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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Donnerstag, 6. Juni 2019; 18:30
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Bildung:

> Warum das österreichische Schulsystem seine Aufgabe nicht erfüllt

Ausgelernt -- Ein Nachruf eines Maturanten auf das österreichische
Schulsystem. Von *Moritz Ettlinger*.
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Es ist 8:22 Uhr an einer BHS in Innsbruck. Acht Minuten noch, dann wird das
Kuvert geöffnet, in dem sich die Aufgabenstellung für die diesjährige
Deutsch-Zentralmatura befindet. Nervöses Gemurmel aus den hinteren Reihen,
unentspannte Gesichter auf den vorderen Plätzen. Die Stimmung ist angespannt
an jenem Dienstagmorgen im Mai, niemand weiß, welche Aufgabenstellungen sich
das Bildungsministerium dieses Mal ausgedacht hat.

8:29 Uhr, der Direktor platzt herein, sichtlich gelassener als die jungen
Erwachsenen vor den Laptops. Nach der obligatorischen Frage nach der
physischen und psychischen Bereitschaft der Noch-Schüler*innen, öffnet er,
endlich, das Kuvert. Die Erleichterung ist groß, als die Textsorten bekannt
werden. Nur ein Themenpaket enthält die gefürchtete Textinterpretation, und
die anderen beiden mit Zusammenfassung und Erörterung bzw. Zusammenfassung
und Meinungsrede lassen den Puls der Maturant*innen erheblich sinken. Dann
wird geschrieben, maximal fünf Stunden sind erlaubt, die meisten sind vorher
fertig. Um 13:30 Uhr ist es dann auch offiziell vorbei: Die erste
Zentralmatura des Jahres 2019 ist vollbracht.

So wirklich vorbei ist es dann aber natürlich nicht, stehen doch in den
darauffolgenden Tagen noch weitere schriftliche, etwas später dann noch
etliche mündliche Prüfungen auf dem Programm. Danach ist aber endgültig
Schluss, Anfang Juli haben es (hoffentlich) die meisten Schüler*innen
geschafft. Die Schule ist ein für alle Mal Geschichte, und ein neues Kapitel
des Lebens eröffnet sich. Und dann?

Das ist wohl die Frage, die sich die jungen Absolvent*innen in den letzten
Wochen und Monaten am häufigsten gestellt haben. Offiziell stehen ihnen nun
alle Türen offen. Studieren, arbeiten, reisen, Träume verwirklichen: Alles
das wartet nach der Matura. So zumindest das Narrativ. Doch ganz so einfach
ist das nicht.

Wo bleibt der Fokus auf Stärken und Talente?

In der Schule lernt man so manche Dinge. Wie man den Flächeninhalt unter
einer Kurve berechnet, zum Beispiel. Oder wie man Gedichte "richtig"
interpretiert. Selbstredend lernen dabei alle Schülerinnen und Schüler mehr
oder weniger dasselbe, es sollen ja alle auf die Zentralmatura vorbereitet
werden.

Für Individualität bleibt da weder Zeit noch Platz, genauso wenig wie für
Stärken oder Talenten. Ganz im Gegenteil: Der Fokus liegt vor allem auf den
Schwächen, auch wenn das auf den ersten Blick vielleicht nicht so wirken
mag. Denn anstatt die jeweiligen Stärken und Talente der einzelnen
Schüler*innen zu suchen, zu entdecken und zu fördern, wird großer Wert
darauf gelegt, dass alle möglichst ohne Probleme "durchkommen". "Vier
gewinnt" lautet da ein bekanntes, altbewährtes Motto. Aber kann das unser
Ziel sein?

