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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 27. März 2019; 21:53
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Presseschau:
> Notes of a Dirty Old Man
Die dieswöchige Presseschau wird Euch präsentiert von Bernhard Redl, der nur
mehr kopfschütteln kann und sich deswegen ansaufen und sein
Schreibmaschinengewehr entsichern mußte.
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Eines der berühmtesten Zitaten von Noam Chomsky ist: "Der schlaueste Weg,
Menschen passiv und folgsam zu halten, ist, das Spektrum akzeptierter
Meinungen strikt zu limitieren, aber innerhalb dieses Spektrums sehr
lebhafte Debatten zu erlauben." Daran muß ich in letzter Zeit immer häufiger
denken. Aber der Irrwitz hat ja bereits weitaus gröbere Ausmaße erreicht.
Die politischen Diskussionen -- hier in Österreich, aber auch auf globaler
Ebene, zumindest in den "westlichen Industrienationen", also in den Ländern,
die die "internationalen Gemeinschaft" ausmachen -- sind einfach nur noch
jenseits. Die "bürgerlichen" Konservativen präsentieren sich als neue Mitte,
obwohl die meisten davon schon deutlich nach rechts abgedriftet sind. Die
extreme Rechte, heutzutage wie zB. hierzulande auch häufig schon in etwas,
was man völlig sinnentleert "Regierungsverantwortung" nennt, eingebunden,
faselt was davon, daß es eine linke Meinungshegemonie gäbe, die es zu
brechen gälte. Und das was heute als links gilt, sind großteils auch nur
mehr bourgoise Liberale, die sich zwar für Menschenrechte engagieren, aber
glauben, Schönsprechen würde die Welt retten. Christlich und islamisch
argumentierende Attentäter greifen Menschen an, die ihnen nichts getan haben
und die nicht zu den Herrschenden zählen. Die Herrschenden aber und der Teil
der extremen Rechten, der noch nicht in Regierungsämtern sitzt, nutzen das
massiv aus -- was den EU-Regierungen und dem Likud "Charlie Hebdo" und der
"IS" sind, ist AKP und MHP in der Türkei "Christchurch". Und wenn man
genauer hinschaut, sind Attentäter, Regierungen, Geheimdienste, die extreme
Rechte, das Großkapital und die Waffenhändler aufs engste miteinander
verbandelt -- zum Teil sogar über die Fronten hinweg, weil man ja weiß, was
man an den jeweiligen Feindbildern hat. Ja und die oberwähnte "Linke" meint
in ihrer Tradition des "Which side are you on?" gerne zu irgendeiner der
medial vordefinierten Seiten halten zu müssen. Im Gegensatz zur
Sozialdemokratie, die fast immer peinlich ist und es allen rechtmachen
möchte.
Angesichts dieser Weltlage und vor allem der österreichischen Verhältnisse,
muß man schon froh sein, wenn es hierzulande sowas wie einen Staatsfunk,
eine Staatszeitung, ein marktliberales zartrosa Blatt und eine von einem
Konzernchef gesponserte Rechercheplattform gibt, weil wir ansonsten
überhaupt nur mehr Kurz-Nachrichten hätten. Wobei mir natürlich da noch
Torbergs Tante Jolesch einfällt: "Gott soll einen hüten vor allem, was noch
ein Glück ist."
Geld regiert
Eine FPÖ-Kommunalpolitikerin und neoliberale Lobbyistin wird zur
Vizepräsidentin der Nationalbank erkoren. Eine Woche später spendet sie
insgesamt 88.000 Euro an eine Europapartei. Nein, natürlich nicht sie,
sondern die Firma ihres Mannes. Auch diese Firma natürlich nicht die ganze
Summe, mehr als 18.000 wären ja illegal. Ein Teil kommt von der Mutter der
Vizepräsidentin. Und auch eine Verwandte ihrer Bürochefin zahlt mit usw. Das
ist aber völlig in Ordnung. Sagt der Präsident der Nationalbank. Und das ist
jener Herr, den die ÖVP so ziemlich auf jeden Führungsposten setzt, der neu
zu vergeben ist, nämlich Harald Mahrer.
