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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Donnerstag, 14. November 2019; 03:18
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Letzte Worte:

> Niveau-Justiz

In Österreich hängt die Klagbarkeit einer Äußerung offensichtlich vom Niveau
des Beklagten ab. Nein, nicht vom Einkommensniveau, das wäre ja
Klassenjustiz und sowas gibt es doch in Österreich nicht, nein, sondern vom
Stil, den er für gewöhnlich pflegt.

Die Justiz hat etwas von einem Erziehungsberechtigten, der nur jenes seiner
Schäflein für strafenswert hält, von dem er sich noch etwas erwartet.
Tatsächlich wohnt dem Ansatz der Spezialprävention, wie ihn die Richter so
gerne zitieren, ja schon etwas Pädagogisches inne.

In der Praxis sieht das dann so aus: Im September wurde Karl Öllinger
verurteilt, weil er im Jänner ein Bild mit einer, nunja, sagen wir mal,
mißverständlichen Geste eines Burschenschafters auf Facebook mit den Worten
kommentierte: "Das sind die, die sich heute beim Burschi-, äh Akademikerball
der FPÖ versammeln. Zum Kotzen!"

Das Bürscherl, das nach eigenem Bekunden nur Schulfreunden hätte zuwinken
wollen, klagte. Das Gericht meinte, Öllinger habe zwar damit keinen
expliziten Vorwurf getätigt, aber mit dieser Aussage "zumindest den Verdacht
der Wiederbetätigung erweckt".

Von Michael Jeannée ist man hingegen Härteres gewohnt. Das sieht man auch
bei Gericht so. Denn als der Krone-Postler am 11.September meinte, sein
Schimpfwörterbuch benutzen zu müssen, um gleichermaßen über Peter Pilz und
Florian Klenk herzuziehen, worauf Klenk gerichtlich klagte, ließ die Justiz
Folgendes verlautbaren: "Aber auch die Begriffe, die zunächst tendenziell
als Tatsachenbehauptungen erscheinen mögen, jedenfalls nämlich die
Bezeichnungen als (allen voran:) 'Diffamierer', weiters 'Schmutzkübel- und
Anpatzerchef', 'Intrigant' versteht der Leser als kritische Werturteile,
schon deshalb, da der Leser ohne Weiteres die allgemein bekannte Kolumne des
Michael JEANNEE als Ausdruck der persönlichen Meinung des Autors bezüglich
der von ihm adressierten Personen erkennt, kurz, der Leser weiß, dass
JEANNEE regelmäßig Vorkommnisse bzw die darin involvierten Personen
(regelmäßig auch scharf) bewertet."

Will uns das Gericht damit sagen, daß der erfahrene Kroneleser es gewohnt
sei, daß Herr Jeannée den Anschein eines bedauernswerten Tourettepatienten
erweckt und ihm deswegen niemand böse sein resp. ihm einen Vorwurf machen
könne? Weil der ist halt so und der wird nimmer anders?

Auf alle Fälle wurde die Klage mit dieser Begründung abgewiesen. Irgendwo
erinnert das an jenes Urteil im Falle des ehemaligen Kärntner Landesrates
Dörfler und den verrückten Ortstafeln, wo sich der Landesrat zwar schon
einer rechtswidrigen Tat schuldig gemacht habe, wie das Gericht damals
urteilte, aber wegen seiner nicht vorhandenen juristischen Ausbildung nicht
haftbar gemacht werden könne. Weil er halt alles geglaubt hat, was ihm sein
Landeshauptmann Haider so erzählt hat.

Auch da stellte wohl das Gericht fest, daß es sich hier um einen
bemitleidenswerten Fall gehandelt habe, wo sowieso Hopfen und Malz verloren
ist.

Erstaunlich sind solche Urteile aber schon. Vor allem das in der Causa
Jeannée. Denn während früher recht leicht etwas als folgenlose "Wertung"
durchgegangen ist, ist in den letzten etwa zwanzig Jahren recht oft der
Begriff des "Wertungsexzesses" von den Gerichten bemüht worden, was man dann
als "Beleidigung" ahnden konnte. Beim Krone-Postler aber gilt das
offensichtlich nicht, weil der schreibt halt immer exzessiv.

Wer also ständig Blödsinn macht oder schreibt, der ist dann außer Obligo?
Muß ich mir merken! Aber ob das pädagogisch sinnhaft ist?
*Mario Czerny*



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