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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Donnerstag, 2. April 2020; 17:13
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> Keine Angst!

(30.3.2020)

Also ich bin ja kein Arzt, aber wenn man den Ärzten früher so zugehört hat,
weiß man ja, was wichtig für ein gutes Immunsystem ist. Vor allem ist
Bewegung an der frischen Luft wichtig, das Geniessen des Sonnenscheins und
natürlich der sozialen Kontakte, auch Liebe ist hilfreich und ganz besonders
Zärtlichkeiten und Sex -- das boostet so richtig das Immunsystem. Hingegen
ist Streß der absolute Immunkiller, alles was einem Angst macht, sollte man
vermeiden, egal, ob das jetzt die Angst ist, sich eine tödliche Krankheit
einzufangen oder den Arbeitsplatz zu verlieren.

Gut, daß jetzt wegen des Corona-Virus alles getan wird, um das Immunsystem
aufzupäppeln. Leider nur in Schweden, aber immerhin.

Wenn man sich anschaut, wie indes im Ursprungsland der Psychoanalyse die
psychosomatischen Auswirkungen der Corona-Berichterstattungen
und -Beschränkungen ignoriert werden, kann man sich ungefähr vorstellen, wie
Sigmund Freud, Josef Breuer und Alfred Adler in ihren Gräbern rotieren.
Gegen den Streß bietet das Gesundheitsministerium aber "Empfehlungen zur
psychischen Gesundheit während der COVID-19-Pandemie für die allgemeine
Bevölkerung" an. Dort haben immerhin vier Oberkochmezzer von der MedUni Wien
sehr hilfreiche Tips zur Verfügung gestellt wie etwa "Halten Sie regelmäßige
Schlafroutinen ein und ernähren Sie sich gesund" oder: "Nehmen Sie an
gesunden Aktivitäten teil, die Ihnen Spaß machen".

Blöd, daß Letzteres oft genug genau das ist, was man laut der Regierung
nicht machen soll.

Dann gibt es noch den Ratschlag: "Vermeiden Sie, sich Nachrichten, die Sie
potentiell in Angst, Stress oder Panik versetzen, unreflektiert
auszusetzen." Heißt das, ich soll bei Pressekonferenzen des Bundeskanzlers
den Ton abdrehen? Nein, natürlich nicht, sondern "Suchen Sie zu fixen
Tageszeiten, etwa ein- bis zweimal täglich, nach aktualisierten
Informationen von Plattformen der örtlichen Gesundheitsbehörden bzw. der
Webseite der WHO, um Fakten von Gerüchten oder noch unbekannten Aspekten
unterscheiden zu können." Ja, ein stärkeres Beruhigungsmittel kann ich mir
jetzt auch nicht vorstellen als die Homepage des Gesundheitsministeriums, wo
ich topaktuell über die letzten Corona-Todesfälle informiert werde.

Wir leben derzeit in einem Klima der Angst.

Wer noch einen Arbeitsplatz hat, befürchtet, ihn zu verlieren. Da nutzt es
auch nichts, daß es jetzt die Gewähr geben soll, daß besonders Gefährdete zu
Hause bleiben könnten und die Unternehmen das Gehalt ersetzt bekämen -- wer
will sich schon gegenüber seinem Chef als nicht mehr ganz so fit
deklarieren? Einen Kündigungsschutz gibt es nämlich nicht.
Kleingewerbetreibende fragen sich, ob sie nach der Krise noch einen
Kundenstamm haben werden -- da nutzen keine Härtefonds.

Jeder, dem wir auf der Straße begegnen oder gar im Supermarkt könnte ein
Virenüberträger sein -- ist der Nachbar mein Todesengel? Wenn alle dann
Masken tragen, wird man psychisch noch distanzierter sein -- der andere
genauso wie man selbst wird zum Anonymisierten, zur nicht mehr sichtbaren
Gefahr, wie das Virus selbst, zum Zombie. Man glaubt, in irgendeiner
Hollywood-Apokalypse rumzulaufen.

Auch stellt sich die Frage: Kann ich noch zu einem Arzt gehen oder sind die
Praxen alle zu? Wenn ich Symptome habe, will ich dann genau wissen, ob das
Corona ist? Weil schließlich werde ich dann zu Hausarrest verdammt und kann
nicht einmal mehr spazierengehen. Oder wäre es lebensgefährlich, wenn ich es
nicht wissen will?

Die Polizei hat sich zwar mittlerweile einigermassen erklären lassen, was
gerade rechtens ist, aber allein die Tatsache, daß ich jetzt jederzeit einem
Polizisten Rede und Antwort stehen muß, wo ich hinwill und wie ich diesen
Weg rechtfertige, ist nicht etwas, was zu meiner Beruhigung beiträgt.

Die Hölle, das sind die Anderen

Und dann gibt es natürlich auch noch diese Blockwarte, diese Hausnazis,
denen es Spaß macht, andere zu vernadern und die jetzt ein tolles
Betätigungsfeld bekommen haben. Nicht zu vergessen sind aber auch die
mittlerweile unschön werdenden Debatten in den sogenannten Sozialen Medien
zwischen den Menschen mit Virusängsten und denen mit Ängsten vor der
Allmacht des Staates, die sich wechselseitig als Verharmloser beschimpfen
und die Moralkeule schwingen. Und hier, in diesen Online-Communities, die
keine sind, gibt es ebenfalls die Blockwarte, die Beiträge bei den
Betreibern melden, wenn jemand die Weisheit des Lockdowns in Zweifel zieht.

Werden unsere Handys schon überwacht? Eine Firma hat die Wege der
Ischgl-Infizierten verfolgt an Hand ihrer Datenspur, die sie über
Smartphone-Apps selbst unbewußt gelegt haben. Auch das ist gespenstisch. Und
die Regierung denkt laut darüber nach, vielleicht doch den Datenschutz zu
kübeln. Gleichzeitig ist völlig unabsehbar, wie lange diese Situation noch
andauern soll -- werden wir überhaupt auch nur ansatzweise einen Sommer
haben? Wie kaputt wird die Wirtschaft sein und wie kaputt werden wir sein,
wenn es endlich Entwarnung gibt? Wie kaputt werden Sozial- und Rechtsstaat
danach sein? Wird der Gesalbte vielleicht bald ähnlich regieren wie jetzt
schon der Reichsverweser im Nachbarstaat?

Ängste bestimmen derzeit unser Leben in einem Ausmaß wie nie zuvor -- und
die vor dem Virus ist nur eine davon. "Fahles Nachtgespenst, du verdirbst
die Phantasie!" beschimpfte einst Maria Bill die Angst. Vielleicht sollten
wir es ihr gleichtun, vielleicht ist es gerade jetzt das notwendige Wesen
der Politik, die Angst zu bekämpfen, also auch jene, die davon profitieren
wollen.

Und gesund wäre es auch.

*Bernhard Redl*


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