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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 31. Oktober 2018; 22:45
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Kommentierte Presseschau

> Waffen für die Welt

Na geh, die Liste Pilz macht einen Entschließungsantrag und die
Regierungsparteien stimmen dem nicht zu. Sowas aber auch. Nur in diesem Fall
ist die Sache schon recht heikel. Geht es doch um die Aufforderung an die
Regierung, Waffenexporte an Saudi-Arabien zu stoppen -- also etwas, was die
österreichische Außenministerin (in ihrer Funktion als Vertreterin des
EU-Vorsitzlandes) in allen EU-Ländern durchsetzen möchte. Das ist dann doch
irgendwo peinlich.

Im Vordergrund steht da jetzt die Debatte um den Fall Khashoggi, aber schon
seit längerem ist bekannt, daß Waffen, die nach Saudi-Arabien geliefert
werden, überall auf der Welt auftauchen -- nicht zuletzt im Jemen, wo
Korrespondentenberichten zufolge der Waffenmarkt mit Steyr-AUG zeitweilig
derart überschwemmt war, daß diese Gewehre billiger angeboten wurden als
Produkte von deutlich geringerer Qualität als der Standardwaffe des
österreichischen Bundesheeres. Österreich müßte generell eigentlich einer
der ersten Adressaten der Initiative der Außenministerin sein -- immerhin
gehören die hiesigen Waffenschmieden in ihrer Gesamtheit seit vielen Jahren
weltweit zu den fünf Top-Exporteuren von Kleinwaffen und sind in der EU an
diesbezüglichem Handelsvolumen nur mit Deutschland und Italien vergleichbar.

Besonders spannend ist aber ein Detail am Entschließungsantrag: Auch jene
Waffenausfuhren, die nicht unter das Kriegsmaterialiengesetz fallen, sollen
untersagt werden. Das trifft vor allem einen: Gaston Glock. Denn dessen
Pistolen, die nicht nur weltweit bei Polizeien und im Privatbereich sehr
beliebt sind, sondern auch an ausländische Militärs geliefert werden,
sind -- im Gegensatz zu den meisten Steyr-Produkten -- offiziell kein
Kriegsmaterial und unterliegen damit deutlich lockereren Bestimmungen bei
der Exportkontrolle. Und mittlerweile ist auch bekannt, daß drei der
FPÖ-Regierungsmitglieder mit der Familie Glock recht gut verhabert sind, wie
man bei dossier.at nachlesen kann: Strache, Hofer und Hartinger-Klein.
Letztere übrigens mit der originellen Ausrede, weil sie als
Tierschutzministerin mit der Frau des Patriarchen Glock Kontakt halte wolle,
weil diese sich doch auch so für den Tierschutz engagiere.

u.a.:
https://kurier.at/politik/ausland/waffen-an-saudis-kneissl-will-lieferstopp-tuerkis-blau-nicht/400299801
https://www.dossier.at/dossiers/glock/drei-minister-fuer-glock/

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> Kauf dir eine Wahl

Ist es wirklich so einfach? Es mutet uns ja oft recht seltsam an, wenn in
den USA Präsidentschaftskandidaten in ihren Erfolgschancen vor allem darin
beurteilt werden, wieviel Wahlkampfspenden sie sammeln können. Ja, aber das
kanns doch nicht sein, daß es nur darauf ankommt! Jetzt wurde bekannt, daß
die ÖVP mit 13 Millionen Euro Wahlkampfkosten 2017 fast das Doppelte der
zulässigen 7 Millionen ausgegeben hat. Eigentlich ist sowas ja ein
Rechtsbruch, aber offensichtlich eher eine läßliche Sünde, weil sich von den
großen Parteien eh niemand daran hält. Ja, der ÖVP könnte jetzt eine Strafe
von bis zu einer Million drohen -- aber was ist das schon im Vergleich mit
dem Erfolg den sie eingefahren hat? Und bei den potenten Spendern "aus der
Wirtschaft" (wie sich das Großkapital gerne nennt) sind das letztlich
Peanuts.

