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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 27. November 2019; 12:01
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Landwirtschaft/Kapitalismus:

> Offener Brief an die Mitglieder des Vereins "Arche Noah"

Der Verein Arche Noah hat es sich zur Aufgabe gemacht, alte
Nutzpflanzensorten, die durch agroindustrielles Saatgut vom Verschwinden
bedroht sind, für spätere Generationen zu bewahren. Allerdings sind einige
Mitglieder des Vereins nicht ganz glücklich über bestimmte Aktivitäten
leitender Funktionäre und schickten einen Protestbrief an alle anderen
Mitglieder, den wir hier (um Vereinsinterna gekürzt) wiedergeben:

*

Liebe Mitglieder, liebe Freundinnen und Freunde der Kulturpflanzenvielfalt!
Wussten Sie, dass Saatgut aus dem AN-Samenarchiv für privatwirtschaftlich
agierende Firmen und Konzerne bereitgestellt wird?

Die gesamte Buchweizensammlung, die gesamte Hirsesammlung und eine uns nicht
bekannte Anzahl von Bohnensorten wurden der Saatzucht Gleisdorf, deren
Mehrheitseigentümer der Raiffeisenkonzern ist, zur Verfügung gestellt.

Die Bestätigung dafür bekamen wir nicht etwa auf unsere zahlreichen
besorgten Nachfragen von den Verantwortlichen der Arche Noah, sondern durch
einen Zufallskontakt und Recherchen im Internet. Erst anschließend gestanden
die Geschäftsführung und MitarbeiterInnen die Saatgutherausgabe ein. Es ist
schlimmer als befürchtet: Die bedingungslose Abgabe von Pflanzenmaterial an
gewinnorientierte Züchtungsfirmen und die Annahme von Zuchtmaterial von
Züchtungsunternehmen sind offensichtlich gang und gäbe. Selbst von Firmen,
die Gentechnik befürworten, wird "Material" bezogen!

Hinzu kommt, dass der dazu notwendige Abgabevertrag (MTA) per
Vorstandsbeschluss bereits Anfang 2019 aufgehoben wurde, ohne dass bis heute
eine neue Regelung getroffen wurde. Das bedeutet, dass die bereitgestellten
Sorten nun ohne weiteres privatisiert werden können.

Was heißt das für das Arche Noah Erhaltungsnetzwerk?

Finden sich bei den sogenannten Sichtungen Sorten, die sich zur Zulassung
eignen, kann zum Beispiel der Raiffeisenkonzern sie als eigene Sorten
anmelden. Damit sind sie für den Saatguttausch und das Sortenhandbuch
verloren. Darüber hinaus kann die Firma daraus neue Sorten züchten und auf
diese Sortenschutz anmelden.

Diese Privatisierung unseres Saatguts, das wir für die Allgemeinheit seit
Jahrzehnten erhalten, widerspricht allen Grundsätzen, für die Arche Noah
steht.

Erst belächelt, .

Jahrzehntelang wurden wir belächelt und angefeindet - ein Netzwerk von
naiven Spinnern, die mit Sorten herumgärtnern, die sich nicht für den Markt
eignen. Es hieß sogar, dass wir mit der Vermehrung von minderwertigem,
krankem und unproduktivem Saatgut die Welternährung gefährden. (European
Seeds Association, Brüssel 2013)

. dann gekapert ...

Doch die Zeiten ändern sich. Die Saatgutindustrie steht mit dem Rücken zur
Wand, denn ihre Einheitssorten können sich nicht an die Klimaveränderung
anpassen. Und so wird unser vielfältiges Saatgut auf einmal interessant -
als Ersatzteillager für die vereinheitlichten Hochleistungssorten. Arche
Noah sollte diesen Schatz behüten, doch sie unterstützt und beliefert
Firmen, die aus unserem Vielfaltssaatgut, das sie "Genmaterial" nennen,
wieder nur Einheitssorten züchten! Die Zulassungskriterien für marktfähige
Sorten sind damals wie heute Uniformität und Ertragssteigerung. Das
Gemeinschaftseigentum der Mitglieder wird damit zweckwidrig verwendet und
für kommerzielle Zwecke veruntreut.

. und dann wieder belächelt!

Diesmal von Personen innerhalb der Arche Noah. Wieder geht es um
Welternährung und minderwertiges Saatgut, etwa wenn sich die Beteiligten für
das Verfehlen des Vereinszwecks zu rechtfertigen versuchen: "Wir erhalten
genetische Ressourcen nicht für einen elitären Kreis sondern für die
Gesellschaft und damit irgendjemand davon profitiert, müssen unsere Sorten
aus dem Archiv züchterisch bearbeitet werden, weil ansonsten der
Züchtungsrückstand immer weiter zunimmt und die faktische Anbaurelevanz
abnimmt."

Die ErhalterInnen sind ein elitärer Kreis. Aha! und gehören nicht zur
Gesellschaft? Seit wann sind hochgezüchtete Sorten ein anzustrebendes Ziel?
[...]

Auf dem Gelände der Saatzucht Gleisdorf wurden nach Auskunft der
Geschäftsführung auch Bohnensorten aus dem Arche Noah Archiv zu
Sichtungszwecken angebaut. Kann ausgeschlossen werden, dass das
großangelegte Bohnenprojekt, für das ca. 40.000 EUR Spendengelder gesammelt
wurden, damit etwas zu tun hat?

Saatgutpolitik: Arche Noahs Eigentor

Es zeichnet sich bereits ab, dass in den nächsten Jahren ein erneuter
Vorstoß für eine einheitliche und industriefreundliche
EU-Saatgutgesetzgebung unternommen wird. Der letzte Versuch konnte unter der
Federführung unseres Vereins erfolgreich abgewehrt werden. Wird sich die
Arche Noah in Zukunft wieder für Saatgutsouveränität einsetzen? Ist der
Verein in solchen Fragen noch glaubwürdig, wenn er Saatgutmultis und
Marktmonopolisten zuarbeitet?

Zur Geschichte der Arche Noah Sammlung

Peter Zipser und Beate Koller schreiben über die Sorten im Sortenhandbuch
(1999):

"Manche sind ja sehr alte Züchtungen, zudem trägt der Handel oft keineswegs
zur Verbreitung von Sorten bei (weil manche Sorten nur in wenigen Ländern
erhältlich sind) und schützt auch nicht vor dem Verschwinden (denn jährlich
werden viele ältere Sorten aus dem EU-Sortenkatalog gestrichen). Wir laden
Sie mit unserem neuen Arche Noah Sortenhandbuch im Namen aller
Erhalter/innen ein, aus Ihrem Garten auch ein Rettungsboot zu machen und
sich der Arche Noah anzuschließen."

Und zu den Sorten im Samenarchiv (1998):

"Der Verein Arche Noah unterhält zur zusätzlichen Absicherung der Sorten
auch ein Samenarchiv von rund 6000 Sorten und Herkünften. Diese Sorten
werden regelmäßig im Schaugarten zur Samengewinnung angebaut und werden an
Mitglieder und Interessenten weitergegeben, die sie im eigenen Garten
erhalten und nutzen wollen."

Das ist unsere Arche Noah. [...] Die Mitgliederversammlung am 14.Dezember
ist ein wichtiger Termin, bei dem es um viel geht - um unsere Sammlung in
all ihrer Vielfalt! [...]

*Florian Walter, Annette Hofmann, Monika Busch, Gerda Schmid, Michael
Zörrer, Rüdiger Stegemann und Barbara Hable*




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