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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 19. Dezember 2018; 23:16
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> Wieder Wickel um Palästina-Veranstaltung
Vorbemerkung der Redaktion: Debatten über die Situation in Israel/Palästina
vergiften das innerlinke politische Klima seit Jahrzehnten -- vor allem in
deutschsprachigen Ländern. Daher hat die akin es zumeist vermieden, diese
wenig fruchtbringenden Diskussionen zu reproduzieren. Dennoch existiert
natürlich der Konflikt weiter und spätestens, wenn es wie am 7.Dezember zu
physischen Auseinandersetzungen zwischen Gruppen, die sich als links
verstehen, kommt, muß man doch darüber reden.
Nachstehender Text (A) erschien schon vorab auf unserem Blog in der
Hoffnung, daß die andere Seite in dieser Auseinandersetzung sich
aufgefordert fühlt, Stellung zu beziehen, um das hier im Druck
berücksichtigen zu können. Diese Stellungnahmen beschränkten sich allerdings
auf zwei Tweets (B).
Die gleiche Veranstaltung fand einen Tag vor den Wiener Geschehnissen in
Graz statt. Auch da wäre, so die Veranstalter, im Vorfeld auf den Betreiber
der Räumlichkeiten Druck ausgeübt worden, diese Veranstaltung noch
abzusagen. Da bei einer solchen Auseinandersetzung die Inhalte oft zur
Nebensache werden, seien diese hier -- in der Schilderung der
Veranstalter -- im Anhang auch reproduziert. (C)
Sollte von den Kritikern der Veranstaltung doch noch eine gehaltvolle
Stellungnahme einlangen, werden wir diese in der nächsten Ausgabe
berücksichtigen.
*
(A) Die große Verdrehung
Erklärung der Palästina-Solidarität Österreich zur Attacke der
"Bewohner_innen des EKH" auf die Veranstaltungsserie mit Attia Rajab
Am 7.12.18 fand in den Räumlichkeiten der "Föderation Demokratischer
Arbeitervereine" (DIDF) im Wiener Ernst-Kirchweger-Haus (EKH) die letzte
Diskussion der Veranstaltungsserie mit Attia Rajab unter dem Titel
"Gaza-Drama - ein Augenzeugenbericht" statt, nachdem bereits davor jeweils
eine in Linz und Graz von statten gegangen war.
Eine halbe Stunde davor fanden sich ein paar autonome BewohnerInnen des EKH
ein, um den DIDF-Vertretern zu erklären, dass zwei der mitveranstaltenden
Gruppen "extrem problematisch" waren. BDS und AIK seien "in der
Vergangenheit durch Antisemitismus aufgefallen. Vor allem die AIK hat bisher
keine (ideologische) Nähe mit Faschist_innen, Nationalist_innen,
Rechtsextremist_innen und Holocaust-Leugner_innen gescheut." Diese Anwürfe
wurden jedoch ohne jede Mühe einer inhaltlichen Beweisführung gebracht.
Dem nicht genug, rückte bei Veranstaltungsbeginn ein halbes Dutzend mit
schwarzen Kapuzenwesten gekleideter "EKH-BewohnerInnen" aus, um rund um die
Tür des DIDF-Lokals die Wände mit ihrem Flugblatt zuzuplakatieren. Einige
der VeranstaltungsteilnehmerInnen begaben sich hinaus, um sich selbst diesen
unerwarteten aggressiven Akt anzusehen - hätte man doch eher erwartet, dass
sich die Kritiker an der Veranstaltung mit inhaltlicher Argumentation
beteiligt würden. Attia Rajab selbst hatte sie zuvor noch ausdrücklich dazu
eingeladen.
So begab sich auch Josef Pampalk, ein 80-jähriger ehemaliger in Mosambik
aktiver Entwicklungshelfer, der sich Zeit seines Lebens gegen die
südafrikanische Apartheid engagiert hatte und heute für die
Gleichberechtigung der PalästinenserInnen eintritt, vor die Tür. Er zeigte
sich empört, sprach die Leute an, was sie denn da machen würden, und hob an,
die gespenstische Szenerie mit seinem Handy zu fotografieren. Der junge Mann
in Schwarz, der auf seine Fragen nicht antworten wollte, schlug ihm
stattdessen das Handy aus der Hand und traf ihn dabei im Gesicht. Dann nahm
er Reißaus.
Josef hatte die Polizei gerufen, doch die kam viel zu spät. Er entschied
keine Anzeige zu machen, auch angesichts der Tatsache, dass viele der
TeilnehmerInnen mit den AngreiferInnen ins Gespräch zu kommen versuchten.
