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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 3. Oktober 2018; 17:14
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Schwarzblau

> Die Zauberer

Manches ist sicher nur Zufall. Aber oft genug merkt man, daß diese Regierung
vor allem von einer besonderen Art Ökonomie etwas versteht. Von der
Aufmerksamkeitsökonomie.
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Zauberer lenken gerne mit der einen Hand das Publikum ab, damit diese nicht
auf die andere achten. Unsere Regierung macht das ähnlich -- nur daß sie
halt zwei rechte Hände hat und keine linke. Kickl stilisiert sich als
Gaulreiter, organisiert Razzien, für die er gar nicht verantwortlich sein
will, und gibt seltsame Memos aus, die er nie gekannt haben will. Strache
postet auf Facebook jede noch so unsinnige Meldung aus rechten bis
rechtsextremen Medien und alle regen sich darüber auf. Und dann eröffnet
er -- wie passend zum Frauenvolksbegehren -- ein Denkmal für die
"Trümmerfrauen", daß aus mehr als einem Grund bedenklich ist. Hofer will
wieder mit 140 über die Autobahn brettern lassen, aber das nur Leuten
erlauben, die auf Deutsch ihren Führerschein gemacht haben. Und
Hartinger-Klein meint, man könne mit 150 Euro ganz gut leben, wenn einem die
Unterkunft bezahlt wird. Usw. usf.

Währenddessen bauen die Minister auf ÖVP-Tickets österreichisches Recht
um -- die Sache mit der vollkommen laienhaften Umfärbung der
Sozialversicherung geht zwar auch durch die Medien, aber halt nur unter
ferner liefen. Und wohl auch nur deswegen, weil da eine FPÖ-Ministerin mit
ihre Hand im Spiel hat. Dennoch: Für einen derart tiefgreifenden und auch
viel zu schnellen Umbau des Sozialversicherungssystems ist das mediale Echo
eigentlich viel zu schwach.

Wieder katholisch machen

Bei manchen ÖVP-Ministern fragte man sich hingegen zeitweilig schon, was die
denn eigentlich beruflich so machen. Herr Faßmann zum Beispiel! Der kommt
nach fast einem Jahr Amtszeit endlich mal in den Medien vor: Die "Neue
Mittelschule" wird zur "Mittelschule" und damit höchstwahrscheinlich wieder
zur Hauptschule. Bevor die NMS überhaupt das geworden ist, wozu sie gedacht
war, nämlich als Aufstiegsmöglichkeit in Höhere Schulen, wird sie schon
wieder abgedreht. Und in den Bereichen wo Noten abgeschafft worden sind,
werden sie wieder eingeführt.

Weniger Beachtung wurde einer Rede Faßmanns vor katholischen
Religionslehrern geschenkt -- dort erklärt er nämlich seine Pläne für einen
Ethikunterricht. Natürlich meint er damit ganz im Sinne des politischen
Katholizismus einen Unterricht für alle, die sich vom Religionsunterricht
abgemeldet haben. Das ist zwar nichts Neues, stand auch schon so im
Regierungsprogramm, aber in solchen Papieren steht oft viel drinnen, was
später egal ist. Interessant ist aber vor allem die Interpretation Faßmanns
für diese Passage des Regierungspapiers. Laut APA-Bericht stellt er sich das
nämlich so vor, das dieses alternative Pflichtfach Ethik sich "gar nicht so
weit wegbewegen von einer Religionsethik" müsse und ein Vehikel sein könne,
um das Verständnis für Menschen anderen Glaubens zu fördern. Der Zweck ist
aber nicht eine bessere Verständigung zwischen Religiösen und
Nichtreligiösen, sondern, so Faßmann, er könne sich vorstellen dass, der
Ethikunterricht zu weniger Abmeldungen vom Religionsunterricht führen
könnte, indem die Beschäftigung mit dem Transzendenten im Ethikunterricht
den Schülern als "Appetizer" diene. Sprich: Machen wir die Kinder wieder
katholisch! Und daneben sitzt der Herr Schönborn und schwadroniert darüber,
daß das Recht, sich vom Religionsunterricht abzumelden, ja keine
"Naturgegebenheit" sei.

Speed kills UVP

Andere dezent vorgetragene Ungeheuerlichkeiten gefällig? Erinnert sich noch
wer an Margarete Schramböck, ihres Zeichens Ministerin "für
Wirtschaftsstandort und Digitalisierung"? Formal kommt nämlich das
berüchtigte Standortentwicklungsgesetz aus ihrem Hause. Mit diesem Gesetz
soll aber nicht nur für bestimmte "standortrelevante" Bauvorhaben das
Verfahren zur Umweltverträglichkeit einfach per Frist abgeschnitten werden,
sondern es gilt auch: "An diese Kundmachung werden in weiterer Folge
spezielle verfahrensbeschleunigende Maßnahmen geknüpft, die als lex
specialis zu Bestimmungen des AVG, des VwGVG und des UVP-G 2000 anzusehen
sind."

