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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 16. Oktober 2019; 18:28
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Kommentierte Presseschau
> Noch mehr schwarze Sheriffs in Wien
"Wenn man künftig gebeten wird, von der Bahnsteigkante zurückzutreten,
sollte man das besser tun - sonst droht eine Festnahme. Wie die Wiener
Linien nun bekannt gaben, dürfen ihre Security-Mitarbeiter nämlich ab sofort
auch Festnahmen durchführen." So berichtet es der Kurier. Das ist richtig
und falsch zugleich. Richtig ist, die Securities dürfen Festnahmen
durchführen. Falsch ist, daß das neu wäre.
Die Wiener Linien berufen sich nämlich auf das Eisenbahngesetz 1957, §30
(3). Und der Paragraph gilt nicht seit eben erst, sondern seit 2006 -- also
der Regierung Schüssel II. Neu ist lediglich, daß die Wiener Linien, wohl im
Rathaus-Auftrag, diese Befugnisse jetzt breit verlautbaren lassen. Es
wundert einen, daß es noch kein Pressephoto gibt, wo die zuständige
Stadträtin Sima einen Pfefferspray in der Hand hält. Damit sind die
Securities nämlich auch ausgerüstet worden.
Das Problem liegt woanders. Nochmal der Kurier: "Die Wiener Linien
verstärken seit Jahren die Sicherheitsvorkehrungen in ihren U-Bahn bzw. Bus-
und Bim-Stationen. Seit dem Jahr 2007 wurden alle 109 U-Bahn-Stationen mit
Überwachungskameras ausgestattet. In allen Fahrzeugen der Verkehrsbetriebe
zeichnen 13.000 Kameras das Geschehen auf. Nach 48 Stunden werden die Videos
automatisch gelöscht. Im Jahr 2019 will man noch zusätzliche 800.000 Euro in
Aufrüstung der Überwachungssysteme in Fahrzeugen und Gebäuden investieren.
Die Securitys in den Stationen sind im Gegensatz zu der Videoüberwachung
relativ neu: Die ersten 22 Mitarbeiter sind seit knapp zwei Jahren
unterwegs. In dieser Zeit wurde die Truppe auf 120 Männer und Frauen
aufgestockt."
Mit anderen Worten: Bis vor kurzem gab es solche, wie es im Gesetz heißt,
"Eisenbahnaufsichtsorgane" in der Wiener U-Bahn gar nicht -- das wurde
bislang von Fahrdienstleitungen und Schwarzkapplern einfach miterledigt.
Es zeigt sich hier ein Trend -- nicht nur in Wien, aber hier ganz
besonders -- hin zur Securitisierung des öffentlichen und halböffentlichen
Raums. In der U-Bahn von einer Kamera überwacht zu werden, wäre vor 20
Jahren noch undenkbar gewesen. Oder daß in der Uni schwarze Sheriffs
herumlaufen. Oder daß Soldaten Polizeiaufgaben übernehmen -- und das nicht
nur an der Grenze sondern eben mitten in Wien. Von den diversen privaten
Wachschützern einmal ganz abgesehen, deren Business ganz gehörig boomt.
Das hat was mit generellen Trends zu tun, aber auch mit dem Erbe eben dieser
Schüsselregierungen. Gerade die Stadt Wien hat sich immer fürchterlich
darüber beschwert, daß mit den Polizeireformen Innenminister Strassers
zuwenige Polizisten auf der Straße wären. Schwarzblau im Landtag hat
daraufhin als Antwort immer wieder eine Landespolizei gefordert. Das wurde
von der Sozialdemokratie zwar immer wieder abgeschmettert, aber mit der
Einführung dieser U-Bahn-Cops kommt man dieser Forderung schon ziemlich
nahe.
Für die generelle Security-Flut und die Soldaten kann das Rathaus nichts --
für die Öffikibarei aber eben schon. Daß die Wiener SPÖ nie ein Problem
hatte mit zuvielen Hütern dessen, was so unter Ordnung verstanden wird, ist
ja nicht neu. Doch diese Öffi-Sheriffs sind erst in der Rot-Grün-Phase
installiert worden. Der Kurier zitiert den frischgebackenen Grün-Gemeinderat
Niki Kunrath, der meint, er wolle sich das mit dem Festnahme-Recht schon
noch genauer ansehen: "Es hat einen guten Grund, warum wer welche Befugnisse
hat. Freiheitsberaubung ist ein besonders sensibler Bereich". Das ist gut,
daß er das sagt, danke dafür. Nur, eben, das steht halt so im
Eisenbahngesetz, das eine Bundesangelegenheit ist. Wenn man das nicht will,
muß man die Truppe wieder abschaffen und den jetzigen U-Bahn-Cops andere
Aufgaben im Bereich der Stadt Wien geben. Aber das wird halt kaum ein Thema
bei den nächsten Koalitionsverhandlungen in Wien werden, die 2020 anstehen.
Auch deswegen wird der Trend hin zu noch mehr seltsamen Hilfspolizisten
anhalten. Als ob die richtige Polizei nicht schon schlimm genug wäre.
-br-
https://kurier.at/chronik/wien/kritik-an-der-der-lizenz-zum-festnehmen-bei-den-wiener-linien/400645772
https://wien.orf.at/stories/3016778/
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