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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 21. März 2018; 04:45
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International/Initiativen:

> WSF-Tagebuch

*Hermann Dworczak* war in Brasilien

Dienstag 13.März wurde in Salvador de Bahia in Brasilien das Weltsozialforum
eröffnet. Zehntausende - ich schätze gut 20 000 - kamen zur Demo, die in
einem kilometerlangen Zug vom Campo Grande zum Stadtzentrum führte.

Von politischer Müdigkeit war nichts zu bemerken. Ein unwahrscheinlich
breites Spektrum prägte die Demo: an ihrer Spitze eine großer Block von
Indigenen, zahllose soziale und ökologische Intiativen- etwa aus Sao Paulo,
viele StudentInnen, GewerkchafterInnen aus Brasilien aber ebenso aus
Metaller aus Kanada oder die GEW aus der BRD, GenossInnen der Europäischen
Linkspartei, Delegationen aus Afrika und anderen Ländern Lateinamerikas,
undundund. Auf den ersten Blick fiel die unwahrscheinlich starke Beteiligung
von Frauen auf, die sicher die Mehrheit der DemonstrantInnen stellte!

Zentrale Problem, die angesprochen wurden, waren: Privatisierung
öffentlichen Eigentums, Rassismus, Gewalt gegen Frauen und natürlich der
kalte Putsch gegen die PT-Regierung bzw. die Versuche den nach wie vor
extrem populären Expräsidenten Lula von den anstehenden Wahlen unter
fadenscheinigen Vorwänden auszuschließen. "Fora Temer" - also weg mit dem
aktuellen Putschpräsidenten- war der häufigste Sprechchor.

Mittwoch startet die inhaltliche Arbeit des WSF, das bis Samstag 17.März
andauert. Im Anschluß an das WSF tritt dessen "Internationaler Rat"
zusammen, um zu bilanzieren und die nächsten Schritte zu beraten.

Welche Alternativen sind möglich?

Nach der beindruckenden Demo am Dienstag nahm das WSF am Mittwoch seine
inhaltliche Arbeit auf. Auf dem riesigen Gelände der Föderalen Uni von Bahia
(UFBA) findet eine Unzahl von Veranstaltungen statt. Ich hatte gerade Zeit
für 3 von ihnen.

Bei der ersten ging es um "neue Paradigmen", um "das ökologische Desaster zu
vermeiden und eine Gesellschaft des guten Lebens/ bien vivir zu schaffen".
In einem grundsätzlich angelegten Beitrag setzte sich Edgardo Lander von der
Universidade Central da Venezuela mit dem Extraktivismus - also dem
Gesellschaftsmodell, das vor allem auf der Ausbeutung der Bodenschätze
beruht - und dessen katastrophalen Folgen für Mensch und Natur auseinander.
Extraktivismus hat nicht bloß eine ökonomische Dimension, er durchdringt
alle Strukturen und Poren der Gesellschaft: er schafft spezielle Hierarchien
und Abhängigkeiten (insbesonders vom Weltmarkt und dessen internationaler
repressiver Arbeitsteilung), er prägt die zwischenmenschlichen Beziehungen,
er geht insbesonders zu Lasten der Indigenen. Lander schilderte ebenso wie
andere RednerInnen, daß die progressiven Regierungen Lateinamerikas das
Modell des Extraktivismus weitgehend und unkritisch übernommen haben - mit
dem Argument, damit Sozialreformen finanzieren zu können.

Während Landers Analyse stringent ausfiel und bündig dargelegt wurde, daß es
zu keiner Diversifizierung der Wirtschaft kam, blieb die Schilderung des
Auswegs aus dem Schlamassel der Länder der Dritten Welt ziemlich matt.

Im Anschluß hörte ich mir ein Interview an, das Leo Gabriel mit Marco
Arruda, einem führender Vertreter der "Solidarökonomie" machte. Arruda legte
dar, daß es angesichts der zahllosen Krisen des Kapitalismus nicht angeht zu
"warten", sondern daß es schon jetzt um die Schaffung von (Ansätzen von)
Alternativen in möglichst vielen gesellschaftlichen Bereichen von der
Wirtschaft bis hin zur Kultur geht. Zu kurz kam für meinen Geschmack die
Frage der Aushebelung des repressiven, bürgerlichen Staates, der ja völlig
quer zu all diesen Initiativen steht.

Die dritte Veranstaltung war der Erinnerung an Francois Houtard gewidmet,
der 2017 verstorben ist. Houtard war ein bedeutender linker Theoretiker,
aber ebenso ein glühender Aktivist auf allen Kontinenten- auch im Rahmen des
WSF.

Ermordung Marielle Francos und gefährdete Kandidatur Lulas

Der Donnerstag und Freitag waren vor allem durch 2 Ereignisse geprägt: Lulas
Präsenz in Salvador de Bahia und die Ermordung der bekannten linken
Aktivstin Marielle Franco in Rio de Janeiro (siehe auch weiteren Bericht in
diesem akin-pd).

Der ehemalige Präsident Lula trat in einem Stadion außerhalb des
Stadtzentrums auf. Er zeigte sich rhetorisch in bester Form, riß das
Publikum einige Male zu Begeisterungsstürmen hin. Bis heute ist in keiner
Weise geklärt, ob er überhaupt zu den Wahlen antreten darf, radikale
bürgerliche Scharfmacher würden ihn am liebsten schon heute ins Gefängnis
stecken... Sein Diskurs konzentrierte auf die Erfolge unter den PT-geführten
Regierungen und die positiven Veränderungen in Lateinamerika seit der
Gründung des WSF um die Jahrtausendwende. Ausgespart blieb eine
selbstkritische Bilanz der Politik der Kooperation mit dem nationalen und
internationalen Kapital, ebenso fehlten Akzente in Richtung künftiger
breiter Mobilisierung von unten.

In Rio wurde die - im ganzen Land bekannte - 38jährige schwarze Feministin
und und Stadträtin der Linkspartei PSol ermordet. Wohnend in der Favela
Mare, hatte sie insbesonders auf die kriminellen Machenschaften der policia
militar aufmerksam gemacht. Ihre Ermordung wurde an vielen Orten sofort mit
Protestaktionen beantwortet. In Rio versammelten sich mehrere Tausend vor
dem Rathaus, auf dem WSF formierte sich ein spontaner Protestzug, die
Assamblea der Frauen im Stadtzentrum von Salvador stand gänzlich im Zeichen
von ihr: "Marielle presente!"

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