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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Donnerstag, 5. März 2020; 00:30
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Debatte / In eigener Sache:

> Die Grünen, die Linke, die akin und ich

Bekenntnisse eines betrunkenen Redakteurs und eine Aufforderung zur
Diskussion


Manchmal packt mich die Verzweiflung! Schlagwörter und Zitate fallen mir
ein: "Wer soll die neue Welt bauen, wenn nicht du und ich?" heißt es bei
Ton-Steine-Scherben. Aber wie? Und wer will heute überhaupt noch eine neue
Welt bauen? Das mit dem "Ende der Geschichte", mit dem uns Francis Fukujama
zur Jahrtausendwende beglückte, erscheint zwanzig Jahre später in gewissem
Sinne als richtig -- "Sozialismus oder Barbarei" war (mit Rosa Luxemburg)
einmal die Parole, heute heißt es nur mehr: Wollt ihr die totale Barbarei
oder Schlimmeres verhüten, also nur ein bisserl Barbarei? Und jede Hoffnung
auf eine bessere Welt führt in die Verdammnis -- das sagte nicht nur Karl
Popper, sondern zuletzt auch Wolf Biermann. In Deutschland verbreiten sie ja
gerade wieder diese Hufeisentheorie, die besagt, daß Nazis und Kommunisten
gleich schlimm sind. Das EU-Parlament beschloß vor Kurzem eine Resolution,
daß die Sowjetunion genauso schuld sei am Zweiten Weltkrieg wie
Nazi-Deutschland. Und das Meiste von diesem reaktionären Scheißdreck findet
bei Sozialdemokraten wie Grünen Applaus. Gehts Euch noch gut?

*

Okay, was soll dieser Wutausbruch? Hintergrund ist, auch wenn es lächerlich
erscheint, die Abbestellung eines akin-Abos. Die Begründung: "Die letzten
Nummern wurden schon ungelesen dem Altpapier zugewiesen -- was z.B. ein
Mensch über die Grünen kübelt und gleichzeitig stolz drauf ist, diese seit
30 (!) Jahren ohnehin nicht gewählt zu haben, ist für uns nicht mehr
lesbar." Gleichzeitig liest der angesprochene Mensch, also der Verfasser
dieser Zeilen, vom totalen Versagen der Grünen in so vielen Angelegenheit,
zuletzt in der jetzigen katastrophalen Flüchtlingskrise. Ich lese
jämmerliche Statements von Herrn Kogler, daß man schon irgendwas tun sollte.
Das, was er vorschlägt, ist lächerlich angesichts der Situation und selbst
dieses Lächerliche läßt er sich auf offener Bühne noch vom Gesalbten und
seinem Oberleutnant abräumen. Nein, es wundert mich nicht -- es hat Gründe,
warum ich die Grünen seit fast 30 Jahren nicht mehr gewählt habe. Dieser
Opportunismus war absehbar. Und trotzdem macht er mich wütend. Da soll man
nicht jeden einzelnen opportunistischen Unfug, den die grüne Führung
verzapft, anprangern?

Nein, ich bin nicht stolz darauf, die Grünen schon so lange nicht mehr
gewählt zu haben. Es ist eher so, daß ich sie schon ganz gerne hie und da
gewählt hätte, wenn sie nicht regelmäßig bewiesen hätten, daß sie auf die
Linken verzichten können -- oder zumindest das, was ich darunter verstehe.
Und es tut mir in der Seele weh, wenn ich sehe, daß ich damit recht behalten
habe; schon deswegen, weil ich es nicht lustig finde, wie es den Linken bei
den Grünen in meinem Freundeskreis geht. Deswegen steht das auch in der
akin -- weil ich die vielleicht vergebliche oder sogar kindische Hoffnung
habe, daß diese Linken in der Partei mir zuhören.

*

Die akin ist als Diskussionsorgan gedacht. Und ich hoffe nicht nur darauf,
daß man mir zuhört, sondern ich hätte auch gerne, daß diejenigen, die das
anders sehen, darauf antworten. Ich weiß, in Zeiten von Facebook laufen
Diskussionen nur mehr in Einzeilern ab, aber gerade deswegen würde ich gern
altmodisch in langatmigen Texten auf bedrucktem Papier streiten.

