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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Donnerstag, 23. Januar 2020; 04:15
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Neue Regierung:
> Die Sache mit der DNA
Nicht nur die grüne Beihilfe zur Inthronisierung des Gesalbten ist ein
Problem, sondern die generelle Regierungsbereitschaft der einstmals
alternativen Partei. Aber vielleicht ist das gar nicht mehr die selbe
Partei, sondern nur mehr die gleiche. Ein zeitgeschichtlicher Versuch, das
nun Geschehene verstehen zu wollen.
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Der meistens großartige Karli Berger hat neulich einen Cartoon
veröffentlicht, in dem eine Grüne zu Donnerstagsdemonstranten sagt: "Wir
sind jetzt mit jemand anderem zusammen! In tragenden Rollen!" Und sich
daranmacht, die Senfte des süffisant lächelnden Gesalbten anzuheben.
Aus diesem Cartoon spricht prima vista einmal der Vorwurf des Verrats:
Gerade noch war man gemeinsam mit anderen zusammen im Protest gegen die
Kurz-Regierung und nun huldigt man dem neuen Erzherzog von Österreich, weil
man sein Paladin sein darf.
Man kann die Kritik aber auch fundamental sehen und das mit der "tragenden
Rolle" anders verstehen. Denn wenn auch schon vor Jahren Christoph und Lollo
die Grünen als eine Partei durch den Kakao gezogen haben, der es um nichts
anderes ginge, als endlich einmal mitzuregieren, also staatstragend sein zu
dürfen, so war doch eins immer klar: Es gibt im österreichischen Parlament
zwei Parteien, die, trotz aller Widersprüche, so ungefähr fortschrittliche
Ideen vertreten -- die SPÖ als Staatspartei und die Grünen als
Oppositionspartei. Die Aufgabenteilung zwischen diesen beiden in mehr als
einer Hinsicht als sozialdemokratisch anzusehenden Parteien sorgte dafür,
daß es immer eine staatstragende und eine herrschaftskritische Fraktion gab.
Zwei Parteien
Unabhängig davon, ob die SPÖ gerade in einer Regierung war oder nicht, so
hat sie doch in dem, was man heutzutage so gerne "politische DNA" nennt, das
Regieren und Verwalten eingeschrieben. In der Opposition ist diese Partei
verloren, das hat man ja schon in den Zeiten der Schüsselregierungen
gesehen. Das Wort von der DNA mag vielleicht ein wenig geschmäcklerisch
wirken, doch hat es etwas Wahres: Die DNA hat man unveränderlich von seinen
Ursprüngen bis zu seinem Tod. Die SPÖ (resp. SDAP) ist zwar als eine
Protestpartei entstanden, aber von Anfang an war für deren Protagonisten
klar, daß sie die Führung im Staat übernehmen müßte -- das Proletariat war
"die stärkste der Parteien". Man empfand es nur als eine Frage der Zeit und
des Durchhaltevermögens, bis die alte Welt der Reaktionäre und Kapitalisten
zusammenbrechen müsse. Dazu paßte auch die Ausladung der im Fin de Siecle
keineswegs marginalen anarchistischen Teile der Arbeiterbewegung. Nach 1945
erlebte die Partei eine Wiedergeburt und dank des vielzitierten "Geistes der
Lagerstraße" und bald darauf des imaginierten "KPÖ-Putsches" und der damit
einzementierten Sozialpartnerschaft war das Staatstragende erneut
eingeschrieben -- diesmal im Wissen, daß man die Macht jetzt eben mit der
Reaktion teilen mußte. Auch wenn die Partei einmal nicht in einer
Bundesregierung saß, so regierte sie doch in vielen Ländern und Städten
zumindest mit und in Wien sowieso. Echte Oppositionsarbeit ist etwas, was
die SPÖ einfach nicht kann, weil sie es nie gelernt hat, und selbst in den
Zeiten, wo sie nicht in der Bundesregierung war, sowas wie
Staatsverantwortung immer stark in sich gefühlt hat.
