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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 9. Oktober 2019; 19:44
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Glosse/SPÖ:

> Wiederholung statt Wiedergeburt

Die SPÖ bleibt sich treu

Der aufmüpfige Teil der SPÖ-Funktionärsbasis dreht schon wiedermal einen
Film. "Hainfeld 2 -- die Wiedergeburt" dürfte der Arbeitstitel sein. Aber zu
befürchten steht, daß es wieder nur ein Remake wird. Weil: Wieviele
Versuche, die SPÖ zu reformieren, hatten wir denn bereits?

Noch in der Kreisky-Ära gründete sich die "Initiative für eine
sozialistische Politik der SPÖ" (ISP) -- damals ging es noch darum, aus den
Siegen der SPÖ etwas zu machen, damit Österreich sozialistischer wird. Von
1992, als die SPÖ noch locker den Kanzleranspruch stellen konnte, stammt der
noch heute existente "Funke". Danach gab es eine Reihe von Initiativen, die
vor allem durch den Niedergang der Sozialdemokratie bei Wahlen entstanden,
wie etwa 2009 die "SPÖ-Linke" oder 2016 die "Initiative Kompass". Oder auch
2008 einen "Offenen Brief der roten ugendorganisationen an das
Koalitionsverhandlungsteam", wo SJÖ, VSStÖ, aks, Junge Generation und
FSG-Jugend die sozialdemokratischen Verhandler aufforderten, sich von der
ÖVP nicht über den Tisch ziehen zu lassen.

Die nämlichen Organisationen haben jetzt wieder so einen Offenen Brief
verfaßt -- mit so ziemlich dem gleichen Inhalt: "Wir müssen nicht nur
inhaltliche Schärfe sondern auch Glaubwürdigkeit gewinnen. Beim Gespräch
auf der Straße kam oftmals der Vorwand: 'ihr wart jahrelang in der
Regierung, warum habt's das nicht umgesetzt?' Zu oft hat sich die
Sozialdemokratie bereits in eine Regierung begeben, in der es das
Hauptziel der ÖVP war, jeglichen progressiven Vorstoß
zu verhindern. ... Politische Glaubwürdigkeit heißt, die Forderungen, die
man im Wahlkampf stellt, auch Wochen später noch zu stellen. Es lohnt sich
nicht, die eigenen Forderungen über Bord zu werfen, nur um eine
Regierungsbeteiligung zu ermöglichen." Und außerdem wolle man einen
"Reformparteitag Anfang 2020".

Das ist der jetzigen Parteiführung sicher sehr willkommen, denn damit kommen
sie um die immer häufiger geforderte "Neugründung" der SPÖ herum. Sprich:
Sie können weitermachen wie bisher und auf bessere Zeiten hoffen, wenn der
Stern des Gesalbten verglüht sein wird.

Allerdings: "Neugründung", ein "zweites Hainfeld", was soll das sein? Will
man die gesamte Parteispitze auffordern, ihre eigene Demontage zu
organisieren? Ernsthaft? Selbst wenn die dazu bereit wären: Man kann eine
Partei nicht neugründen, wenn sie noch existiert. Man kann nur massenhaft
kollektiv austreten und mit anderen heimatlosen Linken eine wirklich neue
Partei gründen. Das bräuchte aber auch das Mitziehen von Promis und
Abgeordneten der Partei -- die allerdings haben etwas zu verlieren und
werden wohl höchstens die Unzufriedenen mit guten Wünschen für die Zukunft
davonziehen lassen. Und an chancenlosen linken Parteien herrscht in
Österreich ja wahrlich kein Mangel -- die SPÖ-Neugründer wären dann sicher
sehr willkommen in der Welt von KPÖ, SLP und Wandel. Ohne einer
Gallionsfigur -- wie in Deutschland die WASG mit Oskar Lafontaine -- gehts
nicht. Und die WASG wurde gegründet in der Phase, wo die SPD sehr stark war
und die Republik regierte, aber inhaltlich unter Schröder völlig korrumpiert
war. Des weiteren konnte sich die WASG an die PDS aus der Ex-DDR hängen und
so bei der nächsten Wahl punkten. Alles keine Parameter, die heute für die
SPÖ-Neugründer gegeben wären -- außer vielleicht die Möglichkeit, mit der
steirischen KPÖ zu kooperieren, aber das trauen sie sicher auch nicht.

Sprich: Entweder zieht ein Großteil der inhaltlich mit der Partei
Unzufriedenen inclusive der Spitzenleute konsequent aus dem großen
Familenhaus aus und baut sich ein neues oder es wird keine Neugründung
geben.

Aber so ernst meint es ja eh niemand in der SPÖ mit der "Neugründung",
sondern man will mit dem gleichen Spitzenpersonal und dem selben
Parteiprogramm und den angestammten Lokalstrukturen einfach nur sich
irgendwie "neu" machen. Also wirds sicher 2020 einen ganz tollen
Reformparteitag geben, wo der gesamte Vorstand mit so etwa 90% der
Delegiertenstimmen wiedergewählt wird. Es wird da sehr viel gejubelt werden,
aber man führt dann auch ganz ernsthafte Diskussionen. Einige "vernünftige",
weil harmlose Anträge von den Jugendorganisationen werden beschlossen werden
und einige ernsthafte niedergestimmt. Und am Schluß gibts eine Party nach
dem Motto: "Gut, daß wir mal darüber geredet haben!"

Was will man? Sind halt Sozialdemokraten.
*Bernhard Redl*
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Der erwähnte aktuelle Protestbrief ist auf der Facebook-Seite "So geht es
nicht weiter! | Sozialdemokratie wieder aufbauen!" aufrufbar.


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