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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Donnerstag, 5. Dezember 2019; 01:31
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Medien/Europa/Demokratie/Glosse:
> Die unterschätzten Sozis
"Also das Ergebnis war schon eine große Überraschung. Man konnte in der
Parteizentrale der SPD, im Willy-Brandt-Haus, vorhin beobachten, wie
langjährige Korrespondenten, Beobachter der SPD, ganz, ganz große Augen
bekommen haben. Damit hat niemand gerechnet. Olaf Scholz und seine
Co-Kandidatin, Klara Geywitz, waren die klaren Favoriten, er ist Vizekanzler
und Finanzminister der Bundesrepublik Deutschland. Die beiden, die sich
jetzt durchgesetzt haben, waren die klaren Außenseiter, sie sind weder von
der Fraktion noch von den SPD-Regierungsmitglieder unterstützt worden, aber
von der Partei und das sehr deutlich..."
So Berlin-Korrespondentin Birgit Schwarz in der ORF-ZiB. Das sagt so viel
über die Sozialdemokratie aus -- nicht nur in Deutschland, sondern europa-
oder sogar weltweit.
Man führe sich das einmal vor Augen: Die deutsche Sozialdemokratie ist
sowohl in der Wählergunst als auch in ihrer Moral völlig am Boden. Die
letzte Vorsitzende hatte nach gerade einem Jahr hingeschmissen, deren
Vorgänger war auch nur ein Jahr im Amt gewesen. Die Parteiführung wußte beim
besten Willen sich nicht mehr anders zu helfen, als den Vorsitz einer Urwahl
unter den Mitgliedern zu überantworten. Denn es war klar, so konnte es nicht
weitergehen. Und dann erwarteten alle, daß ausgerechnet das ranghöchste
SPD-Regierungsmitglied (mit Alibi-Frau an seiner Seite) eine solche Wahl
gewinnen sollte? Echt? Dann wäre der SPD wirklich nicht mehr zu helfen
gewesen.
Zwei Parallelen drängen sich auf. Zum einen Bernie Sanders in den USA, wo
die Partei der Demokraten -- die irgendwo ja doch als sozialdemokratisch
anzusehen sind -- alles tat, um zu verhindern, daß er
Präsidentschaftskandidat werden konnte. Zum anderen Jeremy Corbyn im
Vereinigten Königreich, der in genau so einer Urwahl Vorsitzender der Labour
Party wurde. Die Eliten der Partei, vor allem die meisten anderen
Labour-Abgeordneten können ihn nicht ausstehen. Zwar verdanken sie ihm einen
enormen Zuwachs an Parteimitgliedern und auch die massiven Zugewinne bei der
Unterhauswahl, aber sie hören nicht auf, diese Erfolge kleinzureden und als
ultima ratio ihm Antisemitismus anzudichten.
In den USA, in UK und in der BRD sind es diese Eliten, die so weit von
denjenigen entfernt sind, die sie angeblich vertreten wollen, daß sie
einfach derartige Angst um ihre meist wohldotierten oder manchmal auch nur
mit großem Renommee versehenen Jobs haben, daß sie lieber die Partei und
damit das Erbe der Arbeiterbewegung vor die Hunde gehen lassen wollen, als
die Konsequenzen zu ziehen.
Womit wir bei der SPÖ wären. Die tut derzeit so, als wäre es ein Ausdruck
innerparteilicher Demokratie, wenn sich die beiden rechten Flügel der Partei
gegenseitig fertigmachen. Dabei gibt es in der Basis der hiesigen
Sozialdemokratie mehr Brain Power als in allen anderen etablierten Parteien
zusammen -- blöderweise sind diese Leute halt fast alle Linke. Auf die will
die Führung aber offensichtlich verzichten. Deswegen wehrt man sich auch
gegen die Idee einer Urwahl des Vorsitzes. Denn diese Eliten sind zwar
bourgeois, aber nicht dumm -- im Gegensatz zu den obzitierten Beobachtern
wissen sie, daß eine Urwahl höchstwahrscheinlich das Ende ihrer Karrieren
bedeuten würde. Deswegen mahnen sie ihre Basis auch ständig zur Einigkeit.
Olaf Scholz wurde in Deutschland nicht gewählt. Nicht obwohl er der logische
neue Obmann gewesen wäre, sondern genau deswegen. Man hat die angefressene
Parteibasis komplett unterschätzt. Deren Aktive sind nicht alle so wie in
dem kolportierten Lenin-Wort, daß sie sich eine Bahnsteigkarte kaufen, und
sie sind auch nicht -- mit Erich Mühsam -- alle Lampenputzer. Trotz allem
erwarteten sie sich in der Mehrheit immer noch eine Parteiführung, die mit
dem Begriff "sozialistisch" etwas anfangen können.
Genau davor fürchten sich die Parteieliten hüben wie drüben. Und zwar zurecht.
*Bernhard Redl*
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Webtip: Der Kabarettist Jan Böhmermann, der schmähhalber seine Kandidatur
für den SPD-Vorsitz angekündigt hatte, hat in den letzten Wochen jeden
Montag eine Rede gehalten -- die ihm "eine profilierte Sozialdemokratin oder
ein profilierte Sozialdemokraten - von innerhalb oder außerhalb der SPD"
geschrieben habe. So gut wie jede der Reden ist großartig. Vor allem der
Ansatz "Niemand braucht die SPD" sei hier hervorzuheben -- "niemand" meint
hier nämlich im Sinne von Homers Odysseus oder dem Film "Fight Club" die
"Niemande", die die Partei brauchen. Die Reden findet man auf Youtube
gesammelt mit den Stichwörtern "#neustart19 Montagsreden".
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