Die Grünen haben eine ganz andere Genese -- die Partei, zusammengeschweißt
aus mehreren Bewegungen mit sehr unterschiedlichen Narrativen und
Forderungen, einte nur eins: Nein, eben nicht der Umweltgedanke, sondern der
generelle Protest gegen ein politisches System, das seit 1945 von zwei
Parteien bestimmt wurde, die sich die Macht auf allen Ebenen teilten --
faktisch selbst zu den Zeiten der Alleinregierungen von 1966 bis 1983. Der
Umweltgedanke gab dieser neuen Partei lediglich eine damals dem Zeitgeist
gemäße Klammer, quasi ein Banner, unter dem man sich sammeln konnte. "Grüne"
nannten sie sich ja nur als Anklang an die ältere Schwesterpartei aus
Deutschland. Unausgesprochen definiert hat sich diese neue
Parlamentsfraktion -- zu Anfang war sie formal nicht einmal Partei -- über
ihre Gegnerschaft zum politischen Establishment, eben als "Alternative".
Auch diese Bezeichnung hatte man aus Deutschland importiert genauso wie die
Idee der "Anti-Partei". Dieser Begriff wiederum war sehr doppeldeutig: Zum
einen transportierte man damit die Ablehnung bisheriger Parteikonzepte, zum
anderen faßte man die Basisbewegungen zusammen, aus denen die Partei
entstanden war, von denen viele in ihren gängigen Bezeichnungen vorne dieses
"Anti-" stehen hatten und die ganz generell dadurch gekennzeichnet waren,
gegen etwas zu sein, egal, ob es jetzt Atomkraft, Umweltzerstörung,
Patriarchat, Militarismus oder Kapitalismus war.
Man wollte etwas sein, was eigentlich ein Widerspruch in sich ist: Eine
Partei, die im Parlament die APO vertritt, die linken NGOs, die
Basisgruppen, die "Sozialen Bewegungen". Das Wort von "Spielbein und
Standbein" machte die Runde -- vor allem in den anarchistisch angehauchten
Teilen der Partei, die schon ahnten, daß dieses Konzept auf Dauer nicht
funktionieren kann. Der wunderbare Dieter Schrage mahnte das viele Jahre
lang noch ein, wohl wissend, daß es nur eine Illusion war. Und Günther
Nenning meinte schon früh in Anlehnung an Gertrude Stein: "Eine Partei ist
eine Partei ist eine Partei!" Beide hatte ihre Erfahrungen aus der
Sozialdemokratie und wußten daher, wovon sie sprachen.
Dennoch etablierten sich die Grünen vorerst einmal nicht als staatstragend.
Nicht nur ihre geringe Stärke, die nicht einmal für das berühmte Zünglein an
der Waage gereicht hätte, sondern vor allem ihr Verhalten im Parlament
machten allen anderen Nationalratsparteien klar, daß mit den Grünen kein
Staat zu machen sei -- speziell Abgeordnete wie Peter Pilz und Andreas Wabl
hupften SP, VP und FP oft genug mit dem sprichwörtlichen Arsch ins Gesicht.
Die Anpassung an die österreichische Staatsordnung schritt zwar sukzessive
voran, überschritt aber selbst in der Ära Van der Bellen, der den Grünen
eine bürgerliche Note gab und den Burgfrieden einforderte, nie eine gewisse
Grenze. Das Mitregieren in Kommunen und schließlich auch Ländern forderte
schon seinen Tribut, dennoch blieb den Grünen eine gewisse
Wiedererkennbarkeit als "alternative" Partei.
Das war wohl auch der Grund, warum sie sich bei den Regierungsverhandlungen
2003 nicht alles von ihrem präsumtiven Koalitionspartner gefallen ließen --
obwohl damals die Kräfteverhältnisse für die Grünen gegenüber den Schwarzen
noch deutlich ungünstiger waren als jetzt.
Warum jetzt?
Wenn also der Protest und die Skepsis und die prinzipielle
Oppositionshaltung Teil der politischen DNA der Grünen ist, warum ist es
ihnen nun so leicht gefallen, sich ausgerechnet der gerade jetzt besonders
herrschsüchtigen ÖVP so völlig zu unterwerfen?