Der absolute Großteil aller Schüler*innen weiß spätestens mit Beginn der
Oberstufe, welche Fächer ihnen mehr und welche ihnen weniger liegen. Doch
während sich viele vor allem mit den schwächeren herumplagen müssen, um das
Jahr positiv abschließen und damit in die nächste Schulstufe aufsteigen zu
können, geht genau die Energie verloren, die diese Jugendlichen in ihre
Interessen, ihre Stärken investieren könnten. Unser Schulsystem ist nicht
darauf konzipiert, das Beste aus uns herauszuholen; es zielt darauf ab, alle
auf den gleichen Stand zu bringen, allen die gleichen Dinge beizubringen und
vernachlässigt dabei die Einzigartigkeit jeder Persönlichkeit. So war es
schon vor hundert Jahren, und so ist es mit marginalen Veränderungen auch
heute noch.

Dieses System zerstört die Freude am Lernen

Doch das ist bei Weitem nicht die einzige Schwachstelle in diesem System. Da
wäre erstens das Konzept des Frontalunterrichts, das leider noch immer von
vielen Lehrpersonen als (einzige) Unterrichtsmethode bevorzugt wird und
nicht gerade die Selbstständigkeit der Schüler*innen fördert. Warum
stattdessen nicht mehr auf Teamarbeiten fokussieren, warum nicht mehr
selbstständiges Arbeiten unterstützen, warum nicht mehr auf Projekte setzen?
Apropos Projekte: Auf solche sollte ebenfalls viel mehr Wert gelegt werden
anstatt nur in Fächern zu denken: So funktioniert unsere Welt nicht. Vor
allem die großen globalen Probleme wie beispielsweise der Klimawandel lassen
sich schwer erklären, wenn nur in Fächern gedacht und das große Ganze
vernachlässigt wird. Hinzu kommt das stumpfe Auswendiglernen von Fakten, die
in Sekundenschnelle im Internet abrufbar sind: So wird die Freude am Lernen
von allen Kindern und Jugendlichen nachhaltig zerstört.

Davon ausgehend, dass dieses System wohl in naher Zukunft nicht völlig auf
den Kopf gestellt werden wird, welche Möglichkeiten der kurzfristigen
Veränderungen gibt es? Wie bei vielen Dingen gibt es wohl auch bei diesem
Thema nicht die eine richtige Antwort. Sicherlich Sinn machen würde
allerdings beispielsweise die Einführung des Faches Ethik, verpflichtend für
alle und statt Religion, nicht als Wahlmöglichkeit. Um zumindest ein
bisschen besser auf die Bedürfnisse der Jugendlichen eingehen zu können,
würde sich ein Wahlsystem ab der Oberstufe anbieten, demzufolge die
Schüler*innen wählen können, welche Fächer sie besuchen wollen und welche
nicht. Außerdem muss die Matura, so, wie sie momentan aufgebaut ist,
dringend hinterfragt werden. Macht es wirklich Sinn, gewisse Fächer
verpflichtend für alle vorzugeben? Was macht Mathe wichtiger als Geschichte?
Was Deutsch wichtiger als Informatik? Das alles sind Dinge, über die wir
nachdenken und die wir nicht als utopisch abtun sollten.

Eigentlich soll die Schule Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene auf das
Leben danach vorbereiten. Laut §2 des Schulorganisationsgesetzes (SchOG) hat
die österreichische Schule u.a. die Aufgabe, "die Jugend mit dem für das
Leben und den künftigen Beruf erforderlichen Wissen und Können auszustatten
und zum selbsttätigen Bildungserwerb zu erziehen". Als die Schule noch auf
die Arbeit in Fließband-Jobs vorbereiten sollte, hätte man diese Aufgabe mit
diesem System vielleicht noch irgendwie rechtfertigen können. Mittlerweile
sieht die Arbeitswelt aber ganz anders aus. Es wird viel mehr Wert gelegt
auf Kreativität, Selbstständigkeit, Teamfähigkeit und das Lösen von
komplexen Problemen. Die Anforderungen auf dem Arbeitsmarkt haben sich in
den letzten Jahren und Jahrzehnten nicht zuletzt durch die Digitalisierung
stark verändert. Es wird Zeit, dass sich unser Schulsystem daran anpasst.
(Aus Unsere-Zeitung.at)



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