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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 2. Mai 2018; 17:04
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Glosse:

> Wohin geht die Reise?

Antifaschismus und Sozialismus erscheinen in diesen Tagen ziemlich
musealisiert
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Der Wonnemonat beginnt traditionell mit diversen Feierlichkeiten: Die
ÖVP-Bürgermeister (und wahrscheinlich heuer auch wieder die Hernalser SPÖ)
lassen Maibäume aufstellen, der oberste FPÖ-Führer hält eine Brandrede in
Linz und die SPÖ spielt "rotes Wien" am Rathausplatz. The same procedure
like every year. KPÖ, AUGE und diverse NGOs spielen dann auf
unterschiedliche Art und Weise auch noch mit bei diesem Jahrmarkt.

Am 8.Mai ist "Tag der Befreiung" und das offizielle Österreich macht auf
Staatsantifaschismus, der kein wirklicher Antifaschismus ist, weil er eher
aussagt, daß es um ein souveränes Österreich geht und nicht darum, daß die
Nazis kapitulieren mußten. Die Linken machen zu dem bösen Spiel gute Mine
und feiern, daß wenigstens die allerschlimmsten Faschisten sich ärgern über
diesen Tag.

Und dann gibts auch noch den Muttertag, der meistens (heuer nicht) mit den
Befreiungsfeiern in Mauthausen zusammenfällt.

An all diesen Tagen wird gefeiert und gemahnt und gedacht -- viel mit der
Gegenwart und der Zukunft hat das nicht zu tun. Auch wenn man dann bei
manchen Reden schon Andeutungen hören kann, was das alles für das Heute
bedeuten könnte, so bleibt es doch rückwärtsgewandt.

Leider ist das ziemlich passend zum Zustand dieses Landes. Denn gerade ist
unsere Regierung dabei, die Sozialrechte auf den Stand des Austrofaschismus
zurückzudrehen. Wenn man sich vor Augen führt, daß es gerade eben die hohe
Zahl an "ausgesteuerten" Arbeitslosen war, die die Naziideologie hierzulande
attraktiv gemacht hat, sollte das vielleicht das Kriterium sein, wen man
nach Mauthausen einlädt -- und nicht ein 50 Jahre alter Beschluß. Auch hier
das gleiche Bild: Traditionspflege über alles, aber nur nicht das tun, was
man ständig predigt, nämlich aus der Geschichte zu lernen, also Lehren für
das Heute daraus zu ziehen.

Und was ist am 1.Mai? Daß die SJ mit kritischen Transparenten kommt, ist
zwar auch schon so etwas wie ein Ritual, aber immerhin gibt es hier Protest,
der mit dem Heute zu tun hat. Stadtrat Ludwig, der sich anschickt,
Bürgermeister zu werden, liefert hingegen gleich noch vor dem Entree eine
erste Großtat ab: Sandlervertreibung am Praterstern, quasi um klarzumachen,
daß alle Recht gehabt haben, die vor ihm als Vertreter einer
rückwärtsgewandten autoritären Sozialdemokratie gewarnt hatten. Und mit
einer "Deckelung" der Mindestsicherung hat er ja bekanntermaßen auch kein
Problem. Das ist die Zukunftshoffnung der Sozialdemokratie? Na servas!

Der grüne Koalitionspartner in Wien steht dabei auf verlorenem Posten.
Sozialsprecherin Hebein versuchte es zwar mit einem Sperrfeuer gegen den
Irrsinn, die Armen und Gestrandeten dieser Stadt noch mehr zu malträtieren
(Großes Danke, Birgit!), aber auch ihr Klub ist dazu verdammt, demnächst den
Herrn Ludwig aufs Schild zu heben. Dabei hat die Koalition eh ein baldiges
Ablaufdatum.

Einstweilen lanziert die Bundespartei ganz seltsame Pläne in den Medien. Da
wird die Erneuerung (und damit intendierte Rettung) der Grünen mit alten
Konzepten betrieben, die gerade ihre Untauglichkeit bewiesen haben. Der
"Kurier" dichtet da als Schlagzeile: "'Junge Wilde' wollen bei maroden
Grünen jetzt den Ton angeben." Die "jungen Wilden" sind aber halt
stinknormale Bobos wie etwa der Wiener Neo-Gemeinderat Peter Kraus. Denen
sei zuviel 80er-Mief in der Partei, weiß das Raiffeisenblatt zu berichten.
Und natürlich sei man ja gar nicht so: "Wir distanzieren uns von den
Unruhestiftern rund um Flora Petrik", zitiert der Kurier diese Vertreter
einer konservativen Revolution bei den Grünen.

Währenddessen läßt jemand der "Kleinen Zeitung" noch vor Drucklegung ein
Manuskript aus der Feder des Chefs der steirischen Grünen zukommen. Darin
läßt dieser ausrichten, daß er das "Linksaußen-Segment" der Partei loswerden
möchte, um den "Platz in der Mitte" zu besetzen.

Daß jetzt ausgerechnet ein an sich bürgerlicher Grüner wie Georg Willi, der
mit einem zumindest ordoliberalen Ansatz, der Fragen nach einer ordentlichen
kommunalen Sozialpolitik und dem Kampf gegen überhöhte Mieten thematisiert,
die Innsbrucker Gemeinderatswahlen mit Pauken und Trompeten gewonnen hat --
und das sogar gegen seinen eigenen Gemeinderatsklub -- ficht die übrige
grüne Führungsschicht offensichtlich nicht an.

Nein, da tritt zwei Tage vor der Gemeinderatswahl die
Leider-nicht-Bürgermeisterkandidatin mit einem Revanchefoul aus der Partei
aus, weil sie meint, es wären "rechte Töne", wenn Willi in einem Interview
meint, daß es den Menschen wichtiger sei, ein leistbares Dach über dem Kopf
zu haben als ob das Binnen-I durchgängig Verwendung fände.

Was ist dann bitte noch "links"? Bei den grünen Eliten ist das
offensichtlich die Befriedigung moralischer Bedürfnisse von Bobos in ihren
innenstädtischen Dachausbauwohnungen, für die Sozialdemokratie die Sorge um
das Wohlergehen der Spießer, die sich vom Anblick betrunkener Sandler
belästigt fühlen. Super!

Da waren wir schon einmal weiter! Das ist genau diese Rückschrittlichkeit,
die man sowohl in der Bundesregierung als auch in der Opposition bemerken
kann. Der Unterschied ist nur, daß die jetzt oppositionellen Parteien
eigentlich einstens angetreten sind, eine bessere Welt zu bauen. Und nicht
eine Welt für die besseren Leute!

Der "Internationale Kampftag der Arbeiterbewegung" ist ein derart
sinnentleertes Ritual geworden, daß selbst die bürgerliche "Presse" in ihrer
jetzigen Wochenendausgabe einen historischen Rückblick darauf machen kann.
Die Mauthausenfeiern sind schon seit langem keine Mahnung gegen den
Faschismus mehr, sondern eine Staatsveranstaltung, bei der sogar das Militär
paradieren darf.

Der Rückschritt ist der neue Fortschritt. Wird Zeit, daß sich das wieder
ändert!

*Bernhard Redl*


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