**********************************************************
akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 6. März 2019; 22:59
**********************************************************

Oe/Glosse:

> Präzedenzfall der Sozialpartnerschaft

Bei der Karfreitagsdebatte geht es um mehr als um einen freien Tag

Was wurde jetzt nicht alles verzapft bei der Debatte um den Karfreitag.
Zuerst das EuGH-Urteil, daß einem nicht-evangelischen Arbeitnehmer rechtgab,
daß er diskriminiert würde. Dann die österreichische Lösung mit dem halben
Feiertag, der für die meisten Angestellten gar keiner gewesen wäre, weil sie
sowieso am Freitag früher schlußmachen. Und dann die Umbenennung eines
Urlaubstags zum "persönlichen Feiertag". Nachdem die Kirchen in Österreich
auch gerne bei allem mitreden, wurde dieser Persönlichkeitstag als
Möglichkeit angesehen, damit die Gläubigen ihren religiösen Pflichten
nachgehen könnten -- als ob das heute noch irgendwie relevant wäre. Wenn es
danach ginge, könnte man ja gleich Oster- und Pfingstmontag streichen, die
keinerlei liturgische Bedeutung haben. Hier geht es aber um einen
zusätzlichen Urlaubsanspruch und der ist nunmal Teil der
sozialpartnerschaftlichen Vereinbarungen.

Diese gesetzlichen Änderungen passieren dann auch noch nach der
Speed-Kills-Methode, damit sich das heuer mit der Beurkundung durch den
Bundespräsidenten noch vor dem 19.April ausgeht. Was hätten die gemacht,
wenn der Karfreitag heuer nicht derart spät gewesen wäre?

Und dann natürlich die Frage nach Jom Kippur -- uh, da wirds dann heikel!
Glücklicherweise gibts da noch keine Klage und deswegen tut die Regierung
so, als wüßte sie nicht um die Gleichheitswidrigkeit.

Aber Moment! Da gibt es noch einen Unterschied: Der Karfreitag stand auch im
Arbeitsruhegesetz, der jüdische Versöhnungstag nur in einem
Generalkollektivvertrag. Kollektivverträge beruhen zwar auf dem
Arbeitsverfassungsgesetz und haben damit rechtlich bindende Wirkung ähnlich
einem Gesetz, aber es sind eben Verträge, also freie Vereinbarungen. Da
stellt sich schon mal die Frage, ob ein Normprüfungsverfahren vor einem
Höchstgericht überhaupt greifen könnte.

Was aber sicher nicht geht, ist, daß ein Minister oder das Parlament einen
Kollektivvertrag "verbessern" kann, wie das Norbert Hofer formulierte. Das
könnten nur die Kollektivvertragspartner. Was das Parlament rechtlich
wirksam machen könnte, wäre, das Arbeitsruhegesetz für die unselbständig
Erwerbstätigen günstiger zu gestalten als es kollektivvertraglich festgelegt
ist -- nur ist dieser persönliche Urlaubstag als Ersatz für einen echten
Feiertag beim besten Willen keine günstigere Regelung.

Jetzt wirds aber noch heikler -- denn der in Frage stehende Kollektivvertrag
ist nämlich immer noch in Kraft und da stehen sowohl der Karfreitag für
mehrere christliche Kirchen also auch der Versöhnungstag für das Judentum
drinnen. Das heißt also: Nach wie vor ist der Karfreitag für eine Minderheit
in Österreich ein Feiertag, wenn auch kein gesetzlicher, so doch ein
rechtlich garantierter; das deswegen weil ein Kollektivvertrag prinzipiell
Vorrang vor dem Gesetz hat, wenn er für die Unselbständigen günstiger ist.

Es ist allerdings zu befürchten, daß nach dieser Debatte die Arbeitgeber das
nicht mehr so sehen wollen. In Zeiten, wo viele Erwerbstätige aus Angst um
ihren Arbeitsplatz auch krank arbeiten gehen und kaum ein Arbeitsrechtler
glaubt, daß sich die Freiwilligkeit des gerade erst möglich gemachten
12-Stunden-Tags in der Praxis durchsetzen läßt, wird die Wirksamkeit des
Generalkollektivvertrags diesbezüglich wohl nicht mehr gegeben sein.

So, das ist also des Pudels Kern! Bei der Karfreitagsdebatte geht es nicht
um einen Feiertag, sondern um einen politischen Präzedenzfall zur
Aufkündigung der Sozialpartnerschaft. Damit wird das Kollektivvertragsrecht
und damit auch das Arbeitsverfassungsgesetz in Frage gestellt. Weil sonst
kommt die Regierung demnächst daher und läßt das Parlament das
Arbeitszeitgesetz "verbessern", in dem es die Normalarbeitszeit auf 39,5
Stunden senkt und damit alle Kollektivverträge, die eine kürzere
Wochenarbeitszeit vorschreiben, für obsolet erklären. Weil wir uns halt
nicht wundern dürfen, was alles noch geht.

Darüber wäre jetzt einmal dringend zu reden! Und nicht darüber, wie heilig
der Karfreitag dem protestantischen Klerus eigentlich ist.
*Bernhard Redl*


***************************************************
Der akin-pd ist die elektronische Teilwiedergabe der nichtkommerziellen
Wiener Wochenzeitung 'akin'. Texte im akin-pd muessen aber nicht
wortidentisch mit den in der Papierausgabe veroeffentlichten sein. Nachdruck
von Eigenbeitraegen mit Quellenangabe erbeten. Namentlich gezeichnete
Beitraege stehen in der Verantwortung der VerfasserInnen. Ein Nachdruck von
Texten mit anderem Copyright als dem unseren sagt nichts ueber eine
anderweitige Verfuegungsberechtigung aus. Der akin-pd wird nur als
Abonnement verschickt. Wer versehentlich in den Verteiler geraten ist, kann
den akin-pd per formlosen Mail an akin.redaktion@gmx.at abbestellen.

*************************************************
'akin - aktuelle informationen'
postadresse a-1170 wien, lobenhauerngasse 35/2
redaktionsadresse: dreyhausenstraße 3, kellerlokal, 1140
vox: 0665 65 20 70 92
http://akin.mediaweb.at
blog: https://akinmagazin.wordpress.com/
facebook: https://www.facebook.com/akin.magazin
mail: akin.redaktion@gmx.at
bankverbindung lautend auf: föj/BfS,
bank austria, zweck: akin
IBAN AT041200022310297600
BIC: BKAUATWW