiter verbreitet. ... Ich möchte da
  keine böse Absicht unterstellen, aber das ist natürlich ein katastrophales
  Vorgehen. Dann hat man sich korrigiert und dies als wörtlich 'aktualisierte
  Version mit angepassten Modellparametern' bezeichnet, anstatt den Fehler
  einzuräumen. Kein Journalist konnte daraus schnell den Fehler vom Vortag
  erkennen. Und so wird die bedrohliche Zahl in einigen Köpfen weiter wirken."
  
  Und auch in den Köpfen der Politiker wirkt das: "Wenn wir den Experten
  zuhören, bin ich dafür, dass wir uns an jenen orientieren, die die
  dramatischeren Szenarien zeichnen", meinte Vizekanzler Kogler neulich bei
  einer Pressekonferenz. Da darf man sich dann aber nicht wundern, wenn ein
  Topfen dabei rauskommt.
  
  Zurück zum Bosbach-Interview. Dieser stellt die Relationen klar: "Immerhin
  starben 2018 in Deutschland im Schnitt 2.600 Menschen pro Tag. Da sind
  statistisch gesehen die bislang knapp über 200 Todesfälle in 14 Tagen durch
  Corona eine kaum bemerkbare Größe." Wenn die Dynamik so fortschreite, könnte
  sich das freilich ändern, aber: "Im Moment analysieren wir die Zahlen der
  Vergangenheit. Was die Zukunft betrifft - und das ist eine deutliche
  Warnung - haben wir einfach keine Zahlen. Wir können zwar die Zahlen und
  Entwicklungen der letzten Tage hochrechnen, wissen aber nicht, ob es auch so
  eintreten wird."
  
  Was aber, wenn sich nachträglich herausstellen sollte, daß diese ganzen
  harten Maßnahmen unnötig waren, will der Interviewer wissen. Bosbach
  vergleicht das mit der großen Angst 2009 vor der Schweinegrippe: "Das ist
  heute vergessen, da es nach der ausgebliebenen Krise auch nicht
  aufgearbeitet wurde. Die Schweinegrippe wurde völlig überschätzt und verlief
  schlussendlich milder als viele saisonalen Grippen der Vorjahre. Man hätte
  aufarbeiten müssen, warum die Schweinegrippe damals medial derart inszeniert
  wurde und warum die Politik mit drastischen und damals durchaus unbeliebten
  Maßnahmen bei der Impfstoffstrategie reagiert hat. Daraus hätte man u.a. die
  Lehre ziehen können, nicht auf einzelne Einflüsterer zu hören. Und, dass man
  möglichst früh genug saubere Daten braucht. Jetzt ist es schon fast zu spät,
  aber zum Anfang der Corona-Epidemie hätte man beispielsweise repräsentativ
  einen Stadtteil, ein Dorf oder einen Großbetrieb testen können, und hätte so
  wichtige Daten als Entscheidungsgrundlage gehabt. National und international
  wird uns nach der Krise so einiges auffallen, inklusive der wirtschaftlichen
  und sozialen Probleme, die durch heutige Entscheidungen hervorgerufen
  wurden. Das gehört schonungslos aufgeklärt, um für nächste Krisen
  Erfahrungen zu sammeln."
  
  Da denkt sich der Leser, daß kaum je ein Regierungspolitiker an
  schonungsloser Aufklärung von irgendwas aus seiner Amtszeit interessiert
  war. Wenn sich die zusätzliche Sterblichkeit übers Jahr gesehen tatsächlich
  in Grenzen gehalten haben sollte, wird das entweder niemanden mehr
  interessieren oder es wird heissen, die strengen Maßnahmen hätten uns
  gerettet.
  