Zum Inhaltlichen: Die Regierung Kurz-Strache versucht alles, die Formel von
Netanyahu und Trump auch in Österreich und der EU amtlich zu machen:
Antizionismus sei gleich Antisemitismus. Das soll zum unhinterfragbaren
Axiom, zu einem Tabu gemacht werden. Wer es zu hinterfragen wagt oder allein
die Frage zulässt, wird selbst verdächtig und zum Antisemiten.
Autonome Diskussionsverweigerung ist also nicht schlechten Manieren
geschuldet, sondern hat System. "Konsequenter Antifaschismus muss bedeuten,
diesen Gruppen keinen Raum zu geben." Wer also im Sinne der freien
Meinungsäußerung Räume zur Verfügung stellt, ist ebenfalls zu bekämpfen,
auszugrenzen, zu verfolgen. Argumenten bedarf es keiner.
Für uns bedeutet konsequenter Antifaschismus dagegen, die rassistischen
Unterdrückungsverhältnisse auch in Israel beim Namen zu nennen. Den
ursprünglichen BewohnerInnen des Landes, den PalästinenserInnen aller
Konfessionen, wurde und wird das Land mit allen Mitteln weggenommen -- es
wird ethnisch gesäubert. Wo das nicht ausreichend gelingt, werden sie einem
Regime der kolonialen Ungleichheit unterworfen. In Südafrika nannten die
SiedlerInnen dieses System Apartheid.
Unsere Kritik am Zionismus richtet sich grundsätzlich gegen Kolonialismus
und koloniale Ungleichheit und tritt für gleiche Rechte für alle und für
Demokratie ein. All das ist Erbe des Antifaschismus und der historischen
Linken seit der Französischen Revolution. Der Zionismus nicht. Er ist Erbe
der Zeit des Nationalismus, Rassismus und der systematischen Ungleichheit -
es ist eine grundlegend rechte Ideologie und Grundlage eines
imperialistischen Projekts.
Es ist kein Zufall, dass die herrschenden SystemträgerInnen Israels nicht
den traditionellen Antisemitismus als Problem ansehen, sondern den linken
Antizionismus, dem sie den Stempel des Antisemitismus mit Gewalt
aufzudrücken versuchen. Nicht umsonst verortet sich die FPÖ in der Tradition
des deutschnationalen Dritten Lagers, in dem auch die NSdAP groß wurde. Und
die ehemals christlich-soziale ÖVP hat sich vom austrofaschistischen und
antisemitischen Dollfuß-Regime nie distanziert. Ihre Vorläuferorganisation
waren die "Vereinigten Antisemiten" des Wiener Bürgermeisters Karl Lueger,
dessen Namen bis vor Kurzem noch ein Teil der Wiener Ringstraße trug.
Zu den inkriminierten Gruppen, die Teil der Palästina-Solidarität Österreich
sind:
BDS (Boycott, Disinvestment, Sanctions) basiert auf einem Aufruf (1) der
palästinensischen Zivilgesellschaft 2005. Er ist der Boykottkampagne gegen
das Apartheid-Südafrika nachempfunden und richtet sich gegen fremde
Besatzung sowie Besiedlung und verteidigt das von der UN verbriefte
Rückkehrrecht der vertriebenen palästinensischen Flüchtlinge bzw. ihrer
Nachkommen. Natürlich gefällt den Herrschenden in Israel der Vergleich mit
Südafrika nicht und sie versuchen mittels Antisemitismuskeule
zurückzuschlagen, nicht nur gegen die Linke, sondern auch gegen die Mehrheit
der UN-Mitglieder, gegen Völkerrecht usw.. Tatsache ist jedoch, dass sich
das System der Bantustans von jenem der PNA-Gebiete nur graduell
unterscheidet.
Die Antiimperialistische Koordination (AIK) wiederum ist seit ihrer Gründung
in den 1990er für einen gemeinsamen demokratischen Staat aller
EinwohnerInnen unabhängig ihrer Konfession eingetreten, wie es auch die
Forderung der frühen PLO, des südafrikanischen ANC, der algerischen FLN und
aller Befreiungsbewegungen gegen Siedlerkolonialisten war. Den Vorwurf der
"Nähe zu Holocaust-Leugnern" gegen die AIK musste das DÖW übrigens 2008
zurücknehmen (2), aber so kleinlaut, dass die Antinationalen es noch immer
zu zirkulieren versuchen. Das ist auch intendiert; es ist die Methode des
Rufmordes.
