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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 3. Oktober 2018; 17:21
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International:
Slowakei - Vom Sozialismus zur Mafia
Der Mord an einem Journalisten macht das ganze System sichtbar. 
Von *Aug und Ohr*.
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Etwa 5000 Menschen demonstrierten am Freitag, den 28. September, erneut in 
Bratislava/ Preßburg gegen die monatelange Verschleppung bei den 
Ermittlungen zu einem Mord an dem 27-jährigen investigativen Journalisten 
Ján Kuciar und seiner gleichaltrigen Freundin Martina Kusnírová. Obwohl 
einen Tag vor der Kundgebung in Bratislava (gleichzeitig fanden Proteste in 
Kosice und Banská Bystrica statt) endlich eine Reihe von slowakischen 
Verdächtigen festgenommen worden war, bei denen inzwischen auch konkrete 
Geld-Prämien im Zusammenhang mit dem Auftragsmord bekanntgegeben wurden, 
sogar eine (intermediäre) Auftragsgeberin, Alena Zs., bestehen die 
OrganisatorInnen der Proteste auf der weiteren Notwendigkeit der 
Mobilisierung - bis zur endgültigen Aufklärung des Falls und der 
Verurteilung nicht nur der Ausführenden sondern auch der End-Auftraggeber.
Daniel Lipsic, der Rechtsanwalt der Familie des Ermordeten, wendet sich 
gegen die Aufbauschung der Rolle Einzelner, so der Dolmetscherin des 
Geschäftsmanns Marián Kocner, der erwähnten Alena Zs.: Sie sei nur "ein 
Glied in der Kette. Hier handelt es sich um eine bisher unbekannte Person. 
Den vorhandenen Informationen zufolge, ist sie mit den italienischen und den 
hiesigen Mafiagruppen in Zusammenhang zu bringen, aber darüber wissen wir 
nichts Näheres."
Das ist die Crux der Slowakei, daß dort Informationen über die ´ndrangheta 
äußerst spärlich sind, es wird, auch von den OrganisatorInnen der Proteste, 
die (internationale) Rolle der ´ndrangheta allzu gering gewichtet.
Die Initiative Za slusné Slovensko (frei : "Für eine ehrliche Slowakei"), 
die die Demonstration organisierte, wird von Dutzenden und Aberdutzenden 
unabhängigen Initiativen und Organisationen unterstützt und setzt auf 
Transparenz, Aufklärung, genuine Demokratie und den Kampf gegen Korruption. 
Sie stellt sich damit einem autoritären und mafiosen Staat auf ähnliche 
Weise entgegen wie vergleichbare Initiativen, Gruppierungen und Bewegungen 
in anderen osteuropäischen Ländern. Die Kaste der Slowakei erinnert ein 
wenig an die Montenegros.
Wenn die Initiatoren auf volle Klärung der Urheberschaft bestehen, meinen 
sie zweierlei: Die Urheberschaft (oder organisatorische oder informatorische 
Mitwirkung) der kalabresischen Mafia, der ´ndrangheta, deren 
Wirtschaftsexponenten sich seit Jahren in der Ostslowakei festgesetzt haben, 
und die sowohl persönlichen als auch politischen Verbindungen von in der 
Slowakei operierenden Spitzen-Mafiosi dieses Wirtschaftszweigs zu führenden 
Funktionsträgern der sozialdemokratischen Regierungspartei Smer 
("Richtung"), die ähnlich korrupt zu sein scheint wie die ungarische 
Schwesterpartei MSzP oder andere sozialdemokratische Parteien Europas, es 
betrifft aber auch ´ndrangheta-Verbindungen zu oppositionellen Parteien.
Leider ist die interethnische Partei Most-Híd ("Brücke" auf jeweils 
slowakisch und ungarisch) immer noch Teil der Regierungskoalition, vergebens 
wurde ihr Vorsitzender Béla Bugár von den AktivistInnen auf der Kundgebung 
(und auch vorher) aufgefordert, diese Allianz aufzugeben, auszutreten.