https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/politik/europa/2002122-88.000-Euro-und-viele-Fragen.html
Indes organisierte der Bundeskanzler einen nicht ganz koscheren Deal für
einen befreundeten Magnaten -- zum Problem wird das in Österreich aber erst,
als besagter Magnat sich auch in die größte Tageszeitung des Landes einkauft
und allem Anschein nach sich in deren Leitung einmischen will. Dann aber
wird gründlich recherchiert -- von Addendum, einer journalistischen
Plattform, die von einem anderen Tycoon gesponsert wird. Sprich: Die
Konkurrenz im Großkapital muß hier die demokratische Gewaltenteilung
ersetzen.
https://www.addendum.org/benko/kikaleiner/
In Deutschland würden nach solchen Geschichten einige
Führungspersönlichkeiten ihren Hut nehmen müssen. Aber bei uns in Bagdhad...
Aber witzig irgendwie, wenn man dann ausgerechnet in der Kronen-Zeitung
liest: "Leicht erworbenes Vermögen kann zu einem leichtfertigen Umgang damit
verleiten. So ein Krösus aus dem Nichts ist ein gefährlicher Geselle. Solche
Zeitgenossen sind oft zerrissene Personen. Einerseits fühlen sie sich
unbesiegbar, andererseits werden sie ganz tief im Inneren von Scham geplagt.
... Im Glauben, sich den Lebenstraum echter Geltung erfüllen zu können,
greifen solche letztlich bedauernswerten Menschen tief in die Finanzkanäle.
Dabei schaffen sie sich selten Denkmäler, die den Stürmen der Geschichte
standhalten. Weitaus öfter wird auf diese Weise viel Unheil gestiftet, das
wenig Ehre einträgt." (Psychoanalytisch-Kapitalkritisches von Claus Pandi)
https://www.krone.at/1889590
Singende, klingende SPÖ
Früher mußte ich immer bei Herrn Strache an den kleinen Drachen Grisu
denken. So wie Grisu immer Feuerwehrmann werden wollte, wollte Bumsti immer
wahl-weise Bundeskanzler oder Wiener Bürgermeister werden. Der neue Grisu
heißt "Pam". Die SPÖ-Vorsitzende Rendi-Wagner scheint als Hauptinhalt ihres
politischen Engagements zu sehen, "die erste Bundeskanzlerin" zu werden.
Zumindest macht es sie den Medien leicht, hauptsächlich das zu übermitteln.
Klingt irgendwie schon wie Kurzens "Balkanroute", fetzt aber nicht so,
sondern wirkt lächerlich. Dazu kommt dann ein Josef Muchitsch, der meint,
sie bei einer Regionalveranstaltung auf die Bühne hinaufsingen zu müssen,
weswegen sie glaubt, auch noch eine Tanzeinlage geben zu müssen.
Offensichtlich hat sie sich Theresa May zum Vorbild genommen, ohne aber die
Rezeption deren Tänzchens mitzubekommen. Hashtag #Maybot und so...
https://www.meinbezirk.at/deutschlandsberg/c-politik/beppo-muchitsch-singt-fuer-pamela-rendi-wagner_a3277518
(mit Bewegtbildanimation!)
https://derstandard.at/2000100055662/Sie-muss-noch-lernen-ordentlich-auf-den-Putz-zu-hauen
Rendi erscheint ja auch eher wie eine Anführerin der Konservativen. In der
ÖVP war es doch eine Zeitlang so, daß die Bünde und Granden sich immer auf
einen schwachen Kompromißkandidaten einigten, der ihnen möglichst wenig in
ihre Bereiche hineinregiert. Sollte er das doch einmal versuchen, wird er
nach dem Vorbild von Kästners "Schule der Diktatoren" einfach ausgetauscht.
