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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 13. Juni 2018; 10:44
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Kommentar:

> Zweierlei Maß

Zu den Moscheenschließungen

In der ersten Einschätzung bin ich misstrauisch-neutral. Ich kenne die
Untersuchungsergebnisse nicht und weiß nicht, was den Moschee-Schließungen
vorangegangen ist und ob die Betreiber die Möglichkeit haben, gegen die
Behördenentscheidung zu berufen. Ich kann und will daher nicht beurteilen,
ob eine bloße populistische Maßnahme ist (in der etwas Brandgefährliches
steckt, wenn dem so ist) oder ob es in den konkreten Fällen eine ernsthafte
Basis gibt. Das politische Umfeld macht mich misstrauisch.

Sehr gespalten bin ich auch bei den Imamen, die ausgewiesen werden sollen.
Aus prinzipiellen Überlegungen finde ich Punkte, die dafür sprechen und
welche, die dagegen sprechen. Was eindeutig dagegen spricht: Das Islamgesetz
bürdet den islamischen Gemeinden Verpflichtungen bei den Klerikern auf, die
es so zumindest in der Praxis für keine andere Religionsgemeinschaft gibt.
Der Passus des Anerkennungsgesetzes von 1874 (das gilt für viele
Religionsgemeinschaften in Österreich, u.a. für die Buddhisten), wonach
Priester österreichische Staatsbürger sein müssen, wird ja offensichtlich
nicht exekutiert. Und nur bei muslimischen Klerikern ist eine
Auslandsfinanzierung explizit verboten. Gleichzeitig unterstützt die
Republik Österreich seit jeher eine katholische Ordensschule in Istanbul
sowie mit ihren Spenden für die Dreikönigsaktion ein Programm, dessen
größter Ausgabenposten Missionierungsprogramme in Entwicklungsländern sind.
Da ist also ein ziemliches Ungleichgewicht da. Man könnte auch von
Scheinheiligkeit sprechen.

Andererseits hab ich ein Problem damit, wenn das türkische
Religionsministerium einen verlängerten Arm in Österreich unterhält. Das hat
weder was mit der aktuellen Lage in der Türkei zu tun - ich war schon vor
Jahren dagegen - noch mit der spezifischen Religion. Behörden haben sich
nach Möglichkeit nicht in religiöse oder kulturelle Belange einzumischen und
ausländische schon gar nicht. Ein gewisser Regelungsbedarf ist nötig, aber
der steht allein heimischen Gesetzgebern und Behörden zu.

Wobei wir, ehrlich gesagt, auch hier wieder eine ziemliche Scheinheiligkeit
haben: Opus Dei, auch nicht gerade eine demokratiefreundliche Organisation,
betreibt offen Kirchen in Österreich und hat in den vergangenen Jahren immer
wieder versucht, auf die öffentliche Stimmung in Österreich Einfluss zu
nehmen. Vertreter des Opus Dei sitzen im Nationalrat, und hier vor allem
eine Vertreterin. Die politische Arbeit des Opus Dei geht über Österreich
hinaus. Mit reaktionären kroatischen Klerikern und Politikern - oft selbst
bei Opus Dei - arbeitet der österreichische Zweig Hand in Hand, auch mit
Gleichgesinnten in der Slowakei gibt es eine gute Zusammenarbeit. Das Ziel
ist nicht mehr und nicht weniger als das Ende der liberalen Demokratie.
Eines der Hauptmittel dabei ist, (streng religiöse) Katholiken z.B. in
Österreich als verfolgte Minderheit darzustellen, die den besonderen Schutz
der Republik benötigt.

Wie sehr die klerikal-nationale polnische Regierungspartei PiS katholische
polnische Gemeinden in Österreich beeinflusst, wäre auch eine eigene
Untersuchung wert. Genauso, was sich in einigen kroatischen Gemeinden
hierzulande abspielt. Ich sag nur Bleiburg.

Überhaupt; Mittlerweile könnte die katholische Kirche in Österreich ihren
Betrieb ohne zugewanderte Pfarrer nicht mehr aufrechterhalten. Darunter sind
auch viele, die nicht in Österreich zum Priester geweiht wurden sondern in
Ländern, wo die katholische Kirche deutlich reaktionärer ist als
hierzulande. Bei neuen Imamen ginge das gar nicht, die müssen in Österreich
ausgebildet werden.

Man darf auch nicht vergessen, dass etwa die Mormonen als
Religionsgemeinschaft personell und finanziell fast vollständig von der
Muttergemeinde in den USA abhängig sind. Auch das übrigens keine
Religionsgemeinschaft, die sich einer liberalen Gesellschaft verpflichtet
fühlt.

Da gebe es noch eine Unzahl von Beispielen, wo es über
Religionsgemeinschaften Einmischungen aus dem oder ins Ausland gibt. Oft
genug mit direkten politischen Komponenten. Da gebe es sehr viel zu ändern -
auch gesetzlich. Das alles ist hierzulande nie ein Thema. Die Öffentlichkeit
weiß nichts über diese Dinge und Journalistinnen und Journalisten kommen nur
sehr selten auf die Idee, nachzufragen. Nur, wenn's um den Islam geht, ist
das auf einmal ein Problem.
*Christoph Baumgarten* (8.6.2018)


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