Damit spielt das Ministerium mit dem seltsamen Namen den Ball an andere
weiter -- speziell an das Ministerium von Elisabeth Köstinger, von der man
seit dem Beginn ihrer Regierungsmitgliedschaft vor einem Jahr auch nicht
mehr viel gehört hat. Deren Ministerium, das für Umweltschutz, Tierschutz
und Nachhaltigkeit genauso zuständig ist wie für Tourismus, Landwirtschaft
und Energie kommt in der Sache mit der Standortentwicklung natürlich eine
ganz besondere Rolle zu. Speziell das UVP-G wird hier wohl einer
ministeriellen Durchforstung unterzogen werden. Bis jetzt gibt es da noch
keinen ausformulierten Entwurf, aber ein aktueller UVP-Bericht aus dem
Ministerium liegt nun vor. Köstinger präsentierte den Bericht letzte Woche
im Parlament. In der Parlamentskorrespondenz gibt es aber lediglich einen
Halbsatz über Köstingers Statement zu den geplanten
"Verfahrensbeschleunigungen": "... für Umweltorganisationen wird eine
regelmäßige Überprüfung der für ihre Anerkennung nötigen Kriterien ins Auge
gefasst". Das bedeutet nichts Gutes. Denn gerade kleinere, zum Teil
hochspezialisierte Umeltorganisationen, die sich erst ihre Anerkennung
erkämpfen mußten, sind bei vielen Vorhaben oft viel lästiger als die großen
Organisationen -- die sich halt eher an spendenträchtigen Kampagnen
orientieren. Wenn man diese Kleinen "regelmäßig" nervt mit Überprüfungen,
kann das natürlich auch eine Möglichkeit sein, diese aus ihrer
Parteienstellung in UVP-Verfahren rauszudrängen.

Terror!

Zugedeckt wird alles aber natürlich auch durch das allgegenwärtige
Terrorgebrabbel. Gerade ist die jüngste Novelle durch (siehe "Schützen wir
den Bundestrojaner" in diesem akin-pd), kommt schon wieder die nächste,
diesmal geht es um Symbole. Eigentlich verbietet sich ein Gemeinwesen, das
sich als Demokratie versteht, selbst, politische Symbole zu verbieten --
schließlich sind sie Teil einer Meinungsäußerung. Davon sind auch das
NS-Verbotsgesetz 1945/47 und das als notwendige Ergänzung empfundene
Abzeichengesetz 1960 keine Ausnahme. Kurz nach dem Krieg ging es darum, zu
verhindern, daß die alten NS-Seilschaften wieder die Macht erringen -- das
war eine reale Gefahr und ein ähnliches Notwehrgesetz wie das
Habsburgergesetz 1919. Es ging nicht darum, eine Meinung zu verbieten,
sondern die ehemaligen Machthaber an ihrer Rückkehr zu hindern.

Davon kann aber bei den jetzt geplanten Symbolverboten keine Rede sein.
Aufgemacht hatte diese Möglichkeit der Einschränkung der Meinungsäußerung
schon 2014 die rotschwarze Regierung mit dem Symbolegesetz, das Kennzeichen
von IS und Al Kaida verbot. Und so ist es halt mit solchen Gesetzen, in
Zeiten rechter Regierungen erfahren diese gerne Weiterungen. Was genau
verboten werden soll, ist noch nicht heraußen, auf alle Fälle würde die
Regierung gerne Abzeichen, Flaggen und Handsymbole aller möglichen
Gruppierungen verbieten -- von der Ustascha über die Hamas bis zur PKK ist
alles dabei. Das Schönste daran aber ist die geplante flexible Handhabung:
Die Regierung will per Verordnung bestimmen können, welche Handhaltung
gerade pfui ist und welche erlaubt. Und: Bislang hat diese Regierung nicht
verkündet, daß sie das Bestellen von drei Bier, also den "Kühnen-Gruß",
strafbar machen möchte. Das wundert uns jetzt aber sehr.

Diese angekündigte Maßnahme ist überhaupt die perfekte Kombination:
Einerseits ermöglicht sie vollkommen willkürliche Repression, andererseits
ist es auch ein Akt von buchstäblicher Symbolpolitik: Wir tun etwas gegen
den Terror!

Der nicht stattfindet. Aber egal!

Und wenn dann die Notstandshilfe wirklich abgeschafft wird, kommt diese
Regierung sicher wieder mit irgendeinem Aufreger daher, damit die Zeitungen
voll sind mit irgend einem Zirkus.

Fake News? Eine matte Sache gegen die Zaubertricks dieser Regierung.

*Bernhard Redl*



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