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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Donnerstag, 5. Dezember 2019; 01:22
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Kapitalismus/Glosse:

> Der große Kahlschlag

Im Zuge der Debatte um Bestellungen von Vorstandsposten bei den spärlichen
Resten staatlicher oder zumindest teilstaatlicher Unternehmen taucht auch
immer wieder die Forderung nach weiteren Privatisierungen auf. *Leo
Furtlehner*, oberösterreichischer Landessprecher der KPÖ, hat sich deswegen
auf seinem Blog mit der Geschichte der Privatisierungen beschäftigt.
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Als am 11. Jänner 1986 am Linzer Hauptplatz 40.000 Menschen (und zeitgleich
15.000 in Leoben) für die Erhaltung der Verstaatlichten und Gemeinwirtschaft
demonstrierten war noch Hoffnung angesagt. Bundeskanzler Fred Sinowatz (SPÖ)
versuchte die durch schon lautstark kolportierte Privatisierungspläne
aufgebrachte Menge zu beschwichtigen. Tatsächlich war die SPÖ aber bereits
im Strudel des Neoliberalismus verfangen.

Auf den Punkt brachte die Privatisierungsbilanz der 14 Jahre später Rudolf
Streicher (SPÖ-Verstaatlichtenminister 1986-1992, ÖIAG-Chef 1999-2001):
"Unser Katechismus ist das Aktienrecht" (Arbeit & Wirtschaft, 9/2000).
Alfred Gusenbauer (SPÖ-Chef von 2000-2008, Bundeskanzler 2006-2008) ergänzte
treffend mit "Es wird keine Privatisierung rückgängig gemacht" (NZZ, 2002).
Und ÖGB-Präsident Fritz Verzetnitsch meinte "Die bisherigen
Privatisierungsschritte bei den verstaatlichten Unternehmen haben sich als
positiv erwiesen" (SK, 26.4.2000).

Grünen-Landesrat Rudolf Anschober (OÖ) konstatierte "In unserem Programm
steht, dass Teilprivatisierungen von öffentlichen Unternehmen kein Problem
sind" (Wirtschaftsblatt, 14.6.2007). Schon vor ihm hatte der damalige
Grünen-Chef und heutige Bundespräsident Alexander van der Bellen gemeint
"Die Grünen sind nicht grundsätzlich gegen Privatisierungen österreichischer
Staatsbetriebe" (APA, 14.3.2000).


Kernstück Verstaatlichte

Die Verstaatlichte war das Kernstück öffentlichen Eigentums, entstanden 1946
aus dem ehemaligen deutschen Eigentum als Konsequenz aus der Befreiung vom
Faschismus und der Gründung der 2. Republik. Ursprünglich vom Ministerium
für Vermögenssicherung und Wirtschaftsplanung, später durch das
Verkehrsministerium und das Bundeskanzleramt verwaltet, erfolgte aber
bereits 1967 die Auslagerung in die ÖIG, aus der dann 1971 die ÖIAG
entstand.

Dass im Avis zu Österreichs EG-Beitrittsansuchen von 1989 auch der hohe
Staatsanteil als Hindernis festgestellt wurde, schaffte die politische
Legitimation für das größte Privatisierungsprogramm der 2. Republik. Die
Übernahme neoliberaler Politikmuster unter dem Motto "Mehr privat, weniger
Staat" wurde nicht nur von der ÖVP, sondern auch von der SPÖ verinnerlicht,
nachdem sich die beiden Parteien ab 1986 zu einer großen Koalition zum
EU-konformen Umbau Österreichs zusammenfanden.


Am Prüfstand

Neben der verstaatlichten Industrie stand aber ab 1986 das öffentliche
Eigentum insgesamt auf dem Prüfstand. Das betraf sowohl direkt im
Staatseigentum stehende Unternehmen wie etwa die Post als auch das
Industrieimperium der staatlichen Banken Bank Austria und Creditanstalt und
auch der große öffentliche Sektor der Kommunalwirtschaft kam ins Schussfeld
der Privatisierer.

