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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Donnerstag, 24. Mai 2018; 01:43
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Recht/Demokratie:
> Gewerkschaften und NGOs zu Terroristen machen?
Die Strafrechtsnovelle 2018
Seit 2003 werden immer neue Strafrechtsnormen erfunden und erweitert, die
der Terrorismusbekämpfung dienen sollen -- die berüchtigten
Buchstaben-Paragraphen nach §278 StGB. Nun will im Eiltempo die
Bundesregierung zwei weitere Änderungen durchs Parlament bringen, die NGOs
und Gewerkschaften in die Nähe des Terrorismus rücken könnten, berichtet
*Lukas Wurz* auf reflektive.at.
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§278c definiert, was terroristische Straftaten sind und ist - wie alle
Gesetzesbestimmungen - sehr allgemein formuliert. So führt er als mögliche
terroristische Straftaten auch schwere Nötigung (§ 106 StGB) oder schwere
Sachbeschädigung (§ 126) an, wenn dadurch z.B. Gefahr für fremdes Eigentum
in größerem Ausmaß entstehen kann, sofern "eine schwere oder längere Zeit
anhaltende Störung des öffentlichen Lebens oder eine schwere Schädigung des
Wirtschaftslebens (.) mit dem Vorsatz begangen wird, (.) öffentliche Stellen
(.) zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung zu nötigen oder die
politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen
Grundstrukturen eines Staates (.) ernsthaft zu erschüttern oder zu
zerstören."
Das ist interpretierbar und es ist denkbar, dass EntscheidungsträgerInnen
auf die Idee kommen könnten, diese Bestimmung gegen längere Streiks oder
häufige Demonstrationen anzuwenden. Das wäre zwar missbräuchlich, aber
Vergleichbares ist ja im Fall der TierrechtsaktivistInnen passiert. Um
derartige Interpretationsmöglichkeiten auszuschließen hat §278c einen Absatz
3, in dem es heißt: "Die Tat gilt nicht als terroristische Straftat, wenn
sie auf die Herstellung oder Wiederherstellung demokratischer und
rechtsstaatlicher Verhältnisse oder die Ausübung oder Wahrung von
Menschenrechten ausgerichtet ist."
Dieser Satz soll ersatzlos gestrichen werden. Er sei nicht notwendig, heißt
es in den Erläuterungen zum Begutachtungstext, da er "insbesondere bei
Tathandlungen Anwendung finden (soll; Anm.), die in nicht demokratischen
Gesellschaften außerhalb der Europäischen Union begangen werden und
gegebenenfalls in Österreich abzuurteilen sind." Und das sei in der
letztgültigen Anti-Terrorismus-Richtline der EU nicht mehr vorgesehen.
Für JesidInnen oder KurdInnen, die vor ihrer Flucht gegen den sogenannten
Islamischen Staat um ihr Leben gekämpft haben, könnte das Gerichtsverfahren
und Gefängnisstrafen nach Anti-Terrorbestimmungen bedeuten. Doch nicht nur
das. Die GesetzesautorInnen tun so, als könnten nur für Menschenrechte
eintretende KämpferInnen in weit entfernten Ländern zu Unrecht verfolgt
werden. In der EU-Richtlinie selbst steht aber etwas ganz anderes: "Die
vorliegende Richtlinie muss im Einklang mit diesen Rechten und Grundsätzen
umgesetzt werden, wobei auch die Europäische Konvention zum Schutze der
Menschenrechte und Grundfreiheiten, der Internationale Pakt über bürgerliche
und politische Rechte und andere völkerrechtliche
Menschenrechtsverpflichtungen zu berücksichtigen sind." Und in ihrer
Vorgängerin stand es noch deutlicher: "Dieser Rahmenbeschluss kann nicht
dahin gehend ausgelegt werden, dass er Grundrechte oder Grundfreiheiten wie
das Streikrecht und die Versammlungs-, Vereinigungs- oder Meinungsfreiheit,
einschließlich des Rechts, mit anderen Gewerkschaften zu gründen und sich
zur Verteidigung seiner Interessen Gewerkschaften anzuschließen, und des
damit zusammenhängenden Demonstrationsrechts, schmälert oder behindert."