Zweierlei Mafia
Die slowakische Unterwelt ist nicht von gestern. Seit Jahrzehnten finden in 
der Slowakei Mafiamorde statt, dabei handelte es sich um "endogene", 
hausgemachte Mafien, die jedoch ein fruchtbares Terrain bereitet haben für 
das Eindringen der ´ndrangheta, die in den letzten Jahren zu einer der 
gefährlichsten kriminellen Organisationen Europas geworden ist und von der 
die scheinbar etwas altmodischere Cosa Nostra, die sizilianische Mafia 
(neben der noch eine zweite sizilianische, die Stidda, besteht), vom 
Kokainmarkt verdrängt wurde, der das Hauptgeschäft der ´ndrangheta geworden 
ist; daneben rangieren, zu einem geringeren Anteil, bei der ´ndrangheta die 
Geschäftsfelder Frauenhandel, Prostitution, Waffenhandel und Erpressungen, 
dies allerdings ebenfalls europaweit. Besonders bedeutend ist die Expansion 
der ´ndrangheta nach Deutschland, Spanien (als Brücke zu den 
lateinamerikanischen Narco-Regimen) und, was weniger bekannt ist, in eine 
Reihe von osteuropäischen Ländern. Österreich ist auch dabei.
Und deswegen haben sich die Slowaken und Slowakinnen vom Kasernensozialismus 
befreit - um nun in die Fänge einer endogenen wie einer importierten Mafia 
zu gelangen, die die endogene auch noch überlagert?
Unter den slowakischen Mafiosi finden sich, so in der Gestalt des Marián 
Kocner, Existenzen von einer unglaublichen Brutalität, die es an Gemeinheit 
mit dem derzeit ins Kreuzfeuer gelangten italo-slowakischen Nabob Antonio 
Vidalà und seiner ekelerregenden Schmierigkeit aufnehmen können. Dieser 
slowakischer Multiunternehmer war schon länger das Rechercheobjekt des 
jungen Ján Kuciak, Thema waren Malversationen des Kocner vielfältigster Art. 
Wer bedrohte Jan Kuciak daraufhin? Der endogene Mafioso.
Hören wir ihn im Originalwortlaut: "Also Herr Kuciak, ich werde ihnen was 
sagen. Ich werde jetzt mal beginnen, mich für den Herrn Kuciak zu 
interessieren, für Sie, für Ihre Mutter, Ihren Vater, Ihre Geschwister, für 
alle die werde ich mich interessieren. . Sie können sicher sein, daß ich 
Ihnen eine ganz besondere Aufmerksamkeit widmen werde ." Und Ähnliches. Das 
Telefonat wurde nach dem Tod des Journalisten auf seiner Rechercheplattform 
www.aktuality.sk veröffnet.
Gegen diese Drohung erstattete Ján Kuciak Anzeige, die Sache wurde von der 
Polizei "zurückgelegt", nochmals aufgenommen, wieder zurückgelegt. Ahnt man, 
was das für eine Polizei ist?
Ein Aufsatz aber, der die Beziehungen der ´ndrangheta zum politischen 
Establishment der Slowakei zum Thema hatte, sollte den Tod für Ján bedeuten. 
Er hatte ihn noch nicht fertiggestellt, da schoß man ihm in die Brust, und 
seiner Freundin in den Kopf, jeweils mit einem einzigen Schuß, 
professionell.
Da ging es darum, daß von den kalabresischen Kriminellen in der Slowakei 
Dutzende Millionen Euro an EU-Subventionen mit falschen Angaben über Umfang 
und Geschäftsvolumen ihrer Unternehmen widerrechtlich auf ihre Konten 
geleitet worden waren.
