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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Donnerstag, 19. Dezember 2019; 13:05
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Wien/Wahl/Linke/Glosse:

> Das Rad neu erfinden

Die neue Wienwahl-Initiative ist eher mit Vorsicht zu geniessen

Wiedermal gibt es die Idee ein linkes Wahlprojekt zu etablieren. "LINKS"
soll es heißen. Wenn man in den letzten zweieinhalb Jahrzehnten -- also seit
die Linke in diesem Land frustriert ist, daß die Grünen nicht so wirklich
ein linkes Projekt sind -- soviele gescheiterte Versuche gesehen hat, bei
Nationalrats-, EU- und Wien-Wahlen zu reüssieren, ist man da natürlich
skeptisch.

Sieht man sich das aktuelle Projekt genauer an, wird die Skepsis kaum
gemildert. Da heißt es: "Es gibt derzeit keine Partei, die das
soziopolitische System von Grund auf - ohne ökonomische, rassistische und
sexistische Ausschlüsse - verändern möchte. Jetzt schon: mit LINKS." So ist
es in einem "Interview" mit der Proponentin Barbara Stefan zu lesen.

Also wenn man mal so anfängt, zeugt das ein bisserl sehr von Ignoranz. Die
KPÖ gibt es nämlich schon. Und den Wandel auch. Und die SLP. Sie alle haben
schon, alleine und in Bündnissen kandidiert. Im Gegensatz zu dieser neuen
Sammlung -- man betont ja, definitiv kein "Bündnis" zu sein -- arbeiten
diese Parteien kontinuierlich schon recht viel länger und existieren auch
dann, wenn nicht gerade Wahlen sind. Wenn auch deren Erfolge recht
bescheiden sind, so gab es da zumindest mit der Kandidatur von Wien ANDAS
einen Fortschritt, weil da doch wenigstens 5 Bezirksrätsmandate bei der
letzten Wahl herausgeschaut haben. Das ist natürlich nicht sehr prickelnd,
aber auch nicht nichts. So zu tun, als gäbe es diese Ergebnisse nicht, ist
reichlich überheblich.

Aber dieses "LINKS" zeigt sich zumindest lernfähig. Nachdem einigen
Leuten -- nicht zuletzt dem Wiener KPÖ-Vorsitzenden Didi Zach -- obzitierte
Äußerung sauer aufgestoßen ist, wurde der Text verändert. Das liest sich
dann so: "EDITIERT AM 9.12.: Im vorletzten Satz der vierten Frage hieß es in
der Erstfassung 'Es gibt derzeit keine Partei, die [.]'. Die Präzisierung
'im Gemeinderat' erfolgte nachträglich." Blöderweise machte man damit aber
klar, daß das wohl doch kein "Interview" war, weil ein solches läßt sich
seriöserweise nicht nachträglich editieren. Und der Absatz macht dann auch
keinen Sinn mehr, weil "Jetzt schon: mit LINKS" einfach falsch ist, weil die
Gruppierung "jetzt" nicht "im Gemeinderat" ist. Und wahrscheinlich auch nie
sein wird.

Verwundern müssen einen solche Peinlichkeiten nicht -- offensichtlich kommt
dieses neue Projekt aus der Ecke der Mosaik-Webplattform. Dort ist nämlich
auch dieses Fake-Interview veröffentlicht worden. Das Ganze sieht auch von
der Ankündigung her sehr ähnlich aus wie der komplett versemmelte
"Aufbruch": Da wird eine Homepage aufgesetzt, ein Name vorgegeben und das
Projekt soll an einem Tag mit einer großen Versammlung auf Schiene gebracht
werden -- das erinnert fatal an die Vorbereitungstreffen zum "Aufbruch", die
mehr Frontalunterricht der Proponenten waren statt tatsächlichem
Diskussionsansatz. Da liest man dann in einem Werbeartikel auf meinbezirk.at
über diese Veranstaltung: "Die Initiatoren erwarten etwa 300 bis 400
Menschen, die gemeinsam Sprecher, inhaltliche Eckpunkte und die Struktur
definieren sollen." Ahja, glaubt man da wirklich, daß da was anderes
herauskommen kann als das, was sich die Proponenten vorher so vorgestellt
haben? Sollten tatsächlich soviele Leute kommen und jeder sich an der
Diskussion beteiligen wollen, würde es genau gar keine Ergebnisse geben. Da
wird dann wohl eher die Diskussionsleitung für Ordnung sorgen wollen. Tja,
das Ergebnis ist absehbar.

