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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 30. Oktober 2019; 14:49
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Demokratie:
> Was begehrt das Volk?
Die derzeit Unterschriften sammelnden Volksbegehren sollte man sich genauer
ansehen.
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Momentan liegen beim Innenministerium 14 Volksbegehren zur Unterzeichnung im
Einleitungsverfahren auf -- trotz erleichterter Unterstützung durch
Online-Verfahren schaffen es viele nicht, die erforderliche Anzahl von
derzeit 8401 Erklärungen zusammenzubringen. Da die Sinnhaftigkeit von
Volksbegehren trotz Verbesserungen für eben dieses Volk nach wie vor nicht
ersichtlich ist, sind manche schon seit 2018 am Sammeln.
Nationales Grundeinkommen
Ein Volksbegehren, das es mittlerweile geschafft hat, in die finale
Eintragungswoche zu kommen, ist das über das bedingungslose Grundeinkommen,
eingebracht von einem Grazer namens Peter Hofer. Vom 18. bis zum 25.November
liegt es nun zur Unterzeichnung auf. Allerdings wird es von keiner der
anderen österreichischen Gruppen zum BGE unterstützt. Der Grund liegt in der
Formulierung des Volksbegehrens: "Es wird ein bedingungsloses Grundeinkommen
in der Höhe von 1200.- EUR für jede(n) österreichische(n) StaatsbürgerIn
durch eine bundesverfassungsgesetzliche Regelung angestrebt!" Und das ist
für die anderen Gruppen kontraproduktiv. Diese hätten jenes Volksbegehren
wohl gerne ignoriert, aber die mediale Berichterstattung ließ das nicht zu.
So berichtete orf.at, der "Verein Generation Grundeinkommen rund um Helmo
Pape" habe dieses Begehren initiiert. Daher brauchte es eine Klarstellung
auf deren Homepage: "Wir begrüßen grundsätzlich jede Initiative zu dem
Thema, werden diesen Antrag in seiner jetzigen Form jedoch nicht aktiv
unterstützen. Der Grund dafür ist die Koppelung der Auszahlung an die
Staatsbürgerschaft im von Herrn Peter Hofer beantragten Modell. Dies würde
1,4 Millionen Menschen in Österreich vom Bedingungslosen Grundeinkommen
ausschließen. Die Generation Grundeinkommen steht für die vier international
abgestimmten Kriterien: An alle, als Grundrecht, bedingungslos und hoch
genug."
Generation Grundeinkommen bastelt indes immer noch an einem eigenen
Volksbegehren. Dieses soll dem Vernehmen nach 2020 lanciert werden.
Andere Themen
Außerdem liegen an (zumindest am Inhalt gemessen) einigermassen
emanzipatorischen Projekten derzeit noch in der Einleitungsphase folgende
Volksbegehren auf:
- EURATOM-Ausstieg Österreichs (was als Revival des Volksbegehrens von 2011
angesehen werden kann. Dieses kam damals trotz Unterstützung durch alle neun
Landtage und drei Parlamentsparteien lediglich auf 98.678 Unterschriften.
Das jetzige VB wird wohl noch weniger erfolgreich sein, ist es doch
initiiert vom prinzipiellem EU-Gegner Robert Marschall.)
- Auch das Volksbegehren "Österreichs Neutralität wiederherstellen" stammt
von Marschall. Inhaltlich ist den Forderungen nach Abzug aller
österreichischen Soldaten aus dem Ausland wie dem Präsenzverbot für
ausländische Soldaten in Österreich und dem Austritt aus NATO-Partnerschaft
und PESCO Einiges abzugewinnen. Das sind ja auch Forderungen von Gruppen wie
der Solidarwerkstatt. Allerdings betreibt Marschall auch die Volksbegehren
zur Abschaffung der Autobahnmaut und der Wiedereinführung eines lückenlosen
Grenzkontrollregimes -- der Kontext dieser VB ist also wohl kaum ein
fortschrittlicher.
- Das Volksbegehren "Ethik für ALLE" der gleichnamigen Initiative von Eytan
Reif ist hingegen unproblematisch. Unter anderem fordert das VB einen
Ethikunterricht, der nicht als Ersatzreligionsunterricht geführt werden
solle und auch nicht von Religionslehrern gehalten werden dürfe. Unterstützt
wird diese Initiative auch von Gruppen und Einzelpersonen aus dem Grün- und
SP-Bereich.
- Eher vage und ohne konkrete Forderungen kommt das Klimavolksbegehren
daher. Die Formulierungen zeugen auch wenig von einem globalen Verständnis
des Problems und tendieren zum Nationalistischen: "Wir müssen Österreich vor
drohenden Milliardenkosten, Artensterben und Gesundheitsgefahren bewahren.