Einen Sonderfall stellt bis heute die Energiewirtschaft dar. Denn einen
vollen Ausverkauf dieses lukrativen Energiesektors hat bis heute nur das
1947 auf Initiative des damaligen KPÖ-Energieministers Karl Altmann
beschlossene zweite Verstaatlichtengesetz verhindert, das eine öffentliche
Mehrheit in der Stromwirtschaft verlangt und nur mit Zweidrittel-Mehrheit
aufgehoben werden kann. Und da hat sich bislang noch keine Regierung
drübergetraut, wenngleich die Privatisierung wie etwa beim Verbund oder
mehreren Landesenergiegesellschaften bis an die Grenze des Möglichen
ausgereizt wurde.


Diffizile Methoden

Die Methoden der Privatisierung waren oft sehr diffizil. Etwa beginnend mit
der Filetierung großer Unternehmen (VOEST, Chemie Linz, Post,
Steyr-Daimler-Puch) in für private Interessenten lukrative Häppchen. Eine
übliche Methode waren Börsegänge zur Kapitalerhöhung, bei welchen der Staat
nicht mitzog und damit zwangsläufig seinen Anteil verringerte. Teilweise
wurden Staatsunternehmen auch an geneigte Manager via Management-Buy-Out
verklopft oder an Günstlinge wie etwa Ex-Finanzminister Androsch (SPÖ)
verkauft.

Auslöser der Privatisierungswelle war die Stahlkrise Anfang der 1980er
Jahre. Denn bis dahin galt etwa die in den 70er Jahren zu einem Weltkonzern
ausgebaute Voest-Alpine als Kernstück der ÖIAG und agierte international
wirtschaftlich höchst erfolgreich. Bedingt durch die Neutralität Österreichs
wurden vor allem auch mit den realsozialistischen Ländern gute Geschäfte
gemacht, was die private westliche Konkurrenz enorm störte.

Die Verstaatlichung in den ersten Nachkriegsjahren war auch massiv der
Schwäche des österreichischen Privatkapitals geschuldet, wenngleich es
diesem gelang, die Weiterentwicklung der Verstaatlichten von der Grundstoff-
zur Finalindustrie zu verhindern und diesen Sektor als preisgünstigen
Zulieferer auszunutzen. Davon abgesehen nahm die Privatwirtschaft stets
massiven Einfluss auf die Staatsbetriebe, beginnend mit dem unseligen
Proporz, welcher SPÖ und ÖVP wichtige Posten im Management sicherte. Darüber
hinaus agierten Vasallen des Privatkapitals in Vorstand und Aufsichtsrat der
Unternehmen.


Zur Spekulation getrieben

Während westeuropäische Regierungen auch die private Stahlindustrie mit
Milliardenspritzen subventionierte, ließ die SPÖ-geführte Regierung in
Österreich die Verstaatlichte hängen. Als Ausweg versuchten Handelsfirmen
wie Intertrading (Voest) und Merxx (Chemie) mit Spekulationsgeschäften ihr
Glück, was letztlich aber in die Hose ging.

Die Verwaltung der Verstaatlichten wandelte sich von der ÖIAG - nach einem
Zwischenspiel als Austrian Industries - 2000 zur ÖBIB als
Beteiligungsverwaltung und 2019 zur ÖBAG als aktives Beteiligungsmanagement
für den kümmerlichen Rest (BIG 100, Post 52,85, Verbund 51, Casinos 33,24,
OMV 31,50, Telekom 28,42 Prozent). Als neoliberaler Hardliner stellte Peter
Michaelis, ÖIAG-Boss von 2001-2008 aber klar: "Völlig richtig, im Kern ist
die ÖIAG eine Privatisierungsagentur und hat sich darin bewährt" und weiter
"Ich bin generell der Meinung, dass alles privatisiert werden kann" (trend
7/2011).


Wer hat den Nutzen?

Bleibt die Frage: Cui bono? Die Auswirkungen waren letztlich gravierend,
freuen konnten sich durchwegs die neuen Eigentümer und Aktionäre, denen
günstig Staatseigentum zugeschanzt wurde, über satte Dividenden. Bei den
Jubelmeldungen der Staatsholding über Verkaufserlöse fehlte die
Gegenrechnung, was gleichzeitig der öffentlichen Hand verlorengegangen war.