Das Erschreckende daran: Die Wahlkampfkosten korrelieren bei den Parteien
mit über 1% der Stimmen tatsächlich sehr stark mit den erkämpften Prozenten
bei der Wahl. Die ÖVP hatte die höchsten Wahlkampfkosten und wurde mit 31,5%
stärkste Partei. Dahinter die FPÖ mit 10,3 Millionen und 26%. Die SPÖ will
zwar nur 7,4 Millionen ausgegeben haben -- wenn allerdings die ÖVP mit ihrer
Behauptung Recht hat, daß die SPÖ einiges verschleierte, dann paßt das auch
sehr gut zu den erreichten 26,9%. Die NEOS geben rund 1,8 Millionen an und
bekamen 5,3% an Stimmen. Lediglich die Liste Pilz und die Grünen passen da
nicht ins Bild: Die Pilze meldeten nur 300.000, während die Grünen ein
Wahlkampfbudget von rund 4 Millionen einsetzten -- die LP kam knapp über die
4%-Hürde, die Grünen nicht. Aber ansonsten? Heißt das, derjenige gewinnt
heutzutage die Wahl, der die potentesten Spender hat und damit die meisten
Plakate drucken und die geilsten Events organisieren kann? Es scheint fast
so.

https://derstandard.at/2000090293391 (APA-Bericht)
https://www.gruene.at/transparenz/budget-nrw-2017.pdf

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> General Tacheles

Apropos erschreckend! Das ist es, wenn einem bei all den Militärschädeln,
die da letzten Sonntag im "Zentrum" des ORF waren, ausgerechnet der oberste
General am sympathischsten ist. Eine bestimmte Szene in dieser Diskussion
über die Frage, ob das Bundesheer aufrüsten müßte (die eigentlich von
vornhinein schon mit "Ja!" beantwortet worden ist), war da beispielhaft für
die ganze Sendung: Generalstabschef Brieger zählt ernsthaft die sogenannte
Petersberg-Aufgaben auf und sagt dann schließlich dies ginge hin bis zu
"Kampeinsätzen" -- in dem Moment assistiert der Journalist Conrad Seidl dem
General ins Wort fallend "die friedensschaffenden Maßnahmen". Das war doch
sehr erhellend: Die zivilen Militärfans, die nicht wirklich was damit zu tun
haben, verwenden den Schönsprech, während der Militär Tacheles redet. Dieser
ist auch der Einzige, der Dinge wie die NATO-"Partnership for Peace" oder
die EU-Pesco erwähnt -- also Dinge, über die die offizielle Politik, die
immer noch das Gschichtel von der immerwährenden Neutralität erzählt, nicht
so gerne erwähnt. Aber General Robert Brieger ist das egal -- der ist kein
Politiker, sondern er macht klar, daß die primäre Aufgabe des Bundesheeres
das Kriegführen ist, wenn es sein muß, auch gegen die eigene Bevölkerung.
Schließlich liegt das alles im Verfassungsauftrag des Bundesheeres. Und das
mit den Hochwassereinsätzen oder Pistentreten sind für den General nur
"subsidiäre Aufgaben", mit denen er zwar kein Problem habe, er aber schon
auch betont, daß die Bundesheerler eben die "Soldaten Österreichs" sind und
kein Technisches Hilfswerk.

Vielleicht ist es ein Zeichen der Zeit, daß heute einem General von seinem
Minister erlaubt wird, so deutlich zu werden -- und das ist natürlich schon
ein wenig gruselig. Andererseits: Wenn sich das Bundesheer als bewaffnete
Macht präsentiert, die es ja ist, anstatt als die nette Schneeschaufeltruppe
im Katastrophenfall -- ja, dann tut man sich auch leichter, deren Nettigkeit
in Zweifel zu ziehen. Danke, Herr General!

https://tvthek.orf.at/profile/Im-Zentrum/6907623/IM-ZENTRUM-Mehr-Heer-Soll-Oesterreich-aufruesten/13993495
(nur noch bis 3.11. abrufbar)

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> Die Journalisten, die Türkei und die EU

Fall Zirngast: Seit 7 Wochen sitzt jetzt Max Zirngast in türkischer Haft --
er hat das Glück österreichischer Staatsbürger zu sein, deswegen war er auch
bei uns in den Schlagzeilen, seinen türkischen Kollegen gelingt das nur eher
selten. Dennoch: Nach sieben Wochen kräht kaum mehr ein Hahn danach, so ist
halt unsere Medienkultur. Die Arbeiterkammer Wien hat jetzt (auf Initiative
der Kommunistischen Gewerkschaftsinitiative, KOMintern) einen Beschluß
gefaßt, die Bundesregierung nachdrücklich aufzufordern, "die Bemühungen um
die Freilassung des österreichischen Journalisten Max Zirngast umgehend zu
intensivieren". Und auch der sozialdemokratische EU-Abgeordnete Josef
Weidenholzer hat mit einer Medienaktion die Freilassung gefordert.

