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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 12. Februar 2020; 22:37
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Glosse:

> Im Hinterzimmer

Politik wird zwar im Namen des Volkes betrieben, aber ganz wie zu Zeiten von
Josef II. Und auch die neue Regierung will daran nichts ändern. Wozu auch?
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Irgendwie kann ich die Verschwörungstheoretiker verstehen. Immer wieder
kommen ganz seltsame Dinge ans Tageslicht. Das ist ja noch das
Demokratische, daß manches doch herauskommt, aber es wirkt wie die Spitze
des Eisbergs oder ein platonischer Anschein. Aber egal, ob das jetzt die
"Bilderberger" sind oder das Hinterzimmer bei der ÖVP, wo zum
Hintergrundgespräch geladen wird. Oder ein Nationalratsausschuß oder eine
Koalitionsverhandlung. Und alles ist streng geheim. Diese angeblichen
Volksvertreter sind dann aber sowas von geheim-geheim. Da ist ganz wichtig
und unheimlich staatstragend und demokratisch, daß da nichts herauskommt.
Gleichzeitig reden sie von Transparenz; daß sie das Amtsgeheimnis in der
Verfassung streichen wollen. Und daß sie stattdessen ein Gesetz erlassen
wollen, in dem -- wenn man der Regierungsvereinbarung trauen darf -- so
ziemlich das Gleiche drin steht wie in der bisherigen Bestimmung über das
Amtsgeheimnis.

Irgendwie hat man da das Gefühl, da reden kaiserliche Räte, Geheimräte, die
dazu da sind, für den Kaiser die Verwaltung zu erledigen und diesen zu
beraten. Es sind eben Nationalräte, unsere Bundespolitiker, keine
Republiksräte. Deswegen sitzen sie im stillen Kämmerlein. Denn natürlich ist
man dem Souverän Rede und Antwort schuldig, aber das war halt damals der
Kaiser. Wir haben keinen Kaiser mehr oder Erzherzog oder sonst einen
Fürsten, sondern der Fürst ist eigentlich das Volk, der Souverän. Und dieser
angebliche Souverän fühlt sich halt oft genug verarscht.

Für uns soll es ja nur das Schaufenster geben, wie eine Regierungserklärung
oder Plenarsitzungen im Parlament, wo genau nichts verhandelt wird, sondern
lediglich Reden in die Kameras gehalten werden. Miteinander reden die
Nationalräte im Ausschuß, der nicht öffentlich ist. Wobei da nur mehr über
die Details dessen geredet wird, was vorher im Ministerrat oder in der
Regierungsklausur besprochen worden ist. Oder überhaupt beim Sauschädelessen
oder im Steirereck.

Da fragt man sich: Was soll das für eine Demokratie sein, wo nur durch
Unfälle manches dann doch in die Öffentlichkeit kommt? Und was soll das für
eine Demokratie sein, wo ein Bundeskanzler -- ganz unabhängig von den
jetzigen Geschehnissen -- einfach so ausgewählte Journalisten einlädt, wo
diese gebauchpinselt werden und stolz sein sollen, daß der Kanzler sie ins
Vertrauen zieht. Ihro Gnaden haben geladen und teilen jetzt Ihro
Geheimnisse, die nicht für den gemeinen Pöbel gedacht sind. Das soll man
einfach akzeptieren? Nein, da fängt Korruption an und die Korrumpierten
merken es nicht einmal. Da werden Journalisten zur Audienz geladen und
müssen sich verpflichten, die ihnen anvertrauten Geheimnisse nur so zu
verwenden, wie der Hegemon es wünscht. Sonst würden sie nämlich nicht mehr
eingeladen und müßten auf ihre Privilegien als Höflinge verzichten.

Armin Wolf meinte auf seinem Blog: "Tatsächlich ist es völlig normal, dass
sich Journalist*innen mit Menschen treffen, die ihnen - auch vertraulich -
Informationen weitergeben. ... Diese wollen aber häufig anonym bleiben, weil
sie Nachteile befürchten, wenn bekannt wird, dass sie Medien etwas aus ihrer
Partei, ihrer Firma oder ihrer Behörde erzählt haben." Stimmt natürlich.
Ohne solche Informanten würde beispielsweise all das, was jetzt Thema eines
U-Ausschusses sein soll, nie thematisiert. Solchen Menschen verdanken wir,
daß wir hin und wieder doch ein Zipfelchen jener Macheloikes der Macht
mitbekommen. Nur -- mit Verlaub -- ein Bundeskanzler ist kein Whistleblower.
Wenn der das macht, dann ist das eine ganz perfide Form der Machtausübung.
Ein Kanzler muß sich nicht davor fürchten, daß ihm ein Vorgesetzer schaden
könnte -- denn er hat faktisch keinen Vorgesetzten. Außer vielleicht die
Kapitalgeber seiner Partei. Aber die wird er in solchen
Hintergrundgesprächen wohl eher nicht aufplatteln.

Diese Verhaberung zwischen den "Gewalten", zwischen Exekutive und
Legislative, zwischen Exekutive und Judikative, zwischen Exekutive,
Großkapital und Medien, all das gibt es ja überall auf der Welt und wird
auch auf internationaler Ebene gespielt -- nur kommt einem manchmal vor, daß
das in Österreich besonders schlimm ist.

Wundert es dann jemanden, wenn es früher am Stammtisch und heute auf
Facebook heißt, das seien doch alles verlogene Gfraster "die da oben". Man
liest den Boulevard, regt sich über die Dinge auf, die man für wahr halten
möchte, hat aber gleichzeitig eine schlechte Meinung über die Medien, die
"Lügenpresse". Die Menschen wollen Informationen und sie nehmen sie, wo sie
sie kriegen können. Aber sie denken sich auch: Den Medien kann man
genausowenig trauen wie den Politikern. Und sie wählen ihre Medien genauso
wie ihre Politiker: Wenn was hübsch aufgemacht daherkommt, autoritär
auftritt und Wahrheiten verbreitet, die sie zwar als Lügen erkennen, aber
die ihnen doch gefallen. Und diejenigen, die diesen Widerspruch nicht mehr
aushalten und wirklich wissen wollen, was Sache ist, denken sich -- mangels
echter Informationen -- irgendwas aus. Das ist dann oft gequirlter Blödsinn,
ja, aber sie haben jedes Recht dazu angesichts jener hohen Herren, die der
Meinung sind, daß man das immerhin wahlberechtigte Volk nicht zu sehr
informieren dürfe.

"Ein Teil dieser Antworten würde die Bevölkerung verunsichern", hat einmal
ein deutscher Innenminister auf eine Journalistenfrage formuliert. Ja,
genauso verunsichert man die Bevölkerung, in dem man ihr sagt, man wolle sie
nicht verunsichern. Deswegen sagt man lieber gleich gar nichts oder erzählt
Dinge, deren Wirklichkeitsgehalt oft genug bescheiden ist.

Wenn man im Namen des Volkes Geheimnisse vor diesem Volk hat, darf man sich
nicht darüber beschweren, daß die Vertreter des Volkes -- und die
Journalisten -- so einen schlechten Ruf im Volk haben.
*Bernhard Redl*


Der zitierte Blog-Beitrag von Armin Wolf findet sich unter:
https://www.arminwolf.at/
2020/02/06/on-the-record-off-the-record/


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