Prozionistische IdeologInnen haben sich beide Gruppen als Ziele ausgesucht
und versuchen durch Missbrauch der Autorität des antifaschistischen
Widerstands die große Operation der Umdeutung von Antizionismus zu
Antisemitismus (ausführliche Dokumentation und Zurückweisung der AIK: (3))
durchzusetzen. Wie sehr das für das globale herrschende System funktional
ist und wie wenig die Vorwürfe mit der Realität zu tun haben, zeigt sich
gegenwärtig im weltpolitischen Maßstab. Die Kampagne gegen Jeremy Corbyn,
der in Großbritannien für ein Ende des Neoliberalismus eintritt und als
Linker natürlich auch propalästinensisch ist, wird ebenfalls als Antisemit
bekämpft.
Bemerkenswert ist das laute Schweigen dieser zionistischen IdeologInnen
dort, wo Antisemitismus und Judenfeindlichkeit den westlichen Großmächte zu
Diensten sind, z.B. als im Gefolge der NATO-Bombardements gegen die BR
Jugoslawien der Kosovo von den Verbündeten des Westens "judenfrei" gemacht
wurde, oder die US- und EU-Eliten mit offen neofaschistischen und
antisemitischen Kräften beim prowestlichen Staatstreich in der Ukraine
kollaborierten.
Es ist der Zionismus, ein Siedlerkolonialismus, der in der Zeit des
rassistischen Nationalismus entstanden ist und der im israelischen
Apartheidregimes bis heute wirkt. Es ist eine ungeheuerliche Verdrehung, ein
unerhörter Missbrauch der Katastrophe des Völkermordes an den JüdInnen, die
linken KritikerInnen des israelischen Apartheidregimes mit dem zu
verleumden, was der Zionismus selber repräsentiert, nämlich einen
rassistischen Nationalismus.
(1) http://bds-info.at/was-ist-bds/aufruf/
(2) http://www.antiimperialista.org/de/node/5700
(3)
http://www.antiimperialista.org/de/content/verleumdungskampagne-des-d%C3%B6w-ii)
*
(B) Tweets
Lediglich auf Twitter gab es zwei Stellungnahmen zu der
Blog-Veröffentlichung:
@DiskrautThemAll schreibt:
"Israel - bei allem Scheiß, der in der Westbank verbrochen wird -
Kolonialismus zu unterstellen is sowas von extrem Scheiße. Das is
Antizionismus wie ihn Nasser betrieben hat. Ich erwart mir von der akin eine
differenziertere Position als die Behauptung man könne mit der AIK reden"
@Loukanikos schreibt
"Ihr erklärt, dass ihr den Aktivist*innen vom EKH auch Platz einräumen
wollt. Allerdings erwähnt ihr nicht, dass es eine Vorwarnung gab, denn in
der Erklärung auf der EKH-Seite steht, dass schon im Vorfeld der
Veranstaltung Protest geäußert, dies aber von DIDF ignoriert wurde."
In der im zweiten Tweet erwähnten Stellungnahme im Vorfeld ist zu lesen:
"Die Veranstaltung selbst kennen wir inhaltlich nicht, aber die
veranstaltenden Gruppen sehr wohl. Zwei davon sind BDS (Boycott, Divestment
and Sanctions) und der AIK (Antiimperialistische Koordination), die beide in
der Vergangenheit durch Antisemitismus aufgefallen sind. Vor allem die AIK
hat bisher keine (ideologische) Nähe mit Faschist_innen, Nationalist_innen,
Rechtsextremist_innen und Holocaust-Leugner_innen gescheut und unterstützen
auch unhinterfragt neurechte, nationalistische Ideologien. Die DIDF wurde
von unserer Seite wiederholt auf die Nichtolerierbarkeit dieser
Veranstaltung bzw. der Veranstaltenden hingewiesen, bis jetzt ohne jegliche
Reaktion von ihrer Seite. Wir wollen euch und auch erneut die DIDF auf die
extreme Problematik dieser Veranstaltung hinweisen. Ein konsequenter
Antifaschismus muss bedeuten, diesen Gruppen keinen Raum zu geben. Wir
erklären uns entschieden gegen diese Veranstaltung und hoffen hiermit doch
noch einige Besucher_innen wachrütteln zu können. Gegen jeden
Antisemitismus, Faschismus, Rassismus und Nationalismus!"
