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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Freitag, 11. Mai 2018; 20:47
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> Vermischtes

Michael Ludwig ist ein seltsamer Politiker. Der kommende Bürgermeister
sendet ein wildes Potpourri an Signalen aus. In seiner Rede am 1.Mai
rekurriert er auf die Zeile eines alten Arbeiterliedes "Mit uns zieht die
neue Zeit", um damit auszudrücken, daß man nicht wehmütig zurückschauen
dürfe und er deswegen Wien zur europäischen Hauptstadt der Digitalisierung
machen wolle. Auch die Zusammenarbeit mit "der Wirtschaft" betont er immer
wieder und vermengt das alles mit dem Kreisky-Mythos und dessen Forderung
nach einem "modernen Österreich". (1)

Zugleich präsentiert Ludwig in einem Vorwahlkampf seine Vorstellungen von
"Heimat" als Plakat- und Inseratenserie -- was einem vorkommt wie das
Statement, daß, was ÖVP, FPÖ und Grüne praktizieren, die Wiener SPÖ schon
lange könne. Und davor noch die Geschichte mit dem Praterstern: Neben allem
anderen war dieses lokale Verbot eine Demütigung seines Koalitionspartners:
Ich bin der neue Herr im Rathaus und mache was ich will und überhaupt seid
ihr nur als Mehrheitsbringer geduldet -- und jetzt dürft ihr gute Miene zum
bösen Spiel machen und mich als Bürgermeister wählen , weil euch eh nix
anderes übrigbleibt.

Das ist also der neue Stil im Wiener Rathaus: Rückkehr zur allmächtigen,
autoritär regierenden SPÖ als Gegenkonstrukt zur autoritären Regierung der
Reaktion im Bund. Na servas, ja, wir werden dem schnoddrigen Häupl noch
nachtrauern, stimmt schon.

Herr Kurz weist auf das Schärfste zurück

Die Rede Michael Köhlmeiers war bemerkenswert -- weniger wegen seiner
Angriffe auf die FPÖ und auch nicht unmittelbar wegen seiner impliziten
Kritik am Wahlkampf des Bundesmaturanten, sondern weil er damit etwas
gemacht hat, was meistens in der Gedenkkultur fehlt -- das Ziehen eines
Bogens von der Geschichte zur aktuellen Politik eben ohne damit platte
Hitlervergleiche anzubringen. Er kritisierte, was dem Beobachter eigentlich
klar gewesen sein hätte müssen, daß sich der österreichische Außenminister
von 2017 und jetzige Regierungschef eben ähnlich der Schweizer und anderer
Regierungen in der Nazizeit verhalten habe -- stolz darauf zu sein,
Flüchtlinge auszusperren. Ebenso bemerkenswert ist allerdings auch die
Reaktion des Kritisierten: "Vor allem aber halte ich es für verfehlt, die
Schließung der Westbalkanroute mit den Verbrechen der NS-Zeit zu
vergleichen. Das weise ich auf das Schärfste zurück. Die Aussage, dass es
auch damals Menschen gegeben hat, die Fluchtrouten geschlossen haben, zielt
eindeutig auf Nazis und Nazi-Kollaborateure ab", zitiert ihn die Tiroler
Tageszeitung (2).

Herr Kurz, haben Sie es wirklich nicht verstanden oder versuchen Sie hier
absichtlich die Kritik umzudeuten? Ersteres wäre saudumm, Letzeres
ausgesprochen infam -- beides allerdings klarstellend, daß dieser Herr für
das Amt, das er bekleidet, ungeeignet ist.

Das beweist aber auch ein weiteres Statement gegenüber der TT: Daß die
Westbalkanroute geschlossen worden sei, habe "illegale Migration nach
Mitteleuropa gestoppt, hat sichergestellt, dass Menschen sich in Europa
nicht aussuchen können, in welchem Land sie einen Asylantrag stellen. Sie
ist im Einklang mit der Genfer Konvention und mit Dublin - also mit
Europarecht".

Das ist nurmehr sonderlich -- Köhlmeier hatte ja nicht kritisiert, daß Kurz
ein Rechtsbrecher wäre, sondern die moralische Verwerflichkeit seines
Wahlkampfes an den Pranger gestellt. Wenn aber ein Politiker auf moralische
Kritik antwortet, seine Taten wären doch nicht rechtswidrig gewesen, dann
ist schon klar, daß er aus der Geschichte nichts gelernt hat. Schließlich
waren viele der größten Verbrechen der Menschheitsgeschichte vollkommen
rechtskonform. Nebenbei: Auch die Ausschaltung von Nationalrat und
Verfassungsgerichtshof durch die Vorgängerpartei der ÖVP beruhten auf --
wenn auch kreativ ausgelegten -- gesetzlichen Bestimmungen.

In diesem Zusammenhang ist auch die Rede von Arik Brauer ein paar Tage
später zu erwähnen. Der war ja sehr dafür kritisiert worden, daß er gar zu
sehr der jetzigen Regierung das Wort rede. Auch seine Hoffnung, daß in der
EU "jedes Land dem anderen auf die Finger schaut, daß auch jeder nur brav
seine Demokratie pflegt und betreut" ist angesichts der Regierungen Polens,
Ungarns und Spaniens, aber auch dem höchst undemokratischen Diktat gegenüber
Griechenland, eher verfehlt. Brauer meinte aber als Schlußwort (gegenüber
Kurz und Strache im Publikum) auch etwas anderes: "Glücklich die
Bevölkerung, die eine Regierung hat, in der Menschen sind, -- hoffentlich --
die im Stande sind, mit Geduld und mit Freude die Kritik und Kontrolle der
Öffentlichkeit zu ertragen -- je mehr davon um so besser".

Ob die brav applaudierenden Regierungsmitglieder das auch verstanden haben,
entzieht sich freilich dem Beobachter.

I'll be back

Und dann war da noch Peter Pilz, Großmeister der kryptischen Andeutung --
der ließ via Blog verkünden, daß er "bald" wieder im Parlament säße. Was
sofort von den Massenmedien reproduziert wurde, obwohl es eigentlich eine
Nullmeldung war. Schließlich ist immer noch unklar, wer dann auf sein Mandat
verzichten müßte -- und ob überhaupt jemand dazu bereit ist, wenn der
Listengründer wieder Einlaß in den Nationalrat begehrt.

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Rückkehr von
stopptdierechten.at in die Online-Welt. Die Plattform soll nun breiter
aufgestellt werden als nicht nur ein grünes Projekt (dazu mehr in weiterem
Beitrag im heutigen akin-pd
). Möglich wurde das dank Spenden -- auch solchen
vom Klub der Liste Pilz. Eingestellt war die Plattform ja worden, weil mit
der Auflösung des Grünen Klubs im Parlament kein Geld mehr dafür da war.
Wenn man will, kann man das als Ansatz ansehen, daß Pilz und Co. sich wieder
den Grünen annähern. Muß man aber nicht.
*Bernhard Redl*

(1) Die SPÖ-Reden vom 1.Mai sind ungeschnitten nachzuhören unter:
https://cba.fro.at/374067
(2)
http://www.tt.com/home/14336914-91/kanzler-kurz-tadelt-den-autor-k%C3%B6hlmeier.csp



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