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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 5. Dezember 2018; 21:07
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Glosse / Moderne Zeiten:
> Wir Geschützten
Fürchtet Euch vor dem Neuland!
Dieses Internet ist furchtbar! Ein einziges Satan und Gonorrhoe, oder wie 
das heißt! Elf! Das Gejammer über dieses allzufreie Medium ist älter als das 
Medium selbst. Vor der Erfindung des Fernsehers war das Lesen von 
belletristischen Büchern bei manchen Tugendwächtern schon eine Angelegenheit 
der Verderbnis. Und schon damals gab es Obrigkeiten, die auf die Bedürfnisse 
der diesbezüglich Besorgten mit "Schutzmaßnahmen" reagierten. "Zensur" 
nannte man das.
Aktuell reden wir in Österreich von "Hass im Netz" und mangelndem 
Jugendschutz. Feuer ist aber am Dach, wenn man dann noch eine schwarzblaue 
Regierung hat, die die diesbezügliche Hysterie gleich doppelt nutzen kann --  
als Ablenkung von ihrer asozialen Politik und als Rechtfertigung für 
autoritäre Maßnahmen. Denn was heißt den "Klarnamenpflicht", wie sie diese 
Regierung jetzt durchsetzen will? Das ist sowas wie das Vermummungsverbot im 
realen öffentlichen Raum -- zuerst gab es das nur bei Demos, heute gilt das 
hierzulande jederzeit und für alle. Zuerst argumentierte man, man müsse bei 
Demos Gewalttäter erkennen können -- wer nichts zu verbergen habe, hätte ja 
auch nichts zu befürchten. Das kennen wir. Deswegen ja auch die Sache mit 
der Vorratsdatenspeicherung. Man muß alle möglichen Rechtsgüter schützen und 
daher muß der Staat alles wissen können, was so im Netz passiert.
In der nicht virtuellen Welt mußte man dann noch die Frauen vor 
Unterdrückung schützen -- also Burkaverbot. Da das aber verfassungsrechtlich 
nicht so geht, gibts das totale Vermummungsverbot. Angenehmer Nebeneffekt: 
Dank fortschreitender Durchseuchung mit Überwachungskameras ist man kaum 
mehr in der Lage überhaupt im öffentlichen Raum unerkannt zu bleiben.
Und das war alles noch vor der Kurz-Regierung.
Hier wird die Schimäre erzeugt, man lebe schließlich in einem Rechtsstaat 
und niemand habe etwas zu befürchten, der sich an die Regeln halte. Und 
diese Regeln sind alle demokratisch und gerecht. Und das werde auch immer so 
bleiben. Also kann doch gefälligst jeder, der sich im Netz äußert, seine 
Identität bekanntgeben, oder? Und wer etwas dagegen hat, das ist 
wahrscheinlich so einer, der sich nicht an die Regeln hält. Der hat was zu 
verbergen! Wie heissen Sie, können Sie sich ausweisen?
Daß sich autoritäre Maßnahmen am Leichtesten durchsetzen lassen, wenn man 
moralisch argumentiert, ist ein alter Hut. Auch die zweite Idee zur 
Regulierung des Internets funktioniert so -- verpflichtende 
Pornographiefilter! Da will man natürlich nicht bevormunden -- schließlich 
geht es ja um den Jugendschutz. Wer trotzdem Pornos will, muß das beim 
Internetprovider melden -- ja, schön, da reden wir von Big Data und 
Datenschutzgrundverordnung und dann verpflichten wir die Internetprovider, 
Kataster der Pornokonsumenten zu führen. Einmal von technischen und 
praktischen Unsinnigkeiten abgesehen, geht es hier darum, die 
Netzneutralität wieder ein bisserl einzudämmen. Wir protestieren hierzulande 
so gerne gegen irgendwelche autoritäre Regime, die Netzfilter einsetzen, 
aber hierzulande machen wir das Gleiche. Denn diese Regime machen ja auch 
nichts anderes -- sie definieren halt nur den Schutz der Bevölkerung vor 
schädlichen Inhalten anders. Und wenn man mal damit angefangen hat, die 
Bevölkerung vor irgendwas schützen zu wollen, dann wird man nicht bei Porno 
aufhören. Schon jetzt ist davon die Rede, wie auch immer zu definierende 
Gewalt mit in diesen Filter zu nehmen. Das wird so wahrscheinlich nicht 
passieren, weil das auch Netflix und Youtube schädigen würde, aber allein 
die Überlegung zeigt, wohin die Reise geht. Das nächste werden dann 
Homepages von Gruppierungen sein, die man des Terrors zeiht -- zum Teil gibt 
es diese Filter ja schon. Aber das ist natürlich ausbaufähig. Vielleicht 
wird es demnächst so sein, daß man bei seinen Internetprovider beantragen 
muß, daß man auch Seiten sehen darf, die beispielsweise der PKK zugerechnet 
werden?
Dann sind da noch die Sachen mit den Uploadfiltern, weil man ja die 
Urheberrechte schützen müsse. Und was weiß ich noch, wer aller geschützt 
werden muß. Vor diesem bösen Internet. Die Tatsache, daß die Kritik an all 
dieser Schützerei vor allem aber in genau diesem Internet passiert, macht 
klar, warum es geht: Da ist ein Geist aus der Flasche gekommen, der der 
Obrigkeit nicht gefallen kann. Es geht ein Gespenst um in der Welt, das 
Gespenst der totalen Kommunikation. Ja, alles ein bisserl abgehackt und 
bruchstückhaft, oft genug hysterisch und verblödet. Manchmal verzweifelt man 
am Informationsoverkill. Aber die gesellschaftliche Reaktion darauf müßte 
sein, daß wir alle auf diesem Globus uns dazu befähigen, mit diesem Medium 
vernünftig umzugehen. Das ist doch eine große Chance: Wenn einmal wirklich 
der Netzzugang für alle auf dieser Welt gleichermassen realisiert ist, dann 
könnten wir das divide et impera überwinden. Dank immer besser werdenden 
Übersetzungsroutinen wäre auch die sprachliche Barriere bald keine mehr. 
Wenn gesellschaftliche Maßnahmen gesetzt würden, um uns aus unseren "Blasen" 
hinausbegeben zu können und Medienkompetenz zu entwickeln, dann könnte 
tatsächlich sowas wie Egalität entstehen. Bildung wäre angesagt, nicht 
Verbote!
Bei all den gesetzlichen Maßnahmen, die da jetzt schon existieren oder auf 
den Weg gebracht werden, geht es ja wirklich um Schutz. Nämlich um 
Minderheitenschutz. Um den Schutz der Minderheit der Herrschenden.
*Bernhard Redl*
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