Und "geht in die Wirtschaft". Das war bei der ÖVP nicht wirklich so
erfolgreich, aber die SPÖ ist ja bekannt dafür, aus lauter Überkompensation
jeden Blödsinn der Bürgerlichen zu kopieren. Es ist aber auch kein Wunder,
denn wie früher bei der ÖVP weiß man heute bei der SPÖ nimmer so genau,
wofür sie eigentlich steht. Der EU-Spitzenkandidat macht auf Klassenkämpfer,
die Landeshauptleute von Wien und Burgenland hingegen versuchen die
Regierung rechts zu überholen -- der Unterschied zwischen letzteren beiden
resultiert nur aus der Tasache, daß ihre jeweiligen Koalitionspartner doch
sehr verschieden sind.
Die weniger mächtigen SP-Chefitäten hingegen sind eher grantig. ORF.at
zitiert die Reaktion des NÖ-Landesvorsitzenden Franz Schnabl auf die
Gemeinderatswahl in Stockerau so: "'Es ist so, dass es für die
Sozialdemokratie seit zirka 40 Jahren überwiegend negative Wahlerlebnisse
gibt.' Die SPÖ müsse sich deshalb mit 'schonungsloser, selbstkritischer
Offenheit die Probleme auf allen Ebenen ansehen und dann auch bereit sein,
schmerzhafte Veränderungen vorzunehmen', so Schnabl. (...) 'Ich sage ganz
selbstkritisch, dass die Sozialdemokratie auf die wesentlichen Fragen der
Zukunft noch keine Antworten und Konzepte hat, die die Menschen verstehen.
Die anderen Parteien haben das zwar auch nicht, aber diese betreiben
besseres Marketing.' Einen Bedarf an Verbesserungen ortete Schnabl auch auf
Bundesebene, 'das weiß die Bundesparteivorsitzende aber und die SPÖ
Niederösterreich steht zur Gänze hinter Pamela Rendi-Wagner.'"
Der Zeitungsleser hat noch selten eine derart vernichtende
Loyalitätserklärung gelesen wie diese.
https://noe.orf.at/news/stories/2972024/
Daß die größte Oppositionspartei in diesem Land doch noch nicht ganz zum
Krenreiben ist, beweist allerdings der Blog kontrast.at. Der Blog wird
dezent von der SPÖ betrieben, ist aber sehr gut geschrieben -- man versteht
auch ohne abgeschlossenes Jus- oder Powi-Studium, worum es bei den
Gemeinheiten der Regierung geht: "Es gibt staatliche Ausgaben, die kürzt man
nicht aus finanziellen Gründen: Etwa die Aktion 20.000 für
Langzeitarbeitslose, die Notstandshilfe oder den Lohn von Asylwerbern in
Hilfstätigkeiten. Die Einsparungen bringen dem Staatshaushalt nichts, die
Auswirkungen für Betroffene sind aber katastrophal. Der Grund für die
Kürzungen liegt wo anders: In kleinen Schritten soll in Österreich ein
Billiglohn-Sektor entstehen, der Lohndruck wird steigen - gerade für kleine
Einkommen." Routinierten Beobachtern der politischen Lage war das natürlich
schon länger klar. Aber dieser Text bringt es auf den Punkt. Und das hat ja
mittlerweile Seltensheitswert in Österreich.
https://kontrast.at/schwarz-blau-mit-der-salami-taktik-zum-billiglohn-sektor/
Hat es erst Christchurch gebraucht?
Da gibt es einen deutschen Soldaten, der sich als syrischer Flüchtling
ausgegeben hat, und der am Wiener Flughafen festgenommen worden ist, weil er
dort am Klo eine Pistole versteckt hatte. Da gibt es einen anderen deutschen
Soldaten, Codename "Hannibal", guter Freund des syrischen Fakelings, der
einerseits führend am Aufbau eines rechtsradikalen Untergrundnetzwerkes
innerhalb der Bundeswehr und auch in Polizeikreisen beteiligt war,
andererseits der wichtigste Informant des Militärischen Abschirmdienstes
(MAD), des Geheimdienstes der Bundeswehr. Der MAD hatte sich aber nie die
Mühe gemacht, dieses Netzwerk auszuheben. Aufgeflogen ist es nur wegen der
leidigen Flughafenklo-Affäre. Das war 2017. Spätestens seit 2018 ist
bekannt, daß die Verbindungen dieses Netzwerks zu Österreich sehr viel
stärker sind. Hat hier aber auch zu diesem Zeitpunkt niemanden interessiert.