Bis heute sind in einstigen Zentren der Verstaatlichten, etwa in der
Steiermark, die Auswirkungen auf Arbeitsplätze, Regional- und
Strukturpolitik spürbar. Ebenso wurde die Mitsprache der Betriebsräte massiv
zurückgedrängt und ging die Vorreiterrolle der Staatsbetriebe für soziale
Standards verloren. Und letztlich konnte als Ergebnis der Privatisierung
auch von einer aktiven Wirtschaftspolitik keine Rede mehr sein. Was freilich
der neoliberalen Philosophie entspricht, dass angeblich der Markt ohnehin
alles bestens regelt und politische Entscheidungen unerwünscht sind.
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Kasten:

> Neoliberale Chronik

Privatisierung öffentlichen Eigentums (B=Börsegang, T=Teilverkauf,
R=Restverkauf, MBO=Management-Buy-Out). Kein Anspruch auf Vollständigkeit.

1985: Semperit
1987: OMV (B), Steyr-Nutzfahrzeuge, Steyr-Kugellager
1988: Berndorf (MBO), AUA (B), Flughafen Wien (B), Steyrermühl, Verbund (B),
Petrochemie Danubia
1989: Caro-Enzesfeld, OMV (B), EVN (B)
1990: CL-Pharma, Schoeller-Bleckmann Medizintechnik, Austria Email, Agrolinz
Melamine International
1991: Bank Austria (T), Elin-Hausgeräte, Kabel & Draht
1992: VA-Eisenbahnsysteme (B), SGP-Verkehrstechnik (T)
1993: Industrie Logistik Linz, A.S.A. Abfall Service, Austria Micro Systems
(B), VA-Eisenbahnsysteme (B), SGP-Verkehrstechnik (R), Böhler Pneumatik
(MBO), DDSG-Cargo
1994: VA-Tech (B), Telekom (T), Mobilkom (T), AT&S, OMV (T), Austria Micro
Systems (R), VA-Eisenbahnsysteme (R), MCE
1995: Bernhard Steinel Werkzeugmaschinen, VA-Stahl (B), ÖSWAG,
VA-Intertrading, Böhler-Uddeholm (B), BAWAG (T), Steyrermühl, DDSG, Chemie
Linz, Maschinenfabrik Liezen, Schoeller-Bleckmann Oilfield Equipment, Weiler
Werkzeugmaschinen, Schoeller-Bleckmann Edelstahlrohr (MBO), OMV (T)
1996: WTK, Austria Faser, Salinen, OMV (B), AMAG, VAMED, Hirtenberger,
GIWOG, VA-Bergtechnik, VA-Stahl (T), Schoeller-Bleckmann Apparatetechnik
(MBO), Böhler Uddeholm (B), Böhler Wohnbau
1997: CA, Austria Tabak (B), Energie Steiermark (T), Salinen AG, Mobilkom
(T), Bank Austria (B)
1998: Steyr-Spezialfahrzeuge (MBO), Steyr-Daimler-Puch AG,
Steyr-Landmaschinentechnik, Steyr-Gießerei, Steyr-Antriebstechnik,
Dachstein, PCD, Bank Austria (T), Telekom (T)
1999: Austria Tabak (T), AUA (T)
2000: Bank Austria (T), PSK, Telekom (B), Flughafen (T), Staatsdruckerei
2001: Flughafen (T), VA-Stahl (T), Austria Tabak (R), Dorotheum,
Bundeswohnungen
2002: Strohal, voestalpine (T), Telekom (T), Postbus
2003: VA Tech (B), Postbus, voestalpine (T), Böhler Uddeholm (B)
2004: ÖIAG Bergbauholding (T), Telekom (B), VA-Erzberg
2005: VA Tech (R), voestalpine (R), Telekom
2006: Post (B), Telekom, BAWAG
2007: Energie AG (T)
2009: AUA
2015: Casinos Austria (T)


https://furtlehner.wordpress.com



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