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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Donnerstag, 30. Januar 2020; 00:31
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Nachruf:

> Karl Fischbacher 1951 - 2020

Wir nehmen Abschied von unserem Genossen Karl Fischbacher. Eine gute
Gelegenheit an ihn zu denken und sich bewusst zu werden, was er für die
österreichische Linke und die österreichische ArbeiterInnenbewegung
geleistet hat.

Ich habe in den 90ern und 2000ern im Rahmen vieler Gewerkschaftsinitiativen
viel mit ihm zu tun gehabt. Es gab Zeiten, da haben wir uns wohl mindestens
einmal in der Woche gesehen. Vor dem Hintergrund der kapitalistischen Krise
leben wir heute wieder in einer Zeit wo in linken Kreisen und auch bei
vielen GewerkschafterInnen Antikapitalismus und der Rückgriff auf den
Marxismus (bzw. Versatzstücke davon) wieder modern sind. Das war aber nicht
immer so. In den 90ern wurden man für bestimmte marxistische Positionen
belächelt bis verarscht, auch in verschiedenen alternativgewerkschaftlichen
Kreisen. Das war eine unmittelbare Nachwirkung von 1989. Karl hielt dem
immer wieder entgegen; in dem er in seiner netten, leicht schrulligen Art
die Wichtigkeit von antikapitalistischen Positionen und der Rolle der
ArbeiterInnenklasse erklärte. Ein wichtiger Punkt war hier sein großer,
gelebter Internationalismus, während andere vom Internationalismus redeten,
machte er Vorschläge für Kampagnen und Aktionen zur Unterstützung
inhaftierter Gewerkschafterinnen und AktivistInnen. Sein großer Einsatz für
den in der USA zu Unrecht inhaftierten Mumia Abu Jamal war kein Zufall. "Der
Mumia is ana von uns" mussten sich nicht nur Linke sondern auch damals und
heute führende Gewerkschaftsfunktionäre wie Katzian, Haberzettel, Kaske,
GÖD-Chef Neugebauer usw. anhören. Apropos Neugebauer: Karl Fischbacher war
Jahrzehnte lang Personalvertreter im Pflichtschulbereich. Hier zeigte sich,
dass seine Auftreten zwar manchmal etwas schrullig wirkte, dass er aber
sehr, sehr mutig war. Unvergessen ist für mich ein Auftritt beim
Gewerkschaftstag der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst- GÖD, Vor einem, mit
Polizisten, Soldaten, Offizieren, Staatsanwälten, konservativen LehrerInnen
und anderen BeamtInnen prall gefüllten Saal, verteidigte Karl die Rechte von
MigrantInnen, verurteilte die Grenzkontrollen und vor allem das Bundesheer
an der burgenländischen Grenze und vieles mehr. Es gab zaghaften Applaus und
laute Buhrufe einer Phalanx von ÖAAB, FSG und den (damals ersten,
aufkommenden) Blauen aus dem Sicherheitsbereich. Karl hielt sich super und
sein Auftritt schaffte es in die ORF-Berichterstattung.

Gewerkschafter sein und grundlegende linke Positionen zu vertreten, den
Anspruch "die Anliegen von sozialen Bewegungen in die Gewerkschaften zu
tragen und dort ihr bester Sprecher zu sein" nahm er sehr ernst und lebte
ihn.