Nur wegen "Christchurch", wo der Attentäter sich auf diese deutsche
"Prepper"-Szene und die österreichische Geschichte bezieht, wurden bei uns
Medien aufmerksam. Nicht nur, daß der hiesige Oberidentitäre jetzt Besuch
von der Polizei bekommen hat, weil er sich so über eine Spende eines ihm
völlig unbekannten australischen Kameraden gefreut hat, auch daß Mitglieder
dieses Prepper-Netzwerkes recht innigen Kontakt zur Familie Gudenus
pflegten, fiel jetzt auf. Der Vizekanzler indes kann sich dank eines von ihm
selbst angestrengten Gerichtsverfahrens von den Identitären nicht mehr so
wirklich distanzieren und postet eine Quasi-Solidaritätserklärung, wo er die
Truppe als "gewaltfrei" und als "nicht-linken Teil der Zivilgesellschaft"
verteidigt.
https://www.taz.de/!5548926/
https://derstandard.at/2000099600939/Spuren-nach-Oesterreich-bei-rechtem-Netzwerk-deutscher-Soldaten
So, und dann kommen da noch ein paar alte Geschichten aus Deutschland und
Frankreich dazu, wie die, die jetzt gerade aufgeflogen ist, daß eine
türkischstämmige Opferanwältin im NSU-Prozeß Drohbriefe bekommen hat --
offensichtlich mit Hilfe der Daten aus einem Frankfurter Polizeicomputer;
oder die von 2015, daß ein französisches Mitglied der Identitären als
Waffenhändler aufgetreten ist, Waffen an die Attentäter im Charlie-Fall
verkauft hat (SIC!) und sich damit rechtfertigte, schließlich hätte er ja
für die französische Geheimpolizei als Spitzel gearbeitet. Was die Polizei
auch bestätigte, nur daß sie vom Waffenhandel nichts gewußt haben wollte.
http://www.taz.de/!5556622/
https://www.tt.com/panorama/verbrechen/13547573/identitaerer-verkaufte-waffen-bei-paris-anschlag-benuetzt
Hallo? Ist da wer? Und wir regen uns über die Liederbuch-Affäre auf -- das
ist ein Lapperl gegen das, was da rennt.
Der Sultan und sein Großwesir
Und wer freut sich am meisten über das Christchurch-Attentat? Erraten: Die
AKP und die MHP. Der "Tagesspiegel" bringt Zitate aus einer Rede des
Bozkurtler-Chefs Devlet Bahceli: "Noch nie in unserer Geschichte sind wir in
Ruhe gelassen worden. Noch nie in unserer Geschichte haben wir eine Zeit
erleben dürfen, in der wir nicht Gefahren und Drohungen ausgesetzt waren.
Sie haben uns immer angegriffen. (...) Seit wir Anatolien erobert haben,
sind 948 Jahre vergangen, aber das Echo ist noch nicht verhallt, die
Rechnung ist noch nicht beglichen. Diese Abrechnung ist eine zwischen der
Nation der muslimischen Türken und den Sehnsüchten der Kreuzritter. (.) Auf
der einen Seite dieser Rechnung stehen die türkisch-islamische Kultur und
die große türkische Nation; auf der anderen Seite stehen uns die Tyrannen,
die Verräter, die Imperialisten und leider auch die bei uns eingedrungenen
lokalen Kollaborateure mit all ihrer Entschlossenheit gegenüber. (...) [Beim
Massaker von Christchurch] wurde wieder der Ruf der Kreuzritter - 'Gott will
es' - laut. Wir haben es mit mehr zu tun als nur mit einem Irren, Perversen,
Terroristen."