  https://www.nachdenkseiten.de/?p=59617
  
  
  3) Wesley Pegden
  
  Noch so ein Statistiker. Pegden ist Assistenzprofessor in Pittsburgh und
  stellt ganz andere Berechnungen an. Es könnten nämlich die
  Eindämmungsmaßnahmen Effekte haben, mit denen gerade jetzt niemand rechnen
  möchte. Denn eines ist klar: Ganz wegbekommen wird man dieses Virus so
  schnell nicht -- außer eben, wenn die berühmte Herdenimmunität gegeben ist
  oder ein Impfstoff. Der Impfstoff wird derzeit prognostiziert frühestens
  Ende 2020 vorhanden sein und die Durchseuchung der Gesellschaft ist ja
  etwas, was kurzfristig gerade eben verhindert werden soll. Das Virus wird
  wohl den Sommer überleben, aber die Quarantänemaßnahmen werden es kaum. Und
  damit hätten wir im Herbst erst recht wieder eine ungebremste Pandemie.
  Pegden: "Die Dauer der Eindämmungsbemühungen spielt keine Rolle, wenn sich
  die Übertragungsraten am Ende wieder normalisieren und sich die
  Sterblichkeitsraten nicht verbessert haben. Dies liegt einfach daran, dass,
  solange eine große Mehrheit der Bevölkerung nicht infiziert ist, die
  Aufhebung von Eindämmungsmaßnahmen zu einer Epidemie führen wird, die fast
  so groß sein wird, wie dies ohne Abhilfemaßnahmen der Fall gewesen wäre."
  Mit der Parole "Flatten the Curve" wird man da laut Pegden also kaum weit
  kommen, sondern es wäre nur ein Verschieben des Peaks auf später.
  
  Pegdens Blogbeitrag trägt übrigens den Titel "Ein Aufruf zur Ehrlichkeit bei
  der Modellierung von Pandemien". Ehrlichkeit ist aber auch so etwas, was bei
  Regierenden generell eher nicht so gut angeschrieben ist.
  
  https://medium.com/@wpegden/a-call-to-honesty-in-pandemic-modeling-5c156686a64b
  
  
  Fazit:
  
  So viele Experten und ein jeder sagt was anderes. Euer Zeitungsleser hat
  noch ein ganzen Haufen davon, die drei obzitierten sollen nur Beispiele
  sein. Tja und da soll man als Politiker Entscheidungen treffen?
  
  Es scheint, als wäre die Empörung der meisten EU-Regierungen über das
  deviante Verhalten der schwedischen Entscheidungsträger weniger dadurch
  begründet, weil man wirklich der Meinung sei, deren Verhalten wäre
  verantwortungslos, sondern weil es den "Konsens der Wissenschaft,
  Universitäten, Staatengemeinschaft und der WHO" in Frage stellt. Wenn
  Rußland das Virus ignoriert oder Turkmenistan sogar, wie kolportiert, das
  Wort "Coronavirus" verbietet, kann das den Zuständigen in den EU-Staaten
  egal sein. Aber den Staat, in dem jährlich der Medizinnobelpreis vergeben
  wird, kann man schlecht ignorieren. Wenn in Schweden jetzt die Menschen
  nicht bald damit anfangen, wie die Fliegen zu sterben, stünden diese
  EU-Regierungen aber wirklich blöd da. Und mit ihnen sämtliche Experten und
  Institutionen, auf die man gehört hat.
  
  Zeitungsleser: -br-
  
  
  1) Update 2.April: Auf der Homepage des Gesundheitsministeriums wird es
  jetzt doch klargestellt: "Jede verstorbene Person, die zuvor COVID-positiv
  getestet wurde, wird in der Statistik als 'COVID-Tote/r' geführt, unabhängig
  davon, ob sie direkt an den Folgen der Viruserkrankung selbst oder 'mit dem
  Virus' (an einer potentiell anderen Todesursache) verstorben ist." Das steht
  allerdings nur in einer Fußnote, ob die in der Allgemeinheit registriert
  wird, steht auf einem anderen Blatt.
  
  
  
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