Das hat wohl mehrere Gründe: Einer davon ist sicher die deutlich stärkere
Beteiligung an dem, was sie so für Macht halten, also an den Regierungen in
den Bundesländern. Zum Zeitpunkt der Regierungsverhandlungen mit Schüssel
waren die Grünen noch in keiner einzigen Landesregierung vertreten. Die
späteren Koalitionen und Vereinbarungen mit der ÖVP haben da sicher keinen
guten Einfluß gehabt. Ausgerechnet die Koalition in Wien mit der SPÖ hatte
aber einen enormen Impact, denn der linke Flügel der Partei war es vor
allem, der die Grünen lange Zeit auf Protestlinie gehalten hatte. Und dieser
Flügel war vor allem durch die stärkste Landesorganisation repräsentiert,
eben die Wiener Landespartei. Hier wurde auch die schärfste
Oppositionsarbeit auf Länderebene geleistet. Die Koalition in Wien war für
Bürgermeister Häupl ein doppelter Gewinn: Er bekam einen Koalitionspartner,
der nicht weit weg von den eigenen Positionen war, und er entledigte sich
gleichzeitig der einzigen echten Kontrollpartei in der Stadt -- denn FP und
VP waren zwar laut, hatten aber keine Ahnung, wo sie Häupl wirklich
glaubwürdig kritisieren könnten. Strache schaffte es erst zu Zeiten von
Rot-Grün, ein Drittel der Mandate für seine Partei zu erkämpfen -- aber auch
das hatte eben genau keinen Einfluß auf die Stadtpolitik, weil Statthalter
Gudenus völlig unfähig war, daraus etwas zu machen. Die Wiener Grünen
hingegen waren mit der Koalition als Kontrollpartei lahmgelegt und durften
"gestalten". Mit der Mahü und dem berüchtigten Tojner-Hochhaus blamierten
sie sich zwar gründlich, lernten aber doch, wie süß doch dieses bißchen
Macht schmeckt. Und das blieb eben nicht ohne Wirkung auf die Bundespartei.
Generationenbruch
Ein anderes Moment ist aber noch viel gravierender: Das Rausfliegen aus dem
Parlament 2017. 2019 kamen sie wieder zurück und warfen gleich erstens ihre
basisdemokratischen Grundsätze und zweitens ihre prinzipielle Protesthaltung
über Bord sowie drittens sich dem Gesalbten an den Hals. Wie konnte das
passieren? Die Politologin Alexandra Weiss kommentierte das in der "Neuen
Vorarlberger" so: "Die Grünen setzten damit aufs Spiel, was sie in den
Monaten vor der Wahl zurückgewonnen haben - und das ist nicht weniger als
ihre Existenz als parlamentarische Kraft." Stimmt natürlich. Aber wieso
riskieren sie das? Vielleicht deswegen, weil die Grünen nicht mehr die
selben sind. Vielleicht sind sie gestorben und wieder neugeboren worden, um
im Bild mit der DNA zu bleiben. Möglicherweise aber ist diese Partei 2017
gar nicht gestorben, sondern wurde ihre Traditionslinie ganz woanders
fortgesetzt -- in der glücklosen "Liste Pilz". Das klingt ein wenig
verwegen, aber man sehe sich an, was nicht nur nach der Wahl 2017 passiert
ist, sondern auch in den Monaten und Jahren davor:
Eine Partei kann nicht umhin, irgendwann einmal einen Generationenwechsel
zuzulassen -- sonst veraltet sie und ihr Führungspersonal kommt irgendwann
auch zu seinem biologischen Ende. Dieser Wechsel ist ein notwendiger Prozeß
und wenn man sich rechtzeitig darauf einstellt, können Wissen und
Traditionen -- ja, eben das mit der DNA -- von Alt auf Jung weitergegeben
werden. Aber das ist nur sehr unzureichend von der Partei umgesetzt worden:
Das Rausekeln von erfahrenen Abgeordneten (und damit auch ebensolchen
Parteimitgliedern) ermöglicht nunmal keine Weitergabe von Wissen. Diese
Traditionszerstörung funktioniert aus historischen Gründen bei den Grünen
aber besonders gut -- eine technokratisch orientierte Nachfolgegeneration,
die kein Interesse an den Erfahrungen der Älteren hat, kann sich da auf
genau diese Traditionen einer Partei berufen, die sich als basisdemokratisch
versteht, die Berufspolitikertum genauso wie Personenkult ablehnt, Rotation
fordert und außerdem ganz feministisch das Patriarchat "alter weißer Männer"
ablehnt. Es ist absurd: Mittels antitechnokratischer Argumentation
verfestigen Technokraten die technokratischen Strukturen einer Partei.