Die Bestimmung zielt also gar nicht auf FreiheitskämpferInnen aus fernen
Ländern ab, sondern ist und war als konkreter Schutz vor innerstaatlichem
Missbrauch gedacht, der nunmehr gestrichen werden soll. Damit wird denkbar,
dass vom Terrorismusparagrafen auch Gewerkschaften und NGOs erfasst werden,
die ihre Grund- und Freiheitsrechte ausüben.
Neuer Terrorstrafbestand trifft NGOs
Neben der Streichung der Menschenrechte aus den Strafparagrafen fällt auch
die Aufnahme eines bisher nicht als terroristisch betrachteten Delikts in
die Liste terroristischer Straftaten auf: die Störung der Funktionsfähigkeit
eines Computersystems (§126b StGB).
Das mag zunächst nachvollziehbar sein: Wer ein Computersystem lahmlegt und
dadurch Menschen in Gefahr bringt, der Wirtschaft Schaden "in großem Ausmaß"
zufügt oder Teile der "kritischen Infrastruktur" zum Absturz bringt, sollte
schon verfolgbar sein.
Doch auch hier lassen allgemeine Formulierungen Interpretationen zu, die
NGOs oder Gewerkschaften schnell in die Nähe des Terrorismus rücken können.
Strafbar ist bereits, wer ein Computersystem stört, indem er oder sie "Daten
eingibt oder übermittelt". Auf diese Weise können etwa Organisationen in den
Wirkungsbereich des Terrorismusparagrafen geraten, wenn sie dazu auffordern,
zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt massenhaft die Kontaktformulare von
Unternehmen oder Behörden zu nutzen (um etwa gegen bestimmte
Geschäftspraktiken oder eine politische Maßnahme zu protestieren). Dass dies
Störungen auslösen kann, hat das Innenministerium selbst vor wenigen Wochen
vorexerziert: Bereits wenige tausend UnterzeichnerInnen des
Frauenvolksbegehrens brachten am 13. Februar 2018 die Systeme des
Innenministeriums zum Absturz. Das Technik-Chaos vergrößerte sich am 14.
Februar mit dem Beginn des "Don't-smoke"-Volksbegehrens und konnte bis zum
20. Februar nicht vollständig behoben werden.
Was praktisch als Terrorismus verfolgt werden könnte
Doch der Terrorismusparagraf könnte allein schon durch die konzertierte
Nutzung von Bankomaten zur Anwendung kommen. In Katalonien forderte die
Aktion "la force de la gente" im Zuge des Konflikts mit der spanischen
Zentralregierung die Bevölkerung auf, am 19. Oktober 2017 zwischen neun und
zehn Uhr vormittags konzertiert Geld von ihren Konten bei spanischen Banken
sowie Banken abzuheben, die für den Fall der Unabhängigkeit Kataloniens mit
der Verlegung ihrer Unternehmenszentralen gedroht hatten. Die auf eine
Stunde beschränkte Aktion verursachte angeblich einen Schaden von 29
Millionen Euro. In die Schadensberechnung einbezogen sind Kosten wie der
erhöhte Aufwand für die Bereithaltung von Geld, die Personalkosten für das
Nachfüllen von Bankomaten, erhöhte Personalkosten in den Filialen und die
Bewältigung des erhöhten Anfrageaufkommens bei den Callcentern der Banken.
In einer sehr aufgeheizten innenpolitischen Situation kann also bereits als
Schaden gewertet werden, wenn Unternehmen das tun müssen, wofür sie
eigentlich da sind.
Es bedarf nicht sehr viel Phantasie, um auch auf Österreich zutreffende
konkrete Beispiele zu finden: Im Speziellen stellt §126b die Störung
kritischer Infrastruktur (§74 StGB) unter Strafe. Dazu zählt die
Funktionsfähigkeit öffentlicher Informations- und Kommunikationstechnologie
und der öffentliche Gesundheitsdienst. Aus der Tatsache, dass bereits die
konzertierte Eingabe von Daten zu schweren Störungen führen kann, könnte
also etwa eine kollektive Abmeldung mehrerer tausend Menschen von der
elektronischen Gesundheitsakte ELGA zu einem bestimmten Zeitpunkt zu einem
Terrorismusverfahren gegen Organisationen führen, die dazu aufrufen. Völlig
abwegig ist der Gedanke nicht, nachdem die schwarz-blaue Bundesregierung die
Möglichkeit geschaffen hat, Gesundheitsdaten an Pharmaunternehmen zu
verkaufen (und damit große öffentliche Aufregung und eine Abmeldewelle bei
ELGA auslöste).
