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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 8. Januar 2020; 19:14
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Österreich neu regieren:

> Die kleinen feinen Bösartigkeiten

Es gibt so Kleinigkeiten, über die die Grünen nicht gerne reden wollen, die
aber im Pakt mit der ÖVP stehen. Hier eine komplett unvollständige
Aufzählung:
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Die Schutzhaft

Darüber wurde schon viel diskutiert. Im Vorfeld des Buko konnte man hören,
daß das eh nur ein Vorhaben ist, das nicht verwirklicht werden könne, weil
es verfassungswidrig sei -- also nur drinstehe, um die schwürkise Granden
zufriedenzustellen. Mittlerweile sieht das anders aus.

Rückblende: 1988 wurde das Verfassungsgesetz zum "Schutz der persönlichen
Freiheit" beschlossen. Das hatte historische Gründe -- schon seit den
60er-Jahren gab es Bestrebungen zu einem solchen Verfassungsgesetz, weil die
Möglichkeiten der Inhaftierung in Österreich halt weit weg von dem waren,
was die EMRK gefordert hatte. Die diesbezüglichen Vorbehalte der
österreichischen Regierung waren grundrechtsorientierten Kreisen des
Parlaments, der Regierung und der Höchstgerichtsbarkeit schon lange
unerträglich. Daher hat man sich unter einer rot-schwarzen Regierung endlich
einmal dazu durchgerungen, eine tatsächlich fortschrittliche
Grundrechtsgarantie in diesem Bereich zu erlassen. Diese war aber eben
deutlich weitreichender als in jenen Ländern, die heute so eine Schutzhaft
sehr wohl rechtlich verankert haben.

Tja, jetzt steht diese aber im Koalitionsabkommen. Und plötzlich erklärt
auch der grüne Parteichef, daß es schon möglich wäre, das so zu
interpretieren, daß sich die Schwürkisen jemanden suchen dürfen, daß dafür
eine Zweidrittelmehrheit zustandekäme -- sprich: Die Grünen müßten gemeinsam
mit ÖVP und wohl auch FPÖ einer Verfassungsänderung zustimmen. Weil das
haben sie schließlich unterschrieben. "Pacta sunt servanda", darauf besteht
die ÖVP.
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Wehrpflicht für alle

"Uns kommt keiner aus" scheint das Motto der ÖVP zu sein, was die
Wehrpflicht angeht. Wobei das natürlich vor allem auf den Zivildienst zielen
dürfte -- es braucht ja doch auch eine Menge Schreibkräfte bei den
Organisationen, die Zivildiener beschäftigen. So heißt es dann im Abkommen:
"Reform der Tauglichkeitskriterien. In Zukunft soll es zwei
Tauglichkeitsstufen geben: 'Volltauglich' heißt wie bisher uneingeschränkter
Einsatz beim Bundesheer und beim Zivildienst, und 'Teiltauglich' eine
Verwendung im Büro, in der Küche oder einer anderen individuell passenden
Tätigkeit. Nur wer auf Grund einer körperlichen oder geistigen Behinderung
wirklich nicht dazu in der Lage ist, soll auch in Zukunft nicht zum Heer
oder Zivildienst." Also: Auch Rollifahrer oder Bundesheertraumatisierte
können noch immer Büroarbeiten erledigen, die sonst kollektivvertraglich zu
bezahlende Kräfte erledigen hätten müssen.

Nebenbei: Früher nannte man das "bedingt k.v." -- man frage besser nicht,
welche Zeiten das waren.
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Spekulationsgewinne für alle, Pensionen für niemand

Spannend ist auch der Bereich "Teilhabe am Kapitalmarkt und private
Altervorsorge stärken". Da geht es darum, die "Financial Literacy" zu
stärken. Sprich: Wir sollen alle lernen, wie man am Finanzmarkt
spekuliert -- daß dabei unser Interesse an ordentlichen Löhnen gesenkt
werden soll, steht da natürlich nicht. Und das paßt auch wunderbar zur
"privaten Altersorsorge". Denn daß wir, die wir noch nicht unsere Pension
genießen, damit auch nicht rechnen können, jemals eine vernünftige zu
bekommen, wird im Kapitel über Pensionen klargemacht. Die Finanzierung der
Pensionen wird nämlich nur mit zwei Überschriften sichergestellt: "Kampf
gegen Altersarmut und nachhaltige Finanzierung des Pensionssystem durch
Heranführung des faktischen an das gesetzliche Pensionsantrittsalter" und
"Gesund bis zur Pension: Verbleib im Erwerbsleben unterstützen". Also:
Länger hackeln ist angesagt! Das wars dann wohl mit der Hacklerpension,
selber schuld, wenn man nicht vorher in Aktien investiert hat.
*

Entbürokratisierung -- aber wo?

Das ist doch etwas, wogegen niemand etwas haben kann: Entbürokratisierung!
Blöd halt nur, daß dahinter in Klammern steht: "von Arbeitsinspektorat und
ArbeitnehmerInnenschutzvorschriften". Dabei sei auch das Prinzip "Beraten
vor bestrafen" zu befolgen. Auch blöd, daß im ganzen Regierungsprogramm
dieses Prinzip nur bei der Behandlung von rechtswidrig agierenden
Unternehmern vorgesehen ist. Bei Arbeitslosen, die nicht jeden McJob
annehmen wollen, gilt das nämlich nicht. Da heißt es (sehr freundlich
formuliert): "Weiterentwicklung des Arbeitslosengeldes mit Anreizen, damit
arbeitslose Menschen wieder schneller ins Erwerbsleben zurückkehren können."
Ja, die Streichung der Notstandshilfe ist sicher ein toller Anreiz.
*

Medienstandort stärken

Das ist überhaupt ein hübsches Kapitel. "Kampf gegen Hass im Netz" und
"Schutz vor Desinformation" sind da solche Schlagworte. Man kann nur hoffen,
daß diese Forderungen offensichtlich der Grünen, genausowenig im Ministerrat
eine Einstimmigkeit erreichen werden wie auch die ganzen anderen Anliegen
der Ökos. Weil das kann unter dieser Regierung nur in einer neuen Zensur
enden -- wenn die ÖVP mit ihrer Message Control bestimmt, was
"Desinformation" oder "Hass" sei, kann einem nur das Gruseln angehen. Aber
auch die Ansage: "Wirtschaftliche Kooperation ermöglichen -- Überprüfung des
Wettbewerbsrechts hinsichtlich kartellrechtlicher Bestimmungen in der
Medienlandschaft" ist nicht schwach. In einem Land mit einer solchen
Medienkonzentration weitere "Kooperationen" zu ermöglichen, kann man nur als
schlimme Drohung auffassen.
*

Sonstiges

Dazu kommen dann noch der Witz mit der Abschaffung des Amtsgeheimnisses
(siehe Kasten) oder das Hintertürl für die ÖVP, fremdenrechtliche Gesetze
gemeinsam mit der FPÖ beschließen zu können, oder daß die ÖVP sehr wohl
einen staatssekretärlichen Aufpasser im Umweltministerium plazieren darf,
die Grünen aber nur in ihrem eigenen Ressort eine Staatssekretärin haben
werden, die genauso wir ihr Chef keine Ahnung von der Materie haben usw.
usf.

Von all den Dingen, die schon von Schwürkis-Blaun beschlossen worden sind
und jetzt nicht einmal mehr zu Diskussion standen, sei hier ganz zu
schweigen

Und wie gesagt: Die Liste ist nicht vollständig und wird wohl auch noch
fortgesetzt.
-br-



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