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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 10. April 2019; 16:13
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Freiheit stirbt mit Sicherheit:
> Schuldig des Terrorismus
Die Kriminalisierung eines linken Kulturvereins
Die Anatolische Föderation soll eine terroristische Vereinigung sein: So
sieht es das Wiener Landesgericht, das drei Vorstände schuldig sprach. Es
war ein Prozess ohne konkretes Delikt. Der migrantische Kulturverein steht
jetzt vor dem Aus. Das berichten *Benjamin Herr* und *Moritz Ablinger* auf
dem Mosaik-Blog.
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Während sich die Berichterstattung über die Ermittlungen gegen die
rechtsextreme Identitäre Bewegung überschlägt, hat es eine linke
Organisation bereits getroffen - und das ohne jegliches Medienecho. Drei
Vorstandsmitglieder der Anatolischen Föderation (Afa) wurden wegen
"Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung" zu bedingten
Haftstrafen verurteilt, dem migrantischen Kulturverein droht die Auflösung.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Die Schuldsprüche markieren das vorläufige Ende einer Ermittlung, die im
Herbst 2015 mit Hausdurchsuchungen des Vereinslokals und der Privatwohnungen
von Mitgliedern ins Rollen kam und die bis zum Prozessende keine Gnade
kannte.
Die Anatolische Föderation wurde 2004 in Wien gegründet. Der migrantische
Verein organisiert Freizeitveranstaltungen wie Konzerte und Feste, lädt
linke Aktivist_innen und Bands ein. Ebenso ruft die Anatolische Föderation
zu Demonstrationen und Kundgebungen für politische Gefangene in der Türkei
auf. Die Staatsanwaltschaft aber unterstellt ihr ein anderes Motiv: Sie
sieht in der Afa eine Vorfeldorganisation der DHKP-C, einer Organisation,
die auf der EU-Terrorliste steht.
Maschinenpistolen im Gerichtssaal
Deswegen mussten sich die Vorstandsmitglieder der Föderation vor Gericht
verantworten - aber nicht als Einzelpersonen, denen terroristische
Handlungen angelastet werden könnten. "Die Staatsanwaltschaft stellt die
Anatolische Föderation als Anlaufstelle für Terroristen hin", sagt Mahriah
von "Prozess.Report": "Während des gesamten Prozesses waren WEGA-Beamte mit
Maschinengewehren für den Saalschutz abgestellt."
Es begann am 1. Mai
Seinen Ausgang nimmt alles auf der Erster-Mai-Demonstration 2015. Die
Anatolische Föderation marschiert dort mit einem eigenen Block, einige ihre
Aktivist_innen tragen olivgrüne Overalls. Ihre Botschaften sind klar: Auf
Spruchbändern kritisieren sie die Regierung Erdogan und fordern die
Entlassung politischer Gefangener in der Türkei.
Am Rande des Geschehens hält eine Person die Bilder zweier Männer hoch. Im
März 2015 haben die beiden Abgebildeten das Büro eines Istanbuler
Staatsanwalts besetzt. Ihr Ziel: die Ermittlungen bezüglich des Mordes an
dem 14-jährigen Berkin Elvan durch einen Polizisten zu beschleunigen. In
einer missglückten Operation stürmt das Sondereinsatzkommando das Büro. Der
Staatsanwalt und die zwei Geiselnehmer sterben. Später bekennt sich die
DHKP-C zur Geiselnahme.
Entstanden in den 1970ern, firmiert die Organisation seit 1994 unter ihrem
aktuellen Namen. Seit den späten 1990er Jahren verübte die DHKP-C vermehrt
Attentate auf staatliche Einrichtungen in der Türkei. Seit 2001 steht sie
auf der EU-Terrorliste, gemeinsam mit derzeit insgesamt 21 Gruppen. Für die
Staatsanwaltschaft Wien hat die DHKP-C zum Ziel, die Staatsordnung in der
Türkei zu zerschlagen.
