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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Donnerstag, 29. August 2019; 03:02
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Wien/Kultur:

> Eigentor für Krächzende Lederhose

Die juristische Niederlage eines Schlagersängers hat auch eine größere
Bedeutung für den Kulturkampf in Wien, meint *Christoph Baumgarten* auf
balkanstories.net


Es gibt Duelle, die spannend sind, auch wenn man vorher weiß, wer gewinnt.
Krächzende Lederhose gegen Kid Pex etwa. Der volkstümelnde Schlagersänger
hatte den in Zagreb geborenen Rapper geklagt. Doch es war klar, dass sich
Andreas Gabalier übernimmt. Lustig ist es trotzdem, ihm beim Verlieren
zuzusehen. Das nennt man wahrscheinlich Schadenfreude.

Angesichts der Ausgangsposition überrascht es vielleicht nicht sonderlich,
dass die Krächzende Lederhose eher mit Aussagen auffällt, die ans
Nationalistische, Homophobe, Sexistische, Dumpfbiedere zumindest grenzen,
als als Sänger. Das sichert ihm kommerziellen Erfolg.

Es sagt wiederum Einiges über den Geschmack der Massen aus, wenn sie sich
von solch dumpfen PR-Sagern und der Aussicht auf banalste Liedtexte zu
abgeschmackten Volkstümelschlagerrhythmen in Konzerte locken lassen.


Staatsanwaltschaft legte Gabaliers Anzeige zurück

Es wäre ein Charakterbruch, wäre die Krächzende Lederhose nicht auch leicht
beleidigt und würde nicht überall Feinde und Bedrohungen wittern. So sind
sie immer, die volkstümelnden und volkstümlichen Recken. Heroisch bis ins
Mark.

Petar Pero Rosandic, mit Künstlernamen Kid Pex, etwa soll so eine Bedrohung
sein. Sagte die Krächzende Lederhose, als ihr eine Zeile aus dem
regierungskritischen Song "So viel Polizei" von Kroko Jack und Kid Pex
zugetragen wurde: "I tät den Gabalier nicht an die Wand stellen, aber samma
si ehrlich, eigentlich ghert er ersch."

Die Krächzende Lederhose bekam Angst und schaltete die Staatsanwaltschaft
Wien ein. Kid Pex und Kroko Jack hätten ihm mit Mord gedroht.

Haben sie nicht, befand die Staatsanwaltschaft. "Eine von Amts wegen zu
verfolgende Straftat liegt nicht vor", heißt es in einem offiziellen
Schreiben der StA Wien, "(.) weil die dem Ermittlungsverfahren
zugrundeliegende Tat nicht mit gerichtlicher Strafe bedroht ist."


Die Revanche von Kid Pex

Wenn du kein Glück hast, kommt Pech auch oft noch dazu, lautet ein
österreichisches Sprichwort. In dem Fall könnte man Wienerisch auch sagen:
"Ana hat imma des Bummerl!" Kid Pex revanchierte sich mit einem neuen Song
für die juristischen Angriffe der Krächzenden Lederhose mit dem Titel
"Hulapolizei" -- und einem Video, wo ein Gabalierdarsteller ständig auf der
Flucht ist.

Nicht nur, dass Kid Pex der Krächzende Lederhose künstlerisch einwandfrei
bis beeindruckend eine auflegt, wie man in Wien sagt. Der Clip wirft auch
eine entscheidende Frage auf: Wie kommt die Krächzende Lederhose dazu, sich
als Volks-Rock'n Roller zu bezeichnen? Das Völkische kommt ihr aus allen
Poren. Aber hat irgendwer schon den Rock wahrgenommen?

Künstlerische und finanzielle Unterstützung bekam Kid Pex vom "Kollektiv
besorgter Bürgerinnen und verängstigter Demokraten". Zu sehen sind unter
anderem Legende Hermes Phettberg und Monika Weber, Tochter des legendären
Drahdiwaberl Frontman Stefan Weber, der im Vorjahr verstorben ist.

Dass sich Kid Pex mit seinem Spott- und Protestsong "Hulapolizei" und vor
allem mit dem Video ein wenig in die Tradition der österreichischen
Anarchoband stellt, ist alles andere als Anmaßung. Künstlerisch wie
politisch standen und stehen beide für Aufbegehren, Hinterfragen
verkrusteter Strukturen, sind beide Stimmen von unten. Generationsspezifisch
mit anderen Ausdrucksformen, klarerweise.

So etwas nennt man Entwicklung. (Die man bei der Krächzenden Lederhose nicht
sieht. Ästhetisch ist sie vor 40 Jahren steckengeblieben. Heino im
Pseudotrachtenoutfit, das durch die gelegentlichen leicht selbstironischen
Anflüge besonders peinlich wirkt, Sonnenbrille inklusive. Nur die Stimme ist
schlechter.)

Dass so viele Kolleginnen und Kollegen inhaltlich hinter dem Song stehen,
hat aus Sicht von Kid Pex die Produktion des Videos erst ermöglicht. Viele
haben ihre Arbeitskraft und ihr Können kostenlos eingebracht. "Sonst hätten
wir uns das nicht leisten können", sagt der Rapper gegenüber Balkan Stories.


Die Stimmen von unten

Pero alias Kid Pex, nach Eigenbezeichnung Tschuschenrapper, ist eines der
Beispiele von Musikerinnen und Musikern mit Migrationshintergrund, die seit
einigen Jahren das Aushängeschild der kritischen jungen Wiener Musikszene
sind und die Stagnation beendet haben, die fast zwei Jahrzehnte lang in der
österreichischen U-Musik zu spüren war.

Endlich melden sich wieder die zu Wort, die nicht mit dem Goldenen Löffel
geboren wurden. Drängen die nach vor, die man am besten mit dem aus
politischen Gründen außer Mode gekommenen Wort Arbeiterklasse beschreibt.

Sie verarbeiten Diskriminierungserlebnisse wegen ihrer Herkunft, ihrer
Nachnamen, ihrer Religionszugehörigkeit, und die Erfahrungen zu denen zu
gehören, die nichts zu verkaufen haben als ihre Arbeitskraft.

Sie wollen das nicht mehr hinnehmen. Und irgendwer muss ja darüber reden,
was in unserer angeblich klassenlosen Gesellschaft Tabuthema geworden ist.
Dass es im Kapitalismus eben nicht nur Gewinner gibt. Sondern fast nur
Verlierer.

Für Kid Pex ist das Weltoffene nicht nur Pose wie für seinen Kontrahenten,
die Krächzende Lederhose, wenn sie zufällig mal auf ein schwules Fanpärchen
trifft. Es ist die einzige Art, wie man sinnvoll in so einer Position
überleben kann. Geistig, künstlerisch, intellektuell.

Auch wenn gerade die junge Generation in Österreich nicht vom politischen
Rechtsruck verschont geblieben ist, auch wenn sich rechts- wie
liberalidentitäre Positionen bei Allzuvielen fest in die Denkstrukturen
gefressen haben - es gibt sie, die jungen Wienerinnen und Wiener für die
sowas wie Hautfarbe oder Akzent etwas sind, das man wahrnimmt, das aber
sonst keinerlei Bedeutung hat.

Die sich als Kinder dieser wunderbaren Stadt begreifen und sie miteinander
teilen wollen.
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