Und das alles in einer Rede zu den anstehenden Kommunalwahlen -- wo die MHP
gemeinsame Listen mit der AKP zusammen aufstellt.
https://m.tagesspiegel.de/politik/tuerkischer-nationalistenchef-bahceli-wir-erwarten-euch-ihr-werdet-in-eurem-blut-ersaufen/24128568.html
Greta Dark
Da gibt es ein 16-jähriges Mädchen aus Schweden, das die Schule schwänzt und
ganz alleine sich vor das Parlament stellt, um Maßnahmen gegen den
Klimawandel zu fordern. Auch wenn sie dabei massiv von ihrer Familie
unterstützt wurde, ist das doch ein beachtenswertes Engagement. Chapeau!
Durchaus berichtenswert. Und nachahmenswert.
Aber was passierte? Es wurde ein Medienhype. Greta Thunberg wurde zur Jeanne
d'Arc des Klimaprotests. Politiker entdeckten, daß es gut kommt, wenn man
sie auf internationale Podien zu Diskussionsrunden einlädt, und so wurde sie
über Nacht in die Riege der Global Leaders erhoben. Und was sie sagte, war
den Klimakritikern Gesetz. Jeder Angriff gegen sie -- und viele davon sehr
grausliche ad personam -- erhöhte nur ihre Bedeutung bei ihren Fans. Und
dann kommt das: "Ein aktueller Beitrag auf ihrer Facebook-Seite sorgt nun
allerdings für Diskussionen: Am 17. März verfasste sie einen längeren Post,
der den globalen Klimastreik des vergangenen Freitags rekapituliert und sich
mit der Frage auseinandersetzt, wie die Klimakrise gelöst werden könne - da
von ihr selbst häufig erwartet würde, sie wisse die Antwort. Das sei jedoch
'mehr als absurd', denn das unser aktuelles System keine Lösungen hätte, sei
eben gerade der Punkt. Laut Greta dürfen wir nicht nur Teilaspekte
betrachten, die unsere Situation verbessern können, sondern müssen das große
Ganze sehen. Und das beinhalte auch Atomkraft." (utopia.de)
BAM! "Wer hat dich gekauft, Greta?" knallte es ihr plötzlich in den Social
Media entgegen. Greta-Dämmerung! Das hat sie jetzt davon -- Heroinen müssen
halt jedes Wort auf die Goldwaage legen, bevor sie es aussprechen. Sie
selbst ist ja bescheiden genug zu sagen, daß man von ihr kein Allheilmittel
verlangen könne. Aber ihre Fans verlangen das. Spätestens seit FDP-Chef
Christoph Lindner einen Shitstorm ausgelöst hatte, als er meinte Thunberg
solle die Politik den Profis überlassen, war klar, daß man nur mehr ihr
alleine zutrauen wollte, die Probleme der Welt zu lösen. Und dann sowas.
Ein derartiger Fauxpas könnte heilsam sein. Vielleicht ist man in Zukunft
vorsichtiger damit, Menschen, die sich dankenswerterweise politisch
engagieren, auf ein viel zu hohes Podest zu stellen und von ihnen einen
Expertise zu verlangen, die sie nicht haben können. Aber so viel Glück haben
wir nicht. Die Medien sind schon auf der Suche nach der nächsten Jeanne d'Arc.
Schließlich sind die ein Megaseller!