( https://med-user.net/~ekh/ )
*
(C) Bericht
Über die Vortrags-Diskussionsveranstaltung mit Attia Rajab zum Thema "GAZA
DRAMA: Augenzeugenbericht mit Perspektiven für eine gerechte Lösung", Do. 6.
Dezember, 19:00, Jazzcafe Stockwerk, Graz, Jakominiplatz 18
An der Veranstaltung nahmen 28 Personen teil. Bei der Diskussion kam es zu
etwa 10 Wortmeldungen. Die gesamte Veranstaltung verlief störungsfrei.
Die Lage im Gaza
Attia Rajab schilderte plastisch die durch die Israelische Belagerung des
Gaza-Streifens ausgelösten dramatischen Lebensumstände der Menschen. Neben
den unmittelbar militärischen Bedrohungen durch die IDF (ständige
Drohnenüberwachung aus der Luft, Fliegerangriffe, gezielte Tötungen und
schwere Verletzungen durch IDF-Scharfschützen) führte er vor allem die
desaströsen ökologischen Folgen breit aus. Einige Beispiele:
- Da Israel meist nur 4 Stunden am Tag Strom liefert funktionieren die
Kläranlagen nicht und das Schmutzwasser wird ungereinigt ins Meer geleitet.
Dieses ist verseucht, man kann nicht mehr darin schwimmen.
- Entlang der Gaza-Ostgrenze hat Israel sehr tiefe Grundwasserbrunnen
gebohrt, diese saugen das Wasser aus den nicht so tiefen Brunnen der Gazaner
ab. Vom Meer her drängt verschmutztes Salzwasser nach. Infolge des häufig
herrschenden Strommangels funktionieren auch die
Meerwasserentsalzungsanlagen nicht. Wasser aus dem Israelischen
Versorgungsnetz - das seinerseits zum Großteil aus dem zu 80 Prozent von
Israel genutzten zentralen Aquifer des Berglandes der Westbank kommt - muss
teuer bezahlt werden, was sich die BewohnerInnen kaum leisten können.
- Ebenfalls aus Strommangel funktionieren lebensnotwendige Apparaturen in
den Spitäler oft nicht. Auch lebensrettende Medikamente sind nur sehr
begrenzt verfügbar.
- Die Armut der Bevölkerung führt dazu, dass sie versucht, aus dem beengten
landwirtschaftlich nutzbaren Raum einen möglichst hohen Ertrag zu
erwirtschaften. Dafür werden Pestizide und Düngemittel eingesetzt. Daher
sind inzwischen die Böden verseucht und die Lebensmittel stark belastet.
- Insgesamt gibt es ein starkes "Sterben vor der Zeit". Krebserkrankungen
haben ein erschreckende Häufigkeit angenommen.
- Die durch die israelischen Bombardements an den Gebäuden während der
zurückliegenden drei Gaza-Kriege entstandenen Kriegsschäden können nicht
repariert werden, weil Israel Baumaterialien - etwa Zement - als für seine
Sicherheit relevant deklariert und daher den Import stark beschränkt.
- Die Arbeitslosigkeit ist sehr hoch. Vor allem die Jugend ist verzweifelt
und will weg. Da sie das nicht kann, versucht sie die Weltgemeinschaft durch
ihre verzweifelten Demonstrationen am Israelischen Sicherheitszaun auf das
Elend aufmerksam zu machen.
Perspektive der Konfliktlösung
Als längerfristig allein mögliche Lösung sah der Vortragende das - unter
Respektierung der Menschenrechte und des Völkerrechts - gleichberechtigte
Zusammenleben in einem demokratischen Staat. Die deutsch-französische
Aussöhnung oder das nunmehrige Zusammenleben von Schwarzen und Weißen im
neuen Südafrika seiner Beispiele, dass alter Hass überwunden und politische
Systeme geändert werden können. Wie genau das funktionieren könne - etwa
durch eine föderal-kantonale Lösung oder durch eine andere Sicherung der
jeweiligen Minderheitenrechte - sei von den Konfliktparteien in direkten
Gesprächen auf Augenhöhe zu vereinbaren.
Als das bisher massiv unterdrückte Volk werde die Zustimmung zu einer
derartigen Lösung den PalästinenserInnen aber leichter fallen als den Juden.
Selbst in der Bevölkerung des Gaza habe er eine hohe Bereitschaft zu einem
realistischen Kompromiß wahrgenommen. Internationaler Druck auf Israel sei
daher unerläßlich. Die internationale BDS-Bewegung sah er als notwendiges
politisch-strategisches Instrument.
*Franz Sölkner, Palästina Solidarität Steiermark*
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