Der Schulterschluss mit migrantischen ArbeiterInnen war für ihn keine leere
Phrase und er verband sie mit seinem Internationalismus. So beschäftigter er
sich intensiv mit der unabhängigen, antibürokrattischen jugolslawischen
Gewerkschaftsbewegung, die ab Mitte der 80er-Jahre eine Massenbewegung
wurde. Wenn man nur die Kriege der 90er im Kopf hat, ist es unvorstellbar,
dass in den späten 80ern Hunderttausende kroatische, serbische, bosnische,
slowenische Arbeiterinnen gemeinsam kämpften und jugoslawienweit große
Streiks organisierten. Karl hielt zu manchen GewerkschafterInnen Kontakt.
Als in den 90ern der Krieg in (inzwischen EX-) Jugoslawien tobte, machte
Karl Interviews mit ihnen und fragte sie nach der Möglichkeit der
Zusammenarbeit mit Gewerkschafterinnen "auf der anderen Seite" . Auch wenn
dies am Höhepunkt der Kriege natürlich eher aussichtslos war, Karl zeigte
damit auf welche Möglichkeiten eine starke ArbeiterInnenbewegung gehabt
hätte. Karl war einer der ersten AktivistInnen der MigrantInnenliste DFA
(Demokratie für Alle) zu den AK-Wahlen, eine Liste die 1994 in Wien und
Niederösterreich sehr erfolgreich war. Auch hier wieder der Schulterschluss
mit migrantischen Kolleginnen der damals noch weniger wie heute
selbstverständlich war.

Karl liebte und lebte Einheitsfronten, weil er auch in der Praxis stärker
werden wollte. "Wir ham am Komitee, es gibt a Komitee" so begannen oft seine
Gespräche mit PassantInnen. Bei den Streiks in den früheren 2000ern
arbeitete er im Rahmen der "Plattform für kämpferischen und demokratische
Gewerkschaften" sehr eng mit BetriebsrätInnen aus der SLP zusammen. Super
war hier vorallem seine Arbeit und Unterstützung bei der ÖBB. Unvergessen
bleibt für mich, wie uns um 1 Uhr in der Nacht EisenbahnerInnen beim Plakate
Aufhängen auf den Nordbahngleisen "erwischten". Mit der schönen Einleitung
"Wir ham a Komitee" lud Karl die verdutzen ÖBB-Kollegen zu unserer
Veranstaltung ein. Die EisenbahnerInnen kamen zwar nicht zu unserer
Veranstaltung, aber sie waren so beeindruckt, dass sie uns weiter machen
ließen. Wir mussten ihnen nur versprechen, nicht mehr mit dem Kleister
sondern nur mehr mit dem Tixo zu arbeiten. Dafür bekamen wir noch eines aus
einem Bahnwärterhäuschen mit. Karl hatte wieder mal seine
Überzeugungsfähigkeit gezeigt.

Karl zeigte super auf wie man das Internet für linke, internationalistische
Anliegen nutzen kann. Der Aufbau von LabourNet war natürlich kein Zufall.
Karl hatte ein unglaubliches Wissen. Einmal trafen wir ihn und seine Frau
Irmi überraschend auf einer griechischen Insel, Karl hatte in ein paar
Urlaubstagen schon die neue Trotzki-Biographie durch und mit unzähligen
Anmerkungen versehenen. Sein unglaubliches Wissen hat mich immer
beeindruckt. Seine internationalistische Arbeit, seine Bündnisfähigkeit,
seine linke Aufbauarbeit in den Gewerkschaften, seine gelebte Solidarität
mit migrantischen KollegInnen und einiges mehr bleibt über seinen Tod
hinaus. Dafür ist zum Abschied ein großes DANKE fällig.
*Michael Gehmacher*
*

Ich möchte meine irdische Betroffenheit über das natürliche Phänomen des
Todes mit diesem Text ausdrücken, aber auch das Entsetzen darüber, wie
politische Arbeit durch den physischen Tod in gewissem Sinne vernichtet
wird!