Ist halt nur egal -- die Außenministerin sieht die Sache zwar wenigstens als
"Konsularfall" an (immerhin besser als das Verhalten Ferrero-Waldners
gegenüber der Volxtheaterkarawane 2001), möchte aber sonst nichts weiter
tun, um die Beziehungen zur Türkei nicht zu gefährden. Was sich mit dem
Verhalten ihrer Fraktion in der AK deckt: Die Freiheitlichen Arbeitnehmer
wollten der Resolution für Zirngast nicht zustimmen -- obwohl sie doch sonst
immer die ersten sind, wenns darum geht, die Türkei zu kritisieren.

https://www.unsere-zeitung.at/2018/10/27/ak-wien-fordert-freilassung-von-max-zirngast/
Zum Fall Zirngast siehe auch seinen ersten Brief aus dem Gefängnis im
heutigen akin-pd.

Fall Yigit: Ähnlich verlo..., nein, ambivalent ist die deutsche Regierung,
wenn es um Kritik an dem geht, was unter Erdogan Pressefreiheit bedeutet.
Nicht nur, daß Beamte des Bundeskriminalamtes in Deutschland einen
türkischen Journalisten von einer Pressekonferenz des Sultans abführten,
weil dieser Journalist auf einem T-Shirt Pressefreiheit angemahnt hatte,
jetzt hatte es geheißen, das Adil Yigit nach knapp 30 Jahren in Deutschland
auch noch in die Türkei abgeschoben werden sollte -- wegen Arbeitslosigkeit.
Das stellte sich dann allerdings als Mißverständnis heraus, weil Yigits
Aufenthaltserlaubnis in eine andere formale Form umgewandelt werden
sollte -- und bei diesem bürokratischen Akt die Behörde auch eine
Ausreiseaufforderung dranhängte. Warum das, ist unklar, aber Yigit sah nur
diese Auforderung, geriet in Panik und wandte sich an die Medien.

Ein Skandal ist die Geschichte trotzdem, wenn auch aus anderen Gründen. So
schreibt die Online-Ausgabe der Tagesschau: "Klar ist: Der Bescheid an Adil
Yigit ist in Form und Inhalt ein Beleg für eine menschenfremde Bürokratie.
So wird in dem Bescheid ein fixer Ausreisetermin genannt, mehrfach wird mit
Abschiebung gedroht. Angehängt an den Brief ist eine formelle behördliche
Grenzübertrittsbescheinigung. Bei Yigit habe dies zunächst eine
'Schocksituation' ausgelöst, wie er erklärte. ... Erst heute -- Tage
später -- konnte Yigit das Schreiben mit seinem Anwalt persönlich
besprechen. 'Ungewöhnlich' nennt der -- ein erfahrener Anwalt in Sachen
Aufenthaltsrecht -- das Schreiben. 'Die sollen sich schämen, solche Briefe
zu verschicken', beklagt Yigit selbst und fragt: 'Soll das ein Bescheid sein
oder ein Rätsel'?"

http://www.taz.de/!5543308/
https://faktenfinder.tagesschau.de/fall-yigit-101.html

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> Cum-Ex-Geschäfte: Gutgemeintes Clickbaiting

"Warum es OK ist, dass wir das Leben von Superreichen finanzieren" titelte
das an reisserischen Schlagzeilen nicht gerade arme deutsche VICE-Magazin.
Und gab ausnahmsweise gleich zu, daß das pures Clickbait (also ein
Klickköder, um höhere Zugriffszahlen im Netz zu erreichen) sei. Denn wieso
würde sonst jemand einen Artikel anklicken, in dem es um fade Medienkritik
und Aufmerksamkeitsökonomie geht -- der Zeitungsleser muß zugeben, daß auch
er selbst dem provokanten Charme dieser Schlagzeile erlegen ist und den Text
wohl sonst nicht gelesen hätte.

