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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Donnerstag, 29. August 2019; 02:45
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Wien/Verkehr:

Die drei großen Unbekannten


Ein Verkehrsquiz der Stadt Schilda


Manche Verkehrszeichen führen ein unbedanktes Schattendasein. In der StVO
sind sie angeführt, bei Autofahrkursen werden sie bisweilen erwähnt, aber
kennen tut sie kaum jemand -- vor allem nicht in Wien. Zufälligerweise
handelt es sich dabei immer um Zeichen, in denen es um die Verbesserung der
Rechte der nichtmotorisierten Verkehrsteilnehmer geht. Daher zum besseren
Verständnis hier eine alternative schriftliche Führerscheinprüfung:

1) Ein blaues Rechteck mit weißen Figuren, einem weißen Punkt, einem weißen
Hauserl und einer weißen Autovorderansicht. Was bedeutet das?

a) Straße, in der sich jeder aufführen kann, wie er will.
b) Vorsicht, spielende Kinder!
c) Begegnungszone.

2) Ein weißes Quadrat mit einem blauen Kreis und darin einem weißen
Fahrradsymbol, Zusatzinschrift "Fahrradstraße". Was könnte das wohl sein?

a) Straße, auf der Fahrräder erlaubt sind.
b) Mittelding zwischen Radweg und Autostraße.
c) Straße, auf der man radfahrende Kinder unter 12 nicht niederführen darf.

3) Ein blaues Quadrat mit einem weißen Fahrradsymbol. Was ist denn das schon
wieder?

a) Radweg.
b) Radweg?
c) Zulässige alternative Darstellung des Verkehrszeichens "Radweg", wenn der
Kommunalverwaltung die runden Schilder ausgegangen sind.


Die Auflösung

Natürlich sind sämtliche Antwortmöglichkeiten formal falsch. Allerdings
kommen sie wohl den meisten Autofahrern -- und vielen nichtmotorisierten
Verkehrsteilnehmern -- als mögliche richtige Antworten vor. Nur kennt die
StVO halt keine gefühlten Interpretationen von Verkehrszeichen. Es gibt hier
keine intuitive Straßenbenützerführung, sondern nur Vorschriften. Hier die
richtigen Vorstellungen der Unbekannten:


1) Das Ignorierte


Das Symbol "Wohnstraße" sollte mittlerweile eigentlich bekannt sein. Es
steht seit 1983 in der hiesigen StVO. Noch in den späten 90ern mußte man es
allerdings sogar Polizisten erklären, wenn die einen abmahnen wollten, weil
man "den Verkehr" -- damit ist natürlich der Autoverkehr gemeint --
behindere. Die meisten Autofahrer verstehen das Symbol aber immer noch als
Verkehrszeichen für "Schleichweg" oder gar "Abkürzung", durch die man mit 50
Sachen brettern darf.

Tatsächlich handelt es sich um eine Verkehrsfläche in der man erstens nicht
schneller als mit Schrittgeschwindigkeit unterwegs sein und zweitens als
Motorisierter auch nicht durchfahren darf. Lediglich Zu- und Abfahrten sind
erlaubt, sprich: Man muß zumindest glaubwürdig auf der Suche nach einem
Parkplatz in dieser Straße sein, um überhaupt einfahren zu dürfen. Und
dieser Autoverkehr darf von anderen Personen auch noch behindert werden --
einzige Einschränkung: Das darf "nicht mutwillig" passieren (StVO §76b). Und
für Fahrräder gilt da die Einbahnverordnung nicht (§7, Abs.5).
Ein Tip fürs Finanzressort: Nebenbei könnten die Wohnstraßen auch zur
Budgetsanierung genutzt werden. An manchen dieser Straßen könnte man kaum so
schnell Strafen einkassieren wie Verwaltungsübertretungen begangen werden.


2) Das Ungenutzte

Laut Wiener Rathaus gibt es seit der grünen Regierungsbeteiligung in dieser
Stadt mittlerweile ein paar "Fahrradstraßen". 2012 eröffnete Maria
Vassilakou mit großem Pressetrara mit der Ottakringer Hasnerstraße die erste
davon. Pardon, es war "Wiens erste fahrradfreundliche Strasse" -- denn der
Rechtsbegriff der "Fahrradstraße" kam erst mit der Novelle 2013 in die
Straßenverkehrsordnung. Seither gilt die Hasnerstraße im Sprachgebrauch als
"Fahrradstraße".

Realität wie Rechtssituation sehen aber anders aus. Da werden riesengroße
Fahrradsymbole auf den Asphalt gepinselt, die den Autofahrern eindrücklich
näherbringen sollen, daß das hier nicht ihr Hauptrevier sei. Was aber nichts
nützt -- die Hasnerstraße ist längst wieder vom Autoverkehr zurückerobert.
Hie und da ist eine Kreuzung zwar abgepollert, aber das ist zu selten, um
dem Autoverkehr in die Schranken zu weisen. Die Hernalser Rötzergasse
hingegen ist derzeit überhaupt eine Autodurchzugsstraße, weil man halt
erkannt hat, daß diese Fahrradstraßen ideale Reserveflächen sind, wenn man
mal eine Umleitung braucht. Deswegen hat man wohl in der Rötzergasse gleich
von Anfang an auf Poller verzichtet.