Da ging es auch darum, daß in Italien gegen fünf ´ndrangheta-Familien wegen 
Drogenhandels mit Kolumbien ermittelt wird. In dem Akt steht der Name eines 
an dem Kartell mitbeteiligten Kokainhändlers: Antonio Vadalà. Der Clan der 
Vadalà ist für mindestens 25 Morde verantwortlich, die in Zusammenhang mit 
den Kokaingeschäften der ´ndrangheta stehen. Gegen Vadalà wurde zusammen mit 
14 anderen Anzeige erstattet, da er einen Drogenhändler eines anderen Clans 
gedeckt und bei sich zu Haus, in Italien, in einer Mafiahochburg, versteckt 
hatte. Vadalà entkam in die Slowakei, die Anzeige gegen ihn wurde - 
erstaunlich! - fallengelassen.
Ein ehemaliges Modell, Mária Trosková, war Assistentin des 
Ministerpräsidentin Fico geworden, politische Qualifikationen wies sie nicht 
aus. Es stellte sich heraus, daß diese nun hohe Regierungsfunktionärin 
Geschäftspartnerin des Mafioso Antonio Vadalà gewesen war, dann wurde sie 
dessen Geliebte. Das ist die politische Klasse der Slowakei!
Versteht man nun, was die Ankündigung der übrigens durch die Bank jungen 
AktivistInnen von bedeutet, es werde einer langandauernden Mobilisierung 
bedürfen? Der Aufdeckung harren: die kalabresischen Anteile am Mordauftrag, 
die Mitwirkung polizeilicher und/oder militärischer Kräfte des slowakischen 
Apparats, ihre Finanzquellen, die Deckung, die Smer, die Polizei, der 
Geheimdienst, die Justiz den ´ndranghetisti gaben, die Geldflüsse, die von 
Italien an die bedeutenden ´ndrangheta-Investitionen in der Slowakei 
flossen, die ja ohne diese Geldflüsse ihre Großinvestitionen nicht hätten 
tätigen können. War es sauberes Geld? Wohl nicht.
Der ´ndrangheta gelang, beinah ein Jahrzehnt lang, durch ungemein brutale 
Entführungen, deren Opfer besonders junge Menschen und Kinder aus 
wohlhabenden Familien waren, eine enorme Akkumulation an Kapital - das nun 
wieder, europaweit, investiert werden muß, zusammen mit dem aus dem 
Kokaingeschäft lukrierten.
So wird die Slowakei von zwei Seiten her kaputtgenmacht. Was bisher 
ermittelt wurde, ist lächerlich.
Die Protestwelle ebbt nicht ab
Die Bevölkerung hat Erfahrung im breiten, zivilen Widerstand. Die Bewegung, 
das zeigte die Demonstration am 28. September, stellt altersmäßig einen 
Querschnitt durch die slowakische Bevölkerung dar: Jugendliche sind ein 
dominierendes Element, es fanden sich aber auch zahlreich Menschen mittleren 
Alters, sowie altersmäßig sehr weit Vorangeschrittene. Die Bewegung zeigte 
auch, daß die ersten Protestaktionen im März - die zu den zahlenmäßig 
bedeutendsten seit 1989 gerechnet werden - kein einmaliges Resultat einer 
wütenden Irritation waren, sondern ihre Basis für weitere Mobilisierungen 
beibehalten konnte. Diese ist sowohl der großen Anzahl von unterstützenden 
Organisationen als auch der unermüdliche Bemühtheit der (etwas 
bürgerlich-braven) OrganisatorInnen zu verdanken, die sich zu den im 
November stattfindenden Kommunalwahlen auch als Partei konstituieren wollen, 
und nicht zuletzt einer Presse, die sowohl auf slowakischer wie auf 
ungarischer Seite "ehrlich" und genau über die Ereignisse berichtet. Daran 
ist sowohl die bürgerliche Presse wie die linke Pravda beteiligt.
Das haben die Slowaken den Ungarn voraus! In Ungarn gibt es, im 
Printbereich, nur mehr eine demokratische Tageszeitung; alles Andere ist 
gleichgeschaltet. ###
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