Im Artikel geht es vor allem um die Relationen zwischen Skandal und
Skandalisierungsmöglichkeiten. In diesem Fall um den Cum-Ex-Skandal: "55,2
Milliarden Euro. Das ist die Summe, die ein Netzwerk aus Anwälten,
Investment-Bankern und superreichen Investoren den Steuerzahlern in ganz
Europa geklaut hat. Das meiste davon kommt vom deutschen Staat, den sie am
energischsten geplündert haben: 31,8 Milliarden Euro. ... Und die Reaktion
der Öffentlichkeit auf die Enthüllung des 'grössten Steuerraubs in der
Geschichte Europas'? Betretenes Schweigen, Desinteresse. ... Zum Vergleich
muss man sich nur anschauen, wie lautstark und emotional die Debatte um die
arabischen Grossfamilien aus Neukölln geführt wird. Um das mal einzuordnen:
Dem wahrscheinlich erfolgreichsten der kriminellen Berliner Clans, der
Familie R., wirft die Staatsanwaltschaft jetzt vor, mit illegalem Geld
Immobilien im Wert von rund 10 Millionen Euro gekauft zu haben. Das ist
nicht gut - aber nichts gegen 31,8 Milliarden Euro, die ein paar Superreiche
dem Staat einfach direkt aus der Tasche genommen haben. Trotzdem
interessiert das eine praktisch alle - vom Boulevard bis zur FAZ, vom
Busfahrer bis zum Bundestagsabgeordneten - und das andere fast niemanden.
... Schon die Enthüllung der Panama-Papers, die einen einzigartigen Einblick
in das weltweite Netzwerk von Offshore-Firmen gaben, löste nicht die
Empörung aus, die die Journalisten vielleicht erwartet hatten. Aber die
Panama-Papers gaben keine Hinweise auf konkrete Verbrechen, auch wenn
natürlich klar war, wozu all diese Reichen Offshore-Firmen unterhalten. Beim
Cum-Ex-Skandal ist das anders: Wir haben eine konkrete, völlig unglaubliche
Summe, die aus unserer Gemeinschaftskasse gestohlen wurde - und wir zucken
mit den Schultern. Am nächsten Tag findet jemand heraus, dass eine Berliner
Staatssekretärin eine Rolex trägt - und löst eine Welle der Empörung, eine
Debatte über sozialistische Werte und Reaktionen von Spitzenpolitikern wie
Christian Lindner aus. ... Das muss sich ändern. Wir müssen uns ärgern. Wir
müssen uns ärgern, dass Menschen, die bereits Millionen oder Milliarden
besitzen, es in Ordnung finden, sich auf unsere Kosten weiter zu bereichern.
Wir müssen solange Druck aufbauen, bis der Staat die Verantwortlichen zur
Rechenschaft zieht, sich das Geld zurückholt und diese Schlupflöcher für
immer schliesst."

Jo eh! Aber ich hab da einen Verdacht. Matern Boeselager, der Autor obiger
Zeilen, geht davon aus -- oder will, wie wir fast alle der schreibenden
Zunft, davon ausgehen --, daß die Berichterstattung über Mißstände dazu
führen soll und kann, daß diese Mißstände behoben werden. Wenn man das so
sehen will, braucht es natürlich keinen human touch, um einen echten Skandal
auch wirklich skandalisieren zu können. Nur so ist es halt nicht. Empörung
bedeutet heute nicht mehr Erhebung, wie das Wort früher verstanden worden
ist, sondern ist eine Form der Unterhaltung geworden. Wer heute von
Skandalen liest, will erstens, daß seine bereits vorgefaßten Meinungen damit
bestätigt werden, und zweitens muß das Ganze eben einen wohligen Schauer
hervorrufen, ähnlich einem Gruselfilm. Milliarden an Euro aber sind sowas
von unblutig -- da brauchts dann schon das Bild einer verhungernder
Romafamilie vor der Sillouette der Deutschen Bank oder sowas, damit der
Unterhaltungswert gegeben ist. Nur: Deswegen ändern würde sich trotzdem
nichts. Warum? Weil in unseren sogenannten Demokratien das Volk sowieso
nicht mehr die Hoffnung hat, die Politik beeinflussen zu können. Also zieht
sich der Medienkonsument zurück und genießt das Infotainment. Danach sieht
die Berichterstattung aber auch aus. Denn mit echten Skandalen ohne
erschütternde Bilder kann man halt kein Waschmittel verkaufen.