Aber das ist nur konsequent. Denn die Fahrradstraßen sind nämlich gar keine.
Denn es gilt: "In einer solchen Fahrradstraße ist außer dem Fahrradverkehr
jeder Fahrzeugverkehr verboten; ausgenommen davon ist das Befahren mit den
in §76a Abs.5 genannten Fahrzeugen [d.s. Einsatzfahrzeuge, Müllabfuhr. u.ä.,
Anm. akin] sowie das Befahren zum Zweck des Zu- und Abfahrens. [...] Die
Lenker von Fahrzeugen dürfen in Fahrradstraßen nicht schneller als 30 km/h
fahren. Radfahrer dürfen weder gefährdet noch behindert werden."

Aber nur wo "Fahrradstraße" draufsteht, ist nach dem Gesetz auch
Fahrradstraße drin. Das wird wohl der Grund sein, warum man das Schild
"Fahrradstraße" nirgendwo sieht. (Zumindest hat es der Autor dieser Zeilen
in Wien noch nie gesehen. Man korrigiere mich, wenn es jemand wo entdecken
sollte.)


3) Das Rätselhafte

Generell gilt: Radwege sind benützungspflichtig. Das hat seit den 1980ern
dazu geführt, daß vor allem in Wien massiv Radwege "gebaut" worden sind,
weil die SPÖ erkannt hatte, daß sie damit den anwachsenden Radverkehr von
der Fahrbahn auf umgepinselte Gehsteige zwingen kann. Auf jahrelangen Druck
von Verkehrsinitiativen wurde daher ebenfalls mit der Novelle 2013 in die
StVO eine Bestimmung eingeführt, daß es auch nichtbenützungspflichtige
Radwege geben könne.

Das wars dann aber schon. Gebrauch wurde von dieser Bestimmung kaum gemacht.
Nun verkündete die neue grüne Wiener Vizebürgermeisterin, daß erstmals die
Argentinierstraße zum ersten nichtbenützungspflichtigen Radweg erklärt
wurde. Ein Augenschein auf der Argentinierstraße kurz danach ergab: Trotzdem
fahren diesen Sommer immer noch so gut wie alle auf dem -- derzeit auch oft
recht überfüllten -- Radweg. Und das tun die meisten wahrscheinlich nicht,
weil sie sich dort sicherer fühlen, sondern weil sie schlicht keine Ahnung
haben, daß ein Radwegsymbol, das nicht rund, sondern eckig ist, bedeutet,
daß es sich dabei um die Aufhebung der Benützungspflicht handelt. Denn
blaue, viereckige Symbole sind eben keine Gebots- sondern Hinweis- und
Schutzzeichen.

Aber vielleicht sollte man dieses Symbol besser gar nicht erklären. Weil:
Wenn man das tut, dann wissen ja die Radfahrer um ihr Recht, die Fahrbahn
benutzen -- und damit die armen, geplagten Autofahrer noch mehr ärgern -- zu
dürfen, und die Folge wäre, daß die Argentinierstraße nicht nur der erste,
sondern auch der letzte "nichtbenützungspflichtige Radweg" bleiben würde.
Nach dem Motto: Was der Radfahrer nicht weiß, macht den Autofahrer nicht
heiß.


Bonusschild: Das Illegale

In Wien werden immer mehr Einbahnstraßen mit Ausnahmen für den
Fahrradverkehr definiert. Das ist ja recht schön. Weniger schön, sind die
heute üblichen Schilder. Seit einem Jahr spart man nämlich an den
Zusatztafeln und schreibt dieses "AUSGEN" + Fahrradsymbol mit einer dünnen
weißen Schrift in das Einfahrt-verboten-Schild hinein. Das wirkt zwar sehr
hip, ist aber auf die Distanz und bei schlechten Lichtverhältnissen kaum zu
erkennen. Und nein, es ist auch nicht StVO-konform, denn das Gesetz schreibt
echte Zusatztafeln vor. Das ist auch gut so, weil die sind von Weitem
lesbar. Vor allem blöd ist das nämlich, wenn man mit dem Fahrrad auf einer
anscheinend so gedachten Route durch mehrere Ausnahmeeinbahnen gefahren ist
und plötzlich in einem Anschlußstück die Ausnahme nicht mehr gilt -- da kann
man das dann sehr leicht übersehen.


Das war keine "Information des Bundesministeriums für Verkehr im Interesse
der Allgemeinheit" und auch keine "Information der Stadt Wien". Und auch
kein aus Steuergeldern bezahltes Inserat. Aber vielleicht interessierts ja
trotzdem die Allgemeinheit.

Mario Czerny


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