Diese bei den Grünen unterdrückte Weitergabe von Ideologie und empirischem
Wissen versuchte aber tatsächlich -- auch wenn das wohl nicht der Grund
seines Engagements für die eigene Liste war -- Peter Pilz. Er nahm andere
Rausgeekelte zu sich ins Boot und er betonte in seinen Wahlkämpfen 2017 und
vor allem 2019 genau diese Protesthaltung: Es brauche, so Pilz, eine
Kontrollpartei im Parlament, die nicht die geringste Absicht habe,
mitzuregieren.
Mit dem Exodus der Grünen 2017 gab es damit also wohl in gewisser Hinsicht
auch einen Exitus. Mit dem Verlust des Nationalratsklubs gingen plötzlich
auch hundert Arbeitsplätze verloren -- das waren aber genau die Leute, die
das Rückgrat der grünen Politik bildeten. Gerade diese parlamentarischen
Mitarbeiter der Grünen waren vor allem die Träger der wertvollen Traditionen
und des Fachwissens genauso wie der Kenntnisse über die Usancen und Fallen
im Nationalrat. Diese hochqualifizierten Kräfte mußten sich daraufhin neue
Jobs suchen und standen so nicht mehr den Grünen zur Verfügung.
Schöne neue Partei
2019 kam dann plötzlich eine Gruppe in den Nationalrat, die keine Ahnung
hat, wie das Spiel gespielt wird. Lediglich Werner Kogler kennt die Schliche
und Kniffe, aber der erscheint heute eher ein Getriebener zu sein denn eine
treibende Kraft. Der Rest sind Leute, von denen einige wenige durchaus große
politische Erfahrung und inhaltliche Kenntnisse haben, der Großteil aber
eben nicht. Alle eint aber, nicht mehr Träger dieser bislang tradierten
Grundhaltung einer fundamentalen Opposition zu sein: die prägende Erfahrung,
daß aus der Opposition einiges möglich ist, die Regierungspolitik
mitzubestimmen, in einer Koalition als schwacher Partner aber nichts. Die
früheren Klubangehörigen haben erlebt, daß selbst der SPÖ als Kanzlerpartei
nur wenig Spielraum geblieben ist, andererseits die FPÖ jahrzehntelang, wie
Jörg Haider das einmal formulierte, "die Altparteien vor sich hertreiben"
konnte und dann aber in einer Koalition beinahe in die Bedeutungslosigkeit
versenkt wurde.
Womit ich wieder zu diesem anfangs zitierten Cartoon zurückkehre: Weil die
Grünen sich nun auch auf Bundesebene in "Regierungsverantwortung" begeben --
selbst wenn es nicht mit so einem ekligen Partner wie dem Gesalbten gewesen
wäre --, verlieren all die Basisbewegungen und NGOs ihre Ansprechpartner im
Parlament. Dann können diese Gruppen sich in bestimmten Bereichen vielleicht
größere Chancen auf Subventionen ausrechnen -- wenn auch um den Preis des
Wohlverhaltens --, aber sie finden niemanden mehr, der ihren Protest gegen
die Hohen Herren in der Regierung ins Parlament trägt.
Vorwärts in die Vergangenheit
Die linken und irgendwie fortschrittlichen Kräfte außerhalb der
Parteipolitik stehen jetzt wieder dort, wo sie vor 1986 gestanden sind --
vor dem Parlament in Protest gegen einen Klüngel staatstragender Parteien
ohne jegliche Alternative. Einerseits ist das schon irgendwo schlimm,
andererseits aber auch eine Chance für die APO, sich wieder auf die eigenen
Kräfte zu konzentrieren und sich nicht mehr auf irgendwelche
Parlamentsparteien zu verlassen. Angesichts der heutigen politischen
Paradigmen ist das aber nur eine blasse Hoffnung und ein schwacher Trost.
*Bernhard Redl*
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