Wie sollte es auch anders sein bei einer Plattform, die hauptsächlich von
Dissidenten der Sozialdemokratie initiiert wurde -- die haben das
schließlich so gelernt. Daß nämliche Barbara Stefan auch führend bei der
Organisation des Aufbruch-Projekts aktiv war, zeigt genau diesen
Zusammenhang.

Notwendig wäre es schon!

Es tut mir leid, das sagen zu müssen: Diese ganze Initiative erscheint mir
unehrlich. Tatsächlich ist es doch so, daß es gerade seit der
Regierungsbeteiligung der an sich von den Personen her ziemlich linken
Wiener Grünen auch eine dezidiert linke Oppositionspartei im Rathaus
bräuchte -- auch, weil die Grünen diese Rolle nicht mehr spielen können.
Aber wenn man so tut, als wäre man einerseits eine ganz neue Initiative ohne
irgendwelche Zusammenhänge und andererseits die politischen Zusammenhänge
anderer Linker als nicht existent ansieht, dann wird das ein Rohrkrepierer.

Der einzige Effekt wird sein, daß, wie beim Aufbruch, die Massen derjenigen,
die wirklich etwas aufbauen wollten, frustriert wieder verschwinden. Bei der
nächsten Initiative werden die meisten davon wohl nicht mehr auftauchen.

In einem echten Interview für Radio Orange meint Anna Svec, eine andere
Proponentin des Projekts, daß das nicht eine Organisation sein soll, die nur
mal dieses Wahlinitiative lanciert, "sondern eine, die bleibt, dauerhaft ist
und die es in 2, 5, 10 Jahren weitergeben soll". Auch das haben wir schon
öfters gehört. Üblicherweise funktioniert das aber genau so nicht -- denn
bei solchen Projekten ist der Wahltag das Ziel. Und danach wissen die Leute
nimmer, was sie tun sollen, weil sie sich ja nicht für außerparlamentarische
Arbeit gemeldet haben, deren Erfolg auch nicht in Wählerstimmen meßbar ist.

Sollte eine Kandidatur zustandekommen, wird wohl der einzige Effekt sein,
daß die fortschrittlichen Kräfte jenseits von SPÖ und Grünen nicht einmal
mehr in den Bezirksvertretungen präsent sein werden und die
Oppositionsarbeit gänzlich eine Angelegenheit der reaktionären Parteien
wird.

Aber vielleicht erleben wir bei dieser Versammlung eine Überraschung und die
diversen wahlwerbenden Linken kommen zusammen auf einen roten Zweig. Wäre
schön. Glaube ich aber nicht. Ich wäre hocherfreut, würde ich mich irren.
*Bernhard Redl*


Termin für die Gründungsversammlung: 10. Jänner 2020 - ab 18 Uhr, 11. Jänner
2020 - ab 9 Uhr, VHS Rudolfsheim-Fünfhaus Schwendergasse 41, 1150 Wien

Links:
Homepage der Initiative: https://links-wien.at
Mosaik-Beitrag: https://mosaik-blog.at/links-wahlprojekt-wien/
Interview auf Radio Orange (ANDI - Alternativer Nachrichtendienst):
https://cba.fro.at/435617
https://www.meinbezirk.at/rudolfsheim-fuenfhaus/c-politik/neue-linke-partei-tritt-bei-wien-wahl-an_a3800229
https://www.facebook.com/linkswien/


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