Also: Ich wäre froh und dankbar, wenn ich den Großteil des Meinungsteils der
akin nicht alleine bestreiten müßte. Ich hab sicher nicht die Weisheit mit
Löffeln gefressen und ich glaube, daß es sinnvoll sein könnte, zu erläutern,
was an meiner Kritik falsch ist.

Ich "küble" die Grünen, weil sie mir nicht völlig egal sind, und eben genau
deswegen, weil ich weiß, daß deren Wähler in unserer Leserschaft
überproportional vertreten sind. Soll ich über bspw. die NEOS schimpfen, die
wohl niemand im Abonnement wählt und auf denen auch keine linken Hoffnungen
ruhen? Oder soll ich gar den Gesalbten kritisieren, der keine Gelegenheit
ausläßt, klarzustellen, daß seine "neue" ÖVP in der Tradition von Schüssel,
Dollfuß und Seipel steht? Der taugt doch nur für die Rubrik "Das Letzte".
Solche Figuren sind nicht satisfaktionsfähig, sie sind höchstens
erwähnenswert, wenn es darum geht, ihnen Paroli zu bieten, oder um
klarzumachen, daß man sich mit so jemandem nicht auf auch nur irgendeine Art
von Zusammenarbeit einläßt.

*

Als die akin begründet wurde, lange vor meiner Zeit, gab es noch nicht
einmal die Ursuppe der Grünen. Da war der politische Reibebaum Kreiskys SPÖ.
Jahre später wurde die akin auch das Mitteilungsblatt der ALW. 1986 wurde
heftigst in der akin diskutiert, ob die Liste Freda Meißner-Blau wirklich
eine Alternative darstellt. Wieder Jahre später mußte die akin parteiinterne
Diskussionen abdrucken, weil sich die grünen Internmedien weigerten, dies zu
tun. Aber immerhin: Noch wurde diskutiert und das ist nicht zuletzt auch das
Verdienst der akin.

Die akin war aber auch immer zweierlei: Erstens ein deklariert linkes Blatt
und zweitens eines der Opposition. Damit war sie aber auch logischerweise
ein Blatt, in dem die Grünen meistens ganz gut wegkamen -- auch wenn Leute
wie ich immer was zu mäkeln hatten. Heute aber sind die Grünen sowohl in der
Landes- als auch in der Bundesregierung. Sprich: Sie sind Teil der
Herrschaft. Umso wichtiger ist es, jede noch so kleine Verfehlung
aufzuzeigen, denn Kritik an der Herrschaft ist jetzt automatisch auch eine
an den Grünen.

Man muß es so deutlich sagen: Wenn die österreichische Regierung in der EU
die Speerspitze bei der Bekämpfung von Flüchtlingen und Migranten ist und
deren Tod wissentlich in Kauf nimmt und sogar willentlich forciert
("Häßliche Bilder", ihr erinnert Euch?), dann klebt auch an den Händen der
Grünen dieses Blut. Wenn das nicht mehr in der akin stehen kann, weil das
unsere Leser nicht ertragen können, können wir die akin gleich einstellen
und sagen, seien wir froh, daß das Klima gerettet wird und die Grünen jetzt
auch ein paar gutbezahlte Jobs anbieten können, weil alles andere egal ist.

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Ja, während ich das schreibe, bin ich schon stockbesoffen, weil man das ohne
Alkohol ja nicht aushält. Und vielleicht tut mir im nüchternen Zustand so
manche Formulierung dann leid. Aber das mußte jetzt raus und, verdammt
nochmal, wenn irgend etwas, was ich hier geschrieben habe, als falsch
empfunden wird -- oder etwas von dem, was sich sonst in dieser akin
findet -- dann hätte ich gerne, daß mir ein brauchbarer Konter gegeben wird,
wo ich den falsch läge. Die akin wird das sicher abdrucken.

*Bernhard Redl*



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