Unsere Kinder verdienen eine lebenswerte Heimat." Die Klima-Insel der
Seligen? Initiiert wurde das VB von einer privaten Initiative aus
Niederösterreich. Deren Site listet eine ganze Reihe an prominenten
Unterstützern auf, wo sich allerdings der Verdacht aufdrängt, daß viele
davon den Text des Begehrens nicht gelesen haben dürften.
- Ähnlich unkonkret ist das "Tierschutzvolksbegehren": "Um Tierleid zu
beenden und Alternativen zu fördern, verlangen wir (verfassungs-)gesetzliche
Änderungen vom Bundesgesetzgeber." Welche das wären, bleibt im Nebulosen.
Auf deren Homepage gibt es dann allerdings Konkreteres -- so werden
Kennzeichnungspflichten und Gesetzesverschärfungen bei der Fleischproduktion
gefordert. Betrieben wird das VB von Sebastian Bohrn Mena, einem ehemaligen
Mitarbeiter bei SPÖ und Liste Pilz.
- Das VB "STOP DER PROZESSKOSTENEXPLOSION" ist trotz des Rechtschreibfehlers
im Titel nicht uninteressant. Inhaltlich geht es darum, daß der Rechtszugang
nicht davon abhängen darf, ob man sich einen Anwalt leisten kann. Auch die
Forderung "Ersatz der Verteidigerkosten bei Freispruch im Strafverfahren"
ist vor allem im Lichte der Debatte um den Tierschützer-Prozeß auch für eine
breitere Öffentlichkeit relevant. Initiiert wird das Begehren vom
umtriebigen Steirer Martin Wabl, ehemaliger Richter und Politiker (sowohl
für die SPÖ als auch für die Grünen) und auch schon mal Kandidat der
Christlichen Partei Österreichs.
- Das Volksbegehren "Weniger Fluglärm" klingt ja nicht schlecht: "Wir
fordern ein generelles Nachtflugverbot für Österreich von 22 bis 6 Uhr, die
Einführung der Mineralölsteuerpflicht auf Luftfahrtbetriebsstoffe
(Flugbenzin), sowie eine Umsatzsteuerpflicht auf Flugtickets und
Flugbenzin." Blöd nur, das es halt auch eines der vielen Volksbegehren von
Robert Marschall ist.
- Unterstützenswert ist wohl das Notstandshilfe-Volksbegehren. Die private
Initiative wird auch von SPÖ und KPÖ beworben. Hier wird gegen die geplant
gewesene Änderung der letzten Regierung, die Notstandshilfe auf ein
Hartz-IV-Modell umzustellen, mobilisiert. Diese Pläne liegen zwar derzeit
auf Eis, aber die nächste Regierung könnte sehr wohl wieder sich dafür
erwärmen. Gefordert wird daher von der Initiative, die Notstandshilfe
präventiv in der Verfassung abzusichern.
- Auch das Volksbegehren für ein "Faires Wahlrecht" ist inhaltlich sicher
nicht uninteressant. Hier wird die Streichung der 4%-Klausel bei
Nationalratswahlen gefordert. Das könnte beispielsweise auch die KPÖ
unterstützen. Nur leider ist es halt schon wieder der Marschall.
Resümee
In Österreich begehrt selten "das Volk". Denn dieses ist es gewohnt, regiert
zu werden und hat zumeist keine große Lust, sich bei
Alibi-Partizipationsveranstaltungen zu engagieren. Frei nach Kästners: "Nie
darfst du so tief sinken, von dem Kakao, durch den man dich zieht, auch noch
zu trinken."
In vielen Fällen geht es so halt den Initianten nur darum, eigenes Profil zu
schärfen. Da hierzulande Volksbegehren weniger als inhaltliche Forderungen
angesehen werden sondern eher als Unterstützung der jeweiligen Initianten,
ist das leider auch die einzige Ebene, auf der diese Begehren irgendeinen
Nutzen haben.
Als ehrenwertes Motiv gibt es allerdings noch die Hoffnung, tatsächlich
Aufmerksamkeit für ein Thema zu schaffen. Deswegen sind auch viele
Volksbegehren völlig unkonkret. Das führt zwar dazu, das kaum wer was gegen
sie haben kann, aber halt auch nur Gefühle angesprochen werden, anstatt
Tacheles zu reden. Und bei aller "Politik der Gefühle" ist das halt den
meisten prinzipiell Unterstützungswilligen zu wenig, weswegen viele
Volksbegehren schon an der Einleitungshürde scheitern. Wobei man sagen muß,
daß das in vielen Fällen auch ganz gut so ist.
Das Institut des Volksbegehrens indes harrt immer noch einer prinzipiellen
Reform. So wie es jetzt ist, ist es nur lächerlich.
*Bernhard Redl*
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