**********************************************************
akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 9. Oktober 2019; 19:34
**********************************************************

Waehlerstroeme:

> Die Rechten haben verloren

WählerInnenströme zwischen den politischen Lagern

Alle am Wahlabend und an den Tagen danach publizierten Analysen der
WählerInnenströme bezogen sich auf die einzelnen Parteien und nicht auf die
beiden großen Lager Links-Grün einerseits und Rechts andererseits. Die
nachstehende Tabelle schließt diese Lücke, wobei sie die Neos als
potentiellen Partner einer derzeit (noch?) nicht möglichen links-liberalen
Regierungskoalition gesondert darstellt. Sie zeigt, wie sich die innen- und
weltpolitischen Entwicklungen der beiden letzten Jahre auf Volumen und
Struktur der großen WählerInnengruppen ausgewirkt haben. Da die von SORA
publizierte Analyse bereits am Wahlabend erstellt wurde, enthält sie die
Wahlkartenwähler nur als Schätzung. Mit dieser Ungenauigkeit sind daher auch
die folgenden Zahlen behaftet.

Zunächst zur Veränderung des Volumens der beiden politischen Lager: Hier
zeigt die Tabelle eine ganz leichte Zunahme von Links-Grün (von 37% auf
39%). Zusammen mit dem etwas stärkeren Zuwachs der Neos (von 5% auf 8%)
ergibt das ein Anwachsen des links-liberalen Gesamtlagers (Links+Grün+Neos)
von 42% auf 47%. Komplementär dazu ist der Gesamtanteil des Rechtslagers von
57% auf 53% zurückgegangen. Zwei Jahre Erfahrung mit einer
rechtspopulistischen Regierungspolitik gewürzt mit zahllosen Einzelfällen
und zwei Skandalen (Ibiza und Spesen) haben also dazu geführt, dass der
Vorsprung der rechtspopulistischen Regierungskoalition vor dem
links-liberalen Gesamtlager sehr deutlich geschrumpft ist (von rund 15 auf
rund 6 Prozentpunkte).

Bezieht man auch die jeweiligen NichtwählerInnen in die Betrachtung ein,
dann ist zu erkennen, dass dieses 'dritte' Lager seit 2017 deutlich größer
wurde (Anstieg von 21% auf 25% aller Wahlberechtigten). Die Analyse der
WählerInnenströme beweist, dass sich der Zuwachs jener Gruppe von
(vorübergehend?) Resignierten/Uninteressierten vor allem aus dem
WählerInnenreservoir des rechtspopulistischen Lagers speist: von den
Rechts-Wählern des Jahres 2017 gaben 2019 gut 280.000 keine Stimme ab,
während sich von den Links-Grün-WählerInnen des Jahres 2017 nicht einmal
halb so viele (137.000) der Stimme enthielten. Parallel dazu gelang der
Regierungskoalition im Vergleich zum Links-Grün-Lager auch nur eine
schwächere Mobilisierung ehemaliger Nichtwähler (38.000 gegenüber 88.000).
Der Zuwachs des Lagers der NichtwählerInnen ist also wohl eher ein Effekt
der Enttäuschung über die Regierungspolitik (plus Einzelfälle und Skandale)
als Resultat einer Enttäuschung über das Verhalten der Opposition.

Und nun zum Wechsel der WählerInnen zwischen den politischen Lagern. Hier
erkennt man zwischen den beiden großen Gruppen von WählerInnen (Links-Grün
und Rechts) nur relativ geringe Wanderungsbewegungen: Von den rund 2,9
millionen RechtswählerInnen des Jahre 2017 wählten bei der aktuellen Wahl
162.000 (das sind knapp 6%) links-grün, während von den rund 1,9 millionen
Links-Grün-WählerInnen zuletzt 139.000 (das sind gut 7%) rechts wählten. Die
Gegenrechnung beider Ströme ergibt einen ganz kleinen Gewinn des
Links-Grün-Lagers (plus 23.000). Es gelang also der links-grünen Opposition
nur in sehr geringem Maße, Wähler des rechtspopulistischen Lagers direkt auf
ihre Seite zu ziehen.

Viel größere Bedeutung haben die WählerInnenströme innerhalb der liberalen
Zone des Links-liberalen WählerInnenpotentials: Von den gut 370.000
WählerInnen der Neos im Jahr 2019 kommen 111.000 aus dem Rechtslager des
Jahre 2017 und 98.000 aus dem vormaligen Links-Grün-Lager. Zugleich musste
man nur 6.000 WählerInnen an das Rechtslager abgeben, während aber 96.000
Wählerinnen nach Links-Grün hin abflossen. Bei einer Gegenrechnung dieser
Zu- und Abflüsse bleibt den Neos vom WählerInnenstrom innerhalb des gesamten
linksliberalen Lagers ein minimales Plus von nur 2.000 WählerInnen, während
sie aus dem WählerInnenaustausch mit dem Rechtslager als großer Sieger
aussteigen. Das diesbezügliche Plus liegt hier bei 105.000 WählerInnen, was
28% des gesamten aktuellen Stimmvolumens der Neos entspricht. Es ist dies
wohl der Preis, den die ÖVP für ihre unter Kurz vollzogene
rechtspopulistische Wende an das liberale Lager zahlen musste.
*Karl Czasny*


Tabellen siehe Anhang

Lesebeispiel für die große Tabelle: 147.000 Neos-WählerInnen des Jahres 2017
wählten auch 2019 wieder Neos. 96.000 Neos-WählerInnen des Jahres 2017
wählten 2019 Links-Grün, 6.000 wählten Rechts und 20.000 wählten nicht.



Erläuterung: Links-Grün: SPÖ+Grüne+Jetzt+Sonstige / Rechts: ÖVP+FPÖ
Datenbasis: Erste WählerInnenstromanalyse von SORA; WahlkartenwählerInnen
sind darin nur als Schätzung enthalten.


***************************************************
Der akin-pd ist die elektronische Teilwiedergabe der nichtkommerziellen
Wiener Wochenzeitung 'akin'. Texte im akin-pd muessen aber nicht
wortidentisch mit den in der Papierausgabe veroeffentlichten sein. Nachdruck
von Eigenbeitraegen mit Quellenangabe erbeten. Namentlich gezeichnete
Beitraege stehen in der Verantwortung der VerfasserInnen. Ein Nachdruck von
Texten mit anderem Copyright als dem unseren sagt nichts ueber eine
anderweitige Verfuegungsberechtigung aus. Der akin-pd wird nur als
Abonnement verschickt. Wer versehentlich in den Verteiler geraten ist, kann
den akin-pd per formlosen Mail an akin.redaktion@gmx.at abbestellen.


*************************************************
'akin - aktuelle informationen'
postadresse a-1170 wien, lobenhauerngasse 35/2
redaktionsadresse: dreyhausenstraße 3, kellerlokal, 1140
vox: 0665 65 20 70 92
http://akin.mediaweb.at
blog: https://akinmagazin.wordpress.com/
facebook: https://www.facebook.com/akin.magazin
mail: akin.redaktion@gmx.at
bankverbindung lautend auf: föj/BfS,
bank austria, zweck: akin
IBAN AT041200022310297600
BIC: BKAUATWW