https://utopia.de/atomkraft-teil-der-loesung-greta-131587/
Der alte Mann und die Identitätspolitik
Zum Abschluß sei hier noch eine absolute Leseempfehlung gegeben. Noch so ein
Beweis, daß nicht alle Sozialdemokraten irgendwo angrennt sind. Michael
Bröning, Leiter des Referats Internationale Politikanalyse der
Friedrich-Ebert-Stiftung rechnet in der "Zeit" unter dem Titel "Karl Marx
war auch nur ein alter weißer Mann" mit der betroffenheitsduseligen
Identitätspolitik ab. Es ist dies ein Antwort auf einen Text in der "Zeit",
die die postmoderne "Linke" in einer Tradition mit der Arbeiterbewegung
sieht -- denn auch dem Proletariat wäre es ja um sein Klassenbewußtsein
gegangen, also um ihre Identität. Bröning dazu: "Die heute dominierende Form
liberaler Identitätspolitik ist kein legitimer Nachfolger, sondern das
Gegenteil historischer Emanzipationsbestrebungen der Arbeiterbewegung. Ihr
Fokus auf Anerkennung immer kleinteiligerer Gruppenidentitäten, die anhand
ethnischer, sexueller, sozialer oder kultureller Aspekte konstruiert werden,
zielt nicht auf Solidarität und Gemeinsinn, sondern auf Subjektivität und
Ausschluss ab. Statt um universalistische Forderungen nach schrankenlosen
Zugängen zu Bildung, Gesundheit, Wohlstand und Teilhabe geht es um
Sonderrechte. (...) Beobachten lässt sich dies an Teilen der amerikanischen
Linken und im akademischen Justemilieu manch europäischer Progressiver. Hier
läuft die identitätspolitische Obsession eben nicht auf empowerment hinaus,
sondern auf eine Selbstentmachtung der Linken. Dies gilt natürlich umso
mehr, je stärker sie mit moralischer Verachtung für ihr autofahrendes,
fleischessendes und karnevalfeierndes traditionelles Wählermilieu kombiniert
wird."
Genau das! Aber ja, das Obige klingt schon wieder sehr professoral und
abgehoben, so halt, daß es diese postmoderne "Linke" auch verstehen kann.
Für uns Nichtakademiker bringt es Bröning aber noch einmal mit einem
Beispiel auf den Punkt: "Martin Luther King formulierte 1963 den Traum, dass
seine vier Kinder eines Tages in einer Welt leben werden, 'in der sie nicht
wegen der Farbe ihrer Haut, sondern nach dem Wesen ihres Charakters
beurteilt werden'. In weiten Teilen identitätspolitisch beseelter Kreise
wäre dieser Traum heute wohl als Mikroaggression zu verbuchen. Herkunft und
Hautfarbe sollen schließlich nicht überwunden, sondern als allein
entscheidende Bezugspunkte betont werden."
Daß diese Haltung eine Katastrophe ist, weil sie halt nicht einfach nur dumm
und unzweckmäßig ist, sondern kontraproduktiv wird sehr klar im Schluß des
Artikels, denn zwar wäre nichts falscher, so Bröning, als "als die Politik
in die vermeintlich gute alte Zeit weißer, heterosexueller Dominanz
zurückzuführen. Der Kampf gegen Diskriminierung und für Emanzipation muss
immer ein linker bleiben - und hier sind breite Bündnisse nötig. Doch
geführt werden muss er mit dem Blick auf das Gemeinsame und ohne trennende
Scheuklappen. Eine Linke, die das vergisst, spielt der radikalen Rechten in
die Hände. Von Donald Trumps ehemaligem Chefstrategen Steve Bannon ist
bekannt, dass er von linker Identitätspolitik 'nicht genug bekommen' konnte.
'Je länger sie über Identitätspolitik sprechen', erklärte Bannon, 'desto
früher kriege ich sie. Ich will, dass sie jeden Tag über Rassismus sprechen.
Wenn die Linke sich auf die Themen Rasse und Identität konzentriert, können
wir sie zermalmen.' Es ist höchste Zeit, Steve Bannon diesen Gefallen nicht
länger zu tun."
Der Zeitungsleser indes ist eigentlich ganz froh, schon zur Generation 50+
zu gehören. Nach mittlerweile gängigen Kriterien kann ich für mich daher in
Anspruch nehmen, auch schon ein "alter weißer Mann" zu sein. Und damit darf
ich ätzen über diesen Unfug, weil schließlich wird das ja von mir erwartet.
Ich hab eine Identität, mit der ich schon außer Obligo bin. Und wenn mich
jemand ageistisch diskriminiert, kann mir das wurscht sein. Ich kann mich in
einer Eckerl verziehen und wieder einmal Charles Bukowskys "Notes of a Dirty
Old Man" lesen...
https://www.zeit.de/politik/deutschland/2019-03/identitaetspolitik-kommunismus-arbeiterklasse-diskriminierung-emanzipation-karl-marx
oder
https://tinyurl.com/07AKINMARX
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