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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Donnerstag, 5. März 2020; 01:08
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EU/Ö/Umwelt:
> Transitpolitik: "Zwei Jahrzehnte gebrochener Vereinbarungen"
Die EU-Verkehrskommissarin Adina Valean ließ Mitte Februar bei den
Gesprächen wegen des explodierenden Transitverkehrs in Tirol aufhorchen:
Wenn Österreich bei den Maßnahmen gegen den Transitverkehr nicht nachgebe,
"könne es ja aus dem EU-Binnenmarkt aussteigen."
Der sog. "freie Warenverkehr" gehört bekanntlich zu den Heiligtümern des
EU-Binnenmarktes. Die Folge: Seit dem EU-Beitritt hat sich in Österreich der
grenzüberschreitende Güterverkehr auf der Straße verdreifacht. Seit dem Jahr
2000 ist der Transitverkehr am Brenner um 50% gestiegen, in der Schweiz ist
er dagegen um ein Drittel zurückgegangen. Das ist auch in absoluten Zahlen
gewaltig: Im Jahr 2000 fuhren über die Schweizer Alpenübergänge mit 1,4
Millionen LKWs fast gleich viele wie über den Brenner mit 1,56 Millionen.
Doch während in der Schweiz die Zahl der LKWs um 460.000 auf 941.000 im
Vorjahr gesunken ist, nahm die Lkw-Belastung über den Brenner um rund
860.000 auf über 2,4 Millionen zu. Im Vorjahr fuhren erstmals über den
Brenner mehr LKWs als über die vier Schweizer und zwei französischen
Alpenübergänge zusammen (Quelle: www.vcoe.at, 2019)
Transit: Brenner plus 54%, Schweiz minus 33%
Der Hintergrund dieser ungleichen Entwicklung: Aufgrund dessen, dass die
Schweiz nicht bei der EU bzw. beim EU-Binnenmarkt ist, hat die Politik dort
größere Möglichkeiten, Einschränkungen durchzusetzen: z.B. durch eine hohe
LKW-Maut auf allen Straßen, in die auch externe Kosten, wie z.B.
Gesundheitsschäden, Unfallkosten - eingerechnet werden. Mit den Einnahmen
wird der Eisenbahnverkehr entschlossen ausgebaut. Zwar sieht auch die
EU-Wegekosten-Richtlinie mittlerweile die Möglichkeit vor, externe Kosten in
eine LKW-Maut einzurechnen. Doch von Kostenwahrheit ist das meilenweit
entfernt. Gemäß den Berechnungen des Schweizer Statistikamtes (2014)
verursachen schwere Gütertransporte externe Kosten für Umwelt, Gesundheit
und Gesellschaft von 7 Cent pro Tonnenkilometer. Das entspricht ganzen 2,8
Euro pro Kilometer für einen 40t-Sattelzug. Aufgrund der aktuellen Vorgaben
der EU-Wegekostenrichtlinie dürfen jedoch höchstens 8,64 Cent pro Kilometer
bei Berechnung der Maut angesetzt werden. Das entspricht nicht einmal 3
Prozent der auf die Gesellschaft abgewälzten Kosten des Verkehrs.
"Hosen weit runtergelassen"
Zwei Mal wurden sektorale Fahrverbote in Tirol von der EU-Kommission bzw.
EuGH aufgehoben. Das 2016 erlassene sektorale Fahrverbot wurde zwar
schließlich von der EU akzeptiert, allerdings wurde vorher so viel Druck auf
die Landesregierung ausgeübt, dass dieses Fahrverbot so lasch ausgefallen
ist, dass es kaum eine Wirkung zeigt. "Die Tiroler Landesregierung hat die
Hosen weit runtergelassen. Wenn sie so viele Zugeständnisse gemacht hat, ist
das Fahrverbot kein Problem mehr." (https://www.tageszeitung.it, 17.2.2017),
höhnte Elmar Morandell, Großfrächter und Obmann der Berufsgemeinschaft der
Warentransporteure, über die schwarz-grüne Landesregierung. Die
Frächterlobby weiß, was sie an der EU-Kommission hat.
"Am Rande des Kollaps"
Zuletzt hat die Tiroler Landesregierung diese Fahrverbote wieder verschärft,
da "der Transitverkehr am Rande des Kollaps steht" (O-Ton Verkehrsministerin
Gewessler). Prompt verlangte die EU-Kommissarin als Gegenleistung für eine
Korridormaut die Aufhebung dieser sektoralen Fahrverbote. Da platzte selbst
dem Tiroler Landeshauptmann Platter der Kragen: Tirol werde von der EU "seit
über 20 Jahre von einer gebrochenen Vereinbarung zur nächsten vertröstet"
(ORF-Tirol, 20.2.2020). Danke für diese Klarstellung, die man sonst kaum
jemals von österreichischen PolitikerInnen hört. Freilich vergisst der Hr.
Landeshauptmann dabei zu erwähnen, dass davor die österreichischen
Regierungsparteien die Bevölkerung über den Tisch gezogen haben, als sie
beim EU-Beitritt - trotz gegenteiliger Bundes- und Landesregierungs-
und -parlamentsbeschlüssen - die LKW-Obergrenzen fallen ließen und mit dem
"Transitvertrag" den Menschen eine dreiste Mogelpackung servierten, um sie
für ein "Ja" bei der Volksabstimmung zu ködern.
Wenn jetzt Landeshauptmann Platter in Richtung Brüssel meckert, es könne
"einfach nicht sein, dass ein Nicht-EU-Land wie die Schweiz bessergestellt
ist als Österreich", dann muss man ihm einfach sagen: Doch, das kann es! Die
Zahlen, wie unterschiedlich sich der Transitverkehr in Österreich bzw. der
Schweiz entwickelt hat, sprechen eine eindeutige Sprache.
"Freier Warenverkehr" contra Klimaschutz und Gesundheit
Der EU-Binnenmarkt mit seinem Dogma des "freien Warenverkehrs" steht in
völligem Widerspruch zu den klimapolitischen Herausforderungen, vor denen
wir stehen. Dieses neoliberale EU-Dogma führt zu solchen Irrsinnigkeiten,
dass Österreich in etwa gleich viel Fleischprodukte exportiert wie
importiert, gleich viel Milch und Molkereiprodukte exportiert wie
importiert, gleich viel Zucker- und Zuckerprodukte exportiert wie importiert
(sh. Statistik-Austria für 2017/18). Die Leidtragenden des dadurch
explodierenden Güterverkehrs sind klimapolitisch wir alle und gesundheitlich
insbesondere die Menschen entlang der Transitrouten.
Laut Prognosen wird der Güterverkehr bis 2030 um weitere 30% ansteigen.
Selbst die grüne Verkehrsministerin spricht von dieser Steigerung so, als ob
es sich um ein Naturgesetz handelt. Um ein solches handelt es sich aber nur,
wenn man politisch nicht über den Tellerrand des neoliberalen
EU-Binnenmarktregimes hinaussehen kann.
*Gerald Oberansmayr, Solidarwerkstatt (gek.)*
https://www.solidarwerkstatt.at/verkehr/eu-transitpolitik-zwei-jahrzehnte-gebrochener-vereinbarungen
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