Auch das ist eigentlich ein Skandal, der keinen interessiert.

https://www.vice.com/de_ch/article/3kmm4j/warum-es-ok-ist-dass-wir-das-leben-von-superreichen-finanzieren

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> Zensur ante portas?

Nachtigall, ich hör dich schon wieder, nein, nicht trapsen, nicht mal
trappen, sondern trampeln: "Die Ankündigung schärferer Gesetze gegen Hass im
Internet ist eine gute Nachricht -- auch, dass die Bundesregierung
geschlossen hinter diesem Plan steht. Denn nur eine klare Formulierung von
Grenzen sowie eine Möglichkeit zu -- gerne auch drastischen -- Strafen für
Ignoranten kann dieses Phänomen eindämmen. Es ist keinesfalls rechtens, dass
sich diverse Feiglinge dank der Anonymität in den sozialen Medien zu
Aussagen hinreißen lassen, die in einer öffentlichen Runde von Menschen --
also von Angesicht zu Angesicht -- auf Widerspruch stoßen würden und
sofortige Reaktionen zur Folge hätten." So kommentiert das "Neue Volksblatt"
(also das ÖVP-Blatt mit einer Reichweite, die gerade mal ein klein wenig
über der der akin liegt), den jüngsten Vorstoß von Herrn Moser. Das war ja
zu befürchten! Natürlich sind oft viele Grauslichkeiten im Netz. Natürlich
ist die Debattenkultur unterirdisch und was bspw. Sigrid Maurer da so --
allerdings nichtöffentlich -- lesen mußte, absolut inakzeptabel. Viele
LeserInnen dieses Blattes hätten obigem Kommentar daher vielleicht sogar
zugestimmt, müssen sich jetzt aber fragen, ob das, wenn es im Volksblatt
steht, wirklich eine verfolgenswerte Initaitive ist. Denn was ist die
Konsequenz? Gerade wenn diese Regierung das Problem angeht? Was wird denn da
als "Hass" definiert werden?

Wir erinnern uns an das Staatsverweigerergesetz -- und das noch unter der
alten Regierung! Da gab es Formulierungen in den Entwürfen, die gut jede
zweite NGO kriminalisierte hätte. Und was dann beschlossen worden ist,
reicht immer noch für einen veritablen Mißbrauch. Wer wird bei diesem neuen
Gesetzesvorstoß unter die Räder kommen? Reicht es dann vielleicht schon,
wenn ich klarmache, was für einen Haß ich auf die jetzige Regierung habe?
Oder muß die Formulierung dem Tatbild der schon jetzt bestehenden
einschlägigen Strafrechtsparagraphen genügen -- dann allerdings bräuchte es
keine neuen Gesetze, weil diese Paragraphen gibt es schon und sie wurden für
das Netz auch schon angewandt. Wenn es das also nicht ist, dann kann es wohl
nur darum gehen, genauer dingfest zu machen, wer was gepostet hat. Das würde
Klarnamenpflicht bedeuten und/oder Vorratsdatenspeicherung -- und zwar in
weit verschärfterer Form inklusive Inhaltsspeicherung. Und natürlich könnten
auch die Forenbetreiber in die Pflicht genommen werden -- was ja schon
bisher passiert ist und zu einer Art automatisierter Zensur geführt hat, vor
allem bei Facebook und Twitter. Das wäre dann aber wohl noch um Häuser
schlimmer. Mit einem solchen Gesetz könnte endgültig der gläserne User
eingeführt werden -- mit der Argumentation des hehren Zieles des Jugend- und
Frauenschutzes. Da bekommen wir dann ein ganz sauberes Internet. Wenn sich
so etwas aber sogar weltweit durchsetzt -- die Debatte ist ja nicht auf
Österreich beschränkt und derzeit geht es ja fast weltweit in Richtung
autoritärer, reaktionärer und faschistischer Regierungen -- dann wird es
bald eine ganz kurze Phase in der Geschichte gewesen sein, wo einigermassen
gleichberechtigte und demokratische Diskussionen über große Distanzen,
Kulturkreise und sogar Klassen möglich gewesen ist. Und dann werden wir uns
zurücksehnen nach den Zeiten, als im Internet noch geflucht werden durfte.

Neues Volksblatt, 29.10.2018, zit. nach:
http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20181028_OTS0045

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Zeitungsleser: -br-



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