Sie wird nicht vernichtet, so widerspreche ich mir selbst, da es ja den, wie
die Juden sagen, sikorn, die Erinnerung, gibt, auch Bloch hat darüber
gesprochen, das Gedächtnis, das versucht, eine Gegen-Gewalt gegen die Furie
des Verschwindens aufzustellen; aber wir sind in diesem "Zusammenhang" doch
immer mit dem Problem konfrontiert, daß sonderbarerweise mit dem Hingang
eines Menschen, der sich in einen großen Gedanken, in eine Bewegung mit Tat
und Schrift eingebracht hat, immer ein sonderbares, lähmendes Nihil
verbunden ist. Man ist nämlich versucht, sich ein wenig schreckensbetäubt
vorzustellen, daß mit dem physischen Hingang letztlich das Gespenst der
Futilität wissenschaftlicher oder politischer Arbeit auftaucht: ein frustra,
ein langsames Hinabsinken der vielfältigen ehemaligen Bemühung in den
Lethe-Strom. Es ist ein pseudos. Schon früh war ich, beim Hingang von Krahl
und Adorno, damit konfrontiert. Es lähmte mir die weitere Beschäftigung mit
deren Werken. Sonderbar! Die Furie des Verschwindens hatte mich hinterrücks
im Griff.

Sogar mit dem Genossen Grünwald ging es mir ein wenig ebenso. Aber da wir
ewig leben, können wir ja später wieder und neu daran ansetzen...

Unsere Aufgabe ist es, comunque, sich dagegen zu wehren! Es wäre
insbesondere von Bedeutung, abgesehen vom tiefen Beileid, das an die Witwe
zu richten ist, und an die Freunde, und an die politischen Freunde, für
diejenigen, die mit der Geschichte des österreichischen Trotzkismus nicht
allzusehr vertraut sind (und darunter zähle ich auch mich, der ich lange
Zeit in Deutschland und Italien, arbeitend, lebte, wo der Trotzkismus keine
allzugroße Rolle spielte, im Gegensatz etwa zu Frankreich), ein Bild der
Geschichte seines Wirkens im Kontext des österreichischen Trotzkismus zu
zeichnen, und dies erhoffe ich mir auch von seinen Schülern.

Sagte mir nicht jemand vor einiger Zeit: Er war mein Lehrer, von ihm hab ich
zunächst alles erfahren? Ja, dies ist, neben sikorn, die zweite wichtige
Kategorie: Dankbarkeit.

Dies erinnert mich an einen Genossen, der in der Gewerkschaft Konsequente
Interessensvertretung aktiv war. Er erzählte mir, wie für ihn bedeutend für
ihn, den Kommunisten, sein Mentor, Freund Paul Chaim Eisenberg war - der
sich übrigens sehr versöhnlich über das Verhältnis von Juden und
Palästinensern ausgedrückt hat. Auch dort Dankbarkeit!

Die von Karl (mit)gestaltete Website ermöglichte mir die Publikation aller
meiner Beiträge (eines gewissen Zeitraums), und das ist in Österreich
selten.

Wenn klassenkämpferische Juden nach Österreich kamen, wurde dies immer
treulich von Labournet Austria dokumentiert.

Gerade im Angesicht der gegen die Trotzkisten hetzenden prozionistischen
anarchistischen Hetzer (die Trotzkismus offenbar für einen Gottseibeiuns
halten, und diese Hetze kommt hauptsächlich aus Deutschland, wie denn nicht,
und wird hierher importiert, wie denn nicht?) wäre für eine Gesamtbewertung
der Aktivitäten, des Engagements des Genossen Fischbacher, für eine
übersichtliche ajournierte Geschichte, für eine Neubewertung des hiesigen
Trotzkismus dieses Gedenken der richtige Ansporn.

Den Juden und Nichtjuden, die den Zionismus, also einen der ärgsten Feinde
des Kommunismus, propagieren, muß es ein Dorn im Auge sein, daß ein Jude der
Chef des Heeres der Bolschewisten war! Sein Fehler war, daß er nicht Stalin
anbetete - der ja auch ein großer Vernichter des Judentums war. Das können
die Prozionisten dem Trotzkismus nicht verzeihen. Der Zionismus versucht,
das Judentum zu vernichten, so wie der Stalinismus es zu vernichten
versuchte.

Schreiende Widersprüche bleiben über den ravage, hinweg, den die Todessichel
anrichtet, erhalten. Na ist das nicht eine Hoffnung auf Überleben?
*Aug und Ohr*





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