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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Donnerstag, 30. Januar 2020; 00:17
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Oe/I/Glosse:

> Peppone im Burgenland

Es ist eine ganz seltsame Koinzidenz: Zwei europäische Regionalparlamente
wurden am Sonntag neu gewählt, deren Länder einiges gemeinsam haben: Beide
sind agrarisch geprägt, trotzdem sind beide traditionell rot und in beiden
scheiterte die ansonsten stärker werdende Reaktion. Natürlich hinkt jeder
Vergleich, aber die Vorstellung, daß "Don Camillo und Peppone" auch im
Burgenland spielen könnte, ist nicht so weit hergeholt. Auch Bertoluccis
"Novecento" könnte dort spielen. Sicher, die Hauptstädte Eisenstadt und
Bologna sind sich nicht wirklich ähnlich. Die italienische Metropole ist la
grassa, la rossa, la dotta und Eisenstadt, naja, ist halt ein Kaff mit
15.000 Einwohnern, einem schwarzen Bürgermeister und einer Fachhochschule.
Die Traditionen der roten Emilia sind andere als die des roten Burgenlands
und früher war in der Emilia das auch ein deutlich stärkeres rot -- aber die
früheren kommunistischen und heute sozialdemokratischen Regierungen des
italienischen Agrarlandes und die Dominanz der SPÖ im Burgenland haben
einiges gemeinsam: Sie bauen nicht hauptsächlich auf einem
Industrieproletariat auf, sondern auf dem Widerstand der Landarbeiter gegen
die Großgrundbesitzer. Natürlich hat sich hüben wie drüben viel verändert,
aber in der Emilia gibt es immer noch genug Padrones und das halbe
Burgenland gehört immer noch dem Adel. Und hüben wie drüben sind auch noch
die Erinnerungen an die Verbrechen der Faschisten sehr wach.

Die Führer der stärksten Rechtsparteien auf nationaler Ebene haben sich
recht unterschiedlich stark für diese Regionalwahlen engagiert. Der
italienische Nichtmehrinnenminister soll sich ja sehr in der Emilia ins Zeug
gelegt haben -- aber er hatte halt ein enormes Handycap: Salvini konnte wohl
als Sohn der Industrie- und vor allem Finanzmetropole Milano nicht
verstehen, wie die Emilia tickt. Kulturell stehen sich die Lombardei und die
Emilia so wenig nahe wie das Friaul und Sizilien. Ein Triestiner in Palermo
ist nicht mehr fehl am Platz als ein Milaneser in Bologna. Ein Umberto
Bossi, auch ein Lombarde, hatte einst von einem Padanien geträumt, in dem
auch die Emilia sein sollte. Und Salvini hielt sich damals sogar für
links -- er war Gründer der Kommunistischen Partei Padaniens. Aber in der
traditionell schwer rechtslastigen Lombardei ist halt ein Kommunist was
anderes als in der Emilia.

Immerhin: Salvinis Rechtskoalition erreichte 18 von 48 Sitzen im
Regionalparlament, seine Lega alleine davon 14. Angesichts seines
Engagements dort wird das allerdings allgemein als Schlappe gewertet; den
Regionalpräsidenten stellt weiterhin die Sozialdemokratie.

Der hiesige Gesalbte aus Meidling im Waldviertel wollte sich das gar nicht
erst antun -- das Burgenland war im egal und er wollte wohl nicht auf Seiten
der Verlierer stehen. Sein Innenminister tat es ihm gleich und leistete sich
so einen fürchterlichen Fauxpas: Seine Forderung nach "grenznahen
Asylzentren" kam zur Unzeit, weil er nicht bedachte, daß es da gerade
Wahlkampf in einem Bundesland gibt, das eigentlich nur aus grenznahen
Gebieten besteht.

Aber nicht nur deswegen hatte der noch recht neue Landeshauptmann Doskozil
leichtes Spiel. Denn es war eben nicht vornehmlich sein Rechtskurs, der ihm
die Mandate brachte, sondern (da hat sogar Rendi-Wagner einmal recht) die
Sozialkarte -- auch, aber nicht nur, durch den hohen Mindestlohn im
Landesdienst. Daß er kein sonderlicher Freund der Zuwanderung ist, war ja
bekannt, doch eben kein Alleinstellungsmerkmal in der diesbezüglich unguten
Stimmung im Land. Aber daß die burgenländischen Landesbediensteten jetzt
mehr Geld in der Tasche haben -- was wohl auch generell Druck nach oben im
Lohnniveau erzeugen könnte -- bestimmte diesen Wahlkampf.

Das Burgenland ist nicht Österreich und die Emilia-Romagna ist nicht
Italien. Was in diesen Regionen funktioniert, muß nicht im ganzen Land
funktionieren. Aber beides zeigt auf, daß der Vormarsch der Rechten stoppbar
ist -- wenn man die echten Sorgen der materiell nicht so begünstigten
Menschen, aber auch deren politisch-kulturelle Traditionen versteht. Ja, man
bekommt dann vielleicht statt türkiser Schnösel wieder mehr opportunistische
Sozis. Weder die Vertreter von SPÖ noch PD sind wirkliche Linke. Auch ist es
natürlich grauslich, wenn Herr Doskozil nach gewonnener Wahl gleich Tips an
die Bundes-SPÖ abgibt, daß diese ihre Position zur Schutzhaft überdenken
solle. (Man muß in der Partei aber auch nicht alles ernstnehmen, nur weil es
ein Wahlsieger sagt.) Und leider ist auch zu befürchten, daß der Wiener
Bürgermeister vom burgenländischen Landeshauptmann genau eben das Falsche
abschaut.

Dennoch: Wenn solche Wahlerfolge den Pappenheimern von ÖVP und Lega und
ihren Spießgesellen in Europa in ihren Allmachtsphantasien Grenzen
aufzeigen, wäre das zumindest ein Anfang. Wenns es die Sozis nicht wieder
verhacken, wie so üblich.
*Bernhard Redl*



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