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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 26. September 2018; 23:48
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Polizei/Medien:
> Was Journalismus ist
Wenn sich jetzt alle aufregen, daß ein Minister versucht, 
Hofberichterstattung zu erwirken, fragt man sich doch, wieso die 
Massenmedien damit eigentlich ein Problem haben.
Danke, Herr Kickl! Der Großmeister der FPÖ-Propaganda hat noch nicht 
verstanden, daß die Medienarbeit eines Ministers anders funktioniert als in 
einem Wahlkampf als Parteisekretär. Nur deswegen fällt das jetzt so ungut 
auf. Denn es war bisher auch schon so, daß Polizeipressestellen eine gewisse 
politische Agenda verfolgt und bestimmte Medien resp. einzelne wohlmeinende 
Journalisten bevorzugt haben -- das ist nichts Neues und meistens 
organisierten das hohe Beamte unterhalb der Sicherheitsdirektoren ganz von 
sich aus. Das Konzept der US-Streitkräfte, das man "embedded journalists" 
nannte, wurde schon viel früher von so ziemlich allen Polizeien der Welt 
angewandt. Kickl war halt nur ein bisserl ungeschickt, besonders da er wohl 
aus persönlicher Gekränktheit über die Berichterstattung über sein 
Engagement als Gaulreiter auch den an sich immer recht polizeifreundlichen 
"Kurier" mit auf die Liste der bösen Medien nahm. Damit kam natürlich so 
ganz generell der polizeiliche Pressedienst in Verruf. Und das ist doch 
recht erfreulich.
Allerdings blieb die Diskussion zu dem Thema ein wenig stecken und 
beschränkte sich in der Kritik bislang auf die Patschertheiten des blauen 
Ministers. Was wenig Beachtung fand ist die Tatsache, daß Polizeiberichte 
halt immer schon die wichtigste Grundlage dessen waren, was in den meisten 
Blättern so unter "Chronikberichterstattung" läuft. Denn die Zeitungen (egal 
ob klassisch auf Papier oder online) hätten ohne polizeiliche Unterstützung 
kaum eine Möglichkeit, über Ereignisse aus dem Bereich der Kriminalität zu 
berichten -- wer sollte sie denn auch über Polizeieinsätze jenseits von 
Demonstrationen oder anderen öffentlichen Events informieren? Das ist wohl 
auch einer der Gründe der medialen Empörung -- nur wird dieser kaum benannt, 
sonst würde die Öffentlichkeit ja darüber informiert, daß dieser Teil der 
Berichterstattung eben wenig mit Journalismus, sondern mehr mit dem 
Abschreiben von Berichten einer Behörde zu tun hat.
Die recht ausführliche Auseinandersetzung mit dem Kickl-Mail (resp. des 
Mails eines Kickl-Unterläufels) im Mittagsjournal am Dienstag war da auch 
etwas seltsam. Nein, man verglich das nicht mit Polizeiberichtüblichkeiten 
früherer Minister, sondern übernahm den Vergleich von Sebastian Kurz mit dem 
"Inseratenboykott" Christian Kerns gegenüber "einer österreichischen 
Tageszeitung". Nun, man brauchte sie nicht zu nennen, es ist allgemein 
bekannt, daß die Fellner-Kasperlpost damit gemeint ist. Nur, wie kommt man 
eigentlich auf diesen Vergleich? Kern hatte als SPÖ-Chef genug davon, von 
"Österreich" ständig runtergemacht zu werden -- was keine "kritische 
Berichterstattung" war, wie das Herr Fellner gerne sieht -- und wollte in 
seiner Funktion als Wahlkämpfer keine entsprechenden Inserate mehr in 
"Österreich" schalten. Das waren keine Regierungsinserate und Kern hat das 
auch nicht insgeheim verordnet, sondern öffentlich gesagt, daß er keine Lust 
habe, ein Blatt finanziell zu unterstützen, nur um eine nettere 
Berichterstattung zu bekommen. Das war eine offene Geschichte und Fellner 
rächte sich auch bitterlich, indem er Sebastian Kurz zum Hero machte. Wie 
man das mit Kickls informationspolitischer Order vergleichen kann, ist 
wirklich nicht durch das Äquidistanzgebot des ORF-Gesetzes erklärbar.
Wer sportelt denn da?
Anders ist es aber schon erklärbar. Am Dienstag machte (neben einem 
Moschee-Aufreger) "Österreich" mit "FPÖ-Chef trainiert 5 mal die Woche --  
Strache zeigt sein Workout" auf. Über dieses Cover amüsierten sich viele in 
Social Media, war es doch auffällig, daß andere Blätter Kickls Order auf 
Seite 1 hatten. Was dabei untergeht: Der Bericht über Straches Leibesübungen 
(wo ihn natürlich niemand fragte, ob das in der Tradition seiner 
Wehrsportvergangenheit stehen könnte) stammt aus einer ORF-Sendung, die an 
Regierungspropaganda so ziemlich gar nichts zu wünschen überließ. Da ging es 
nämlich um den EU-Gipfel in Salzburg -- die Sendung wurde letzten Sonntag, 
also nach dem Gipfel, um die Mittagszeit auf ORF2 ausgestrahlt. Da konnte 
man hören, welche Salzburger Promis für das Kulturprogramm sorgen, 
Salzburger Bürger ließ man in Straßeninterviews Verständnis bis Begeisterung 
für den Gipfel Ausdruck verleihen -- und sogar ein paar Liebesbezeugungen 
für den Kanzler formulieren ("Ich liebe Sebastian Kurz, was heißt: 
Verehren?; ich schätze ihn sehr!") --, die Polizeimaßnahmen wurden bejubelt 
(inclusive der Polizeihunde) und dann gabs auch noch, ja, eben, einen 
fünfminütigen Bericht darüber, wie der Sportminister sich fit hält 
(inclusive Hanteltraining). Angesichts der Tatsache, daß bei diesem Gipfel 
sowohl politisch als auch organisatorisch so ziemlich alles schiefgegangen 
ist, was schiefgehen konnte -- was hauptsächlich von ausländischen Medien 
berichtet worden ist -- und die tolle Polizeiarbeit für extreme Wickel bei 
der Demo sorgte, war dieses knapp halbstündige "Europa Backstage"-Magazin 
Bericht so geartet, daß man sich schon fragt, wieso man sich hierzulande 
eigentlich für kritischer als in Orbanistan hält.
In Österreich ist es halt schon so, daß "kritischer Journalismus" meist so 
aussieht, daß man darauf stolz ist, nicht ausschließlich 
Regierungspropaganda zu verbreiten. Herr Kickl ist da nicht wirklich das 
relevante Problem.
*Bernhard Redl*
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