Teilnahme am Begutachtungsverfahren
Bemerkenswert ist auch die Eile, mit der das Strafrechtsänderungsgesetz
durch den Nationalrat gebracht werden soll. Üblicherweise sollte eine
Begutachtungsfrist zumindest sechs Wochen dauern. Im Falle dieses Gesetzes
sind es nur zwei. Formal mag die Begründung darin liegen, dass die
EU-Anti-Terror-Richtlinie bis 8. September innerstaatlich umgesetzt sein
sollte. Um diesen Termin trotz sechswöchiger Begutachtungsfrist zu halten,
müsste allenfalls in den Sommermonaten eine Sondersitzung des Nationalrats
stattfinden. Doch all das ist kein Grund für besondere Eile: Es gibt
zahlreiche EU-Richtlinien, die Österreich noch nach Jahren nicht vollständig
umgesetzt hat. Auf ein paar Wochen auf oder ab kommt es also nicht an.
Bleibt: Hier werden wesentliche Verschlechterungen für die Zivilgesellschaft
im Eiltempo durchgedrückt.
Alle BürgerInnen haben die Möglichkeit, formlos am Begutachtungsverfahren
teilzunehmen. Dies kann schriftlich oder elektronisch erfolgen. Noch ist die
Hoffnung, dass möglichst viele Menschen am Begutachtungsverfahren
teilnehmen, nicht strafbar.
(gek.)
Das Begutachtungsverfahren:
https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVI/ME/ME_00053/
Volltext des Artikels:
http://www.reflektive.at/gewerkschaften-und-ngos-zu-terroristen-machen-das-strafrechtsaenderungsgesetz-2018/
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ANMERKUNGEN: Unabhängig von dieser Strafrechtsnovelle und der Erwähnung des
bereits bestehenden §126b als "terroristische Straftat" ist dieser Paragraf,
der 2015 etabliert wurde, höchst bedenklich. Zwar kann man ihn so verstehen,
daß hier nur absichtliche Störungen pönalisiert werden sollen, explizit
drinnen steht das aber nicht. Kreative Staatsanwälte könnten also schon auf
die Idee kommen, daß auch eine fahrlässige Störung auch nur eines einzigen
Rechners, der nicht der eigene ist, strafrechtlich belangt werden könnte.
Noch weiter weg von seriöser Legistik ist übrigens der §282a StGB. Der
kriminalisiert nämlich die "Aufforderung zu terroristischen Straftaten".
Eigentlich ist dieser Paragraph als solcher vollkommen sinnlos, da schon
§282 ("Aufforderung zu mit Strafe bedrohten Handlungen") den gleichen Zweck
erfüllen würde. Die Strafdrohung ist die gleiche, lediglich die Klauseln
über die Ernsthaftigkeit einer Gutheißung von Straftaten unterscheiden sich
geringfügig. Der Hauptzweck dieses Paragrafen scheint zu sein, daß man ihn
quasi rekursiv im §278c selbst als terroristische Straftat normieren kann.
Wodurch eine Gruppe, die lediglich eine terroristische Straftat gutheißt,
selbst als terroristische Vereinigung verfolgt werden kann.
Auch nach jetzt schon geltendem Recht heißt das aber beispielsweise, daß
eine kurdische Exilgruppe in Österreich, die auch nur irgendwie öffentlich
für eine Aktion der PKK in der Türkei Sympathie zeigt, bereits nach 278b als
"Terroristische Vereinigung" verfolgt werden kann -- der Nachweis einer
echten Verbindung zur PKK ist da schon nicht mehr notwendig.
Wenn aber mit der aktuellen Novelle unter bestimmten Bedingungen schon die
"Eingabe oder Übermittlung von Daten" (die keine Viren oder Hackercode oder
ähnliches sein müssen) als "terroristisch" definiert werden kann, sind der
Willkür Tür und Tor geöffnet.
-br-
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