Harsche Kritik
Und so wird die Wiener Staatsanwaltschaft aktiv. Denn einerseits wertet sie
die Zurschaustellung der Porträtfotos am 1. Mai als klaren Hinweis darauf,
dass die Anatolische Föderation in einem Naheverhältnis zur DHKP-C steht.
Zudem unterstellt das Bundesamt für Verfassungsschutz und
Terrorismusbekämpfung Teilen des Afa-Blocks "militärische Aufmachung" -
typisch für die DHKP-C, wie es heißt. Im Oktober 2015 werden die Wohnungen
von Vorstandsmitgliedern durchsucht, Materialien sichergestellt.
Im Frühjahr 2018 beginnen die ersten Prozesse: 17 Aktivist_innen der Afa
müssen sich wegen Gutheißung und "Förderung einer terroristischen
Vereinigung" verantworten. Die ersten Gerichtsentscheidungen folgen im Juli
des Jahres. Die ersten beiden Urteile fallen verhältnismäßig glimpflich aus:
einmal drei Monate bedingt, einmal Freispruch.
Keine konkreten Delikte
Ende Februar folgt der schwerste Schlag gegen die Anatolische Föderation.
Die Staatsanwaltschaft wirft dem Vereinsvorstand nach Paragraf 278b
"Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung" vor und eröffnet den
Prozess. Anders als bei den Verhandlungen gegen Einzelpersonen geht es also
nicht nur um die Gutheißung von Terror.
Die Anklage stützt sich nicht auf den Demonstrationszug am 1. Mai 2015,
sondern auch auf andere Tätigkeiten der Anatolischen Föderation. So sehen
die österreichischen Justizbehörden beispielsweise in der türkischen
Wochenzeitung "Yürüyüs", die die Afa vertreibt, ein Medium, das die
ideologischen Grundsätze der DHKP-C widerspiegele. "Yürüyüs ist in der
Türkei nicht verboten. Es ist eine legale Wochenzeitung", sagt die
stellvertretende Vorsitzende Hatime Azak. Auch sonst ist die Strafverfolgung
kaum daran interessiert, den Angeklagten konkrete Delikte anzulasten. Sie
konzentriert sich darauf, sie in ein Naheverhältnis zur DHKP-C zu rücken.
Doch auch diese Vorwürfe bleiben vage. "Wir wurden immer nur zur legalen
Protesten befragt", sagt Azak.
Der Prozess beginnt am 26. Februar und zwei Wochen später werdem drei der
vier Angeklagten verurteilt. Der Schöff_innensenat sieht die Verbindung zur
DHKP-C als erwiesen an.
"Tür und Tor für Kriminalisierung linker Gruppen geöffnet"
Doch das mediale Echo bleibt diesmal aus. Über die Urteile findet sich auch
nach gut zwei Wochen kein Artikel in einem österreichischen Printmedium. Das
mag mit den verhältnismäßig glimpflichen Strafen zu tun haben: Das Gesetz
sieht einen maximalen Strafrahmen von zehn Jahren vor. Die 16 und 20 Monate,
die auf Bewährung ausgesetzt sind, sind davon weit entfernt.
Dennoch sehen BeobachterInnen in den Schuldsprüchen eine potenzielle Gefahr.
"Es ein richtungsweisendes Urteil", meint Mahriah von Prozess.Report. "Damit
ist Tür und Tor geöffnet, um weitere linke Gruppen wegen vermeintlicher
Terrorismus-Unterstützung zu kriminalisieren."
Die Verurteilten wollen nun in Berufung gehen. Über ihnen schwebt nicht nur
das Urteil, sondern auch die mögliche Auflösung ihrer Organisation. Die
Vereinspolizei wird diese voraussichtlich in den kommenden Monaten in
Angriff nehmen.
(gek)
Volltext: https://mosaik-blog.at/anatolische-foederation-prozess/
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