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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Donnerstag, 30. Januar 2020; 00:21
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Bildung/Flucht/Letzte Worte:

> Gutes und böses Schultheater

Nach Berichten von "Krone" und "oe24.at" hatte das Bildungsressort das
Schultheaterprojekt "Migration erleben" mit sofortiger Wirkung gestoppt,
Ministerium und Bildungsdirektion haben eine Untersuchung angekündigt.
Schüler*innen sollten dabei interaktiv erleben, wie es Menschen ergeht, die
aus einem fremden Land nach Österreich kommen. Der Bildungsminister, der von
sich selbst sagt, kein Bildungsexperte zu sein, hört aber leider mehr auf
die Experten aus dem Boulevard. Eine Menge Leute, die ein wenig mehr davon
verstehen, haben gegen die Absetzung protestiert. Auch bei der IG Freie
Theater ist man sehr sauer. In ihrer Aussendung heißt es:

"Anlässlich der medialen Aufregung um ein Schultheaterprojekt an einem
Gymnasium in Wien Währing möchte die IG Freie Theater die Medien und alle
Entscheidungsträger zur Besonnenheit in der Berichterstattung und in den
Reaktionen auffordern.
Wir haben nachgefragt: An diesem Projekt und an dessen Entwicklung waren
viele Menschen beteiligt; Künstler*innen, Lehrer*innen und Schüler*innen.
Das Projekt verhandelte nicht weniger als gesellschaftliche Realitäten und
machte diese erlebbar. Keine*r der Schüler*innen war zu irgendeinem
Zeitpunkt ungeschützt, das gesamte Projekt dauerte nicht länger als 2,5 h
und wurde gemeinsam nachbesprochen.
Kunst und Theater haben diese Aufgabe: Zustände erlebbar zu machen,
Situationen aufzuzeigen. Schulen müssen sich trauen dürfen, solche Projekte
zu entwickeln und Künstler*innen zu engagieren, die gemeinsam mit den
Schüler*innen anhand bestimmter - aktueller - Themen Formate entwickeln, die
eine auch intensive Auseinandersetzung ermöglichen.
Wir möchten einen Appell an die Medien und die Politiker*innen in Österreich
richten, genau solche Formate auch weiterhin zu unterstützen und
zuzulassen - und bei der Betrachtung solcher Projekte zum einen die
Produktionsbedingungen genau anzuschauen und v. a. die beteiligten
Schüler*innen zu kontaktieren, bevor es zu einer pauschalen Verurteilung
kommt. Es ist sehr einfach, über solche Produktionen nur über's Hörensagen
sofort negativ zu urteilen und - in weiterer Folge - künftig zu
verunmöglichen, ohne dass die wirklichen Umstände eruiert und alle
Beteiligten kontaktiert wurden."

*

Was die Geschichte aber wirklich zum Skandal macht, ist die Tatsache, daß
Herrn Faßmann zwar eine Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen
Herrschaftsverhältnissen stört, er aber keineswegs etwas gegen Theater an
der Schule hat, das sich mit Flucht und Migration auseinandersetzt. Denn ein
anderes diesbezügliches Theaterprojekt (also so ein klassisches
Zuschautheater) wurde von Faßmann nicht gestoppt, nämlich das Stück "Welt in
Bewegung". Darin geht es um zwei Asylwerber namens Nadim (Syrer) und Mojo
(Afrikaner, ohne nähere Angaben). In der offiziellen Inhaltsangabe des
Stückes heißt es:

"Nadim ist erleichtert, dass er in Österreich Sicherheit findet. Er versteht
aber auch die Menschen in Österreich, die Asylwerberinnen und Asylwerbern
gegenüber misstrauisch sind. Mojo aber glaubt den Versprechungen von den
Schleppern. Er ist enttäuscht, dass diese Versprechen in Österreich nicht
erfüllt werden. Mojo lässt sich von einem radikalen Umfeld täuschen. Das
heißt, er glaubt, dass Menschen mit ihren radikalen Ideen Recht haben. Diese
Menschen wollen wegen ihrer politischen Einstellung die aktuelle
Gesellschafts-Ordnung ganz verändern."

Das ist natürlich pädagogisch wertvoller. In Auftrag gegeben hatte es noch
Wolfgang Sobotka in seiner Funktion als Innenminister.
Medial bekannt wurde dieses Stück im Frühjahr 2018 -- die
Recherche-Plattform Addendum brachte eine komplette Aufzeichnung einer
Aufführung online. Trotz des Bekanntwerdens des bedenklichen Inhalts sah die
nunmehr schwarzblaue Regierung kein Problem. Die Debatte zog sich noch bis
in den Sommer 2018, verebbte aber dann.
Dem Vernehmen nach wird dieses Stück auch weiterhin an Schulen gezeigt.
(akin)


Aussendung IG Freie Theater:
https://freietheater.at/blog_entry/appell-der-ig-freie-theater-schultheaterprojekte-nicht-gefaehrden/


Wie das BMI das eigene Stück beschreibt:
https://www.bmi.gv.at/305/files/BF_Theater_Welt_in_Bewegung_062019.pdf


"Welt in Bewegung" auf Youtube:
https://youtu.be/XLl2Sorsb6c



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