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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 7. März 2018; 16:17
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Gruene/Glosse:
> Das Eva-Syndrom
Das Elend der Grünen ist systembedingt, aber nicht notwendig
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Eva Glawischnig hat jetzt genau den Job, der zu ihr paßt. Ich habe nie 
jemanden kennengelernt, auf dem die Redewendung, jemand könnte einem Eskimo 
einen Kühlschrank verkaufen, besser gepaßt hätte. Diesbezüglich kann ich nur 
"Fellner live" empfehlen. Man sehe sich an, was dieses seltsame 
oe24-Fernsehen aus der Geschichte gemacht hat -- ein Schulbeispiel an 
schlechtem Journalismus, aber gerade deswegen decouvrierend. Die Fragen 
waren gerademal so kritisch an die gute Eva, daß sie die Stichwörter hatte, 
damit sie mit ihrer großartigen Eloquenz alle Einwände beiseite wischen und 
dabei auch gleich ihren neuen Arbeitgeber im vorteilhaftesten Licht 
darstellen konnte; und dann auch noch die bewundernswerte Frechheit an den 
Tag legte, zu behaupten, sie werde da jetzt sicher keine Lobbyistin sein. 
Die Chuzpe ist schon beeindruckend, wenn man bedenkt, daß es kein ganzes 
Jahr her ist, daß sie dem selben Konzern Gesetzeskauf vorgeworfen hatte.
Auch Novomatic hat jetzt genau die Richtige für diesen Job gewonnen -- eine 
ehemalige grüne Spitzenpolitikerin, die man jetzt als gutes Gewissen des 
Konzerns hinstellen kann. Weil: Die ist ja so kritisch! Glawischnig bekam 
diesen Job ja nicht, obwohl sie früher über Novomatic hergezogen ist, 
sondern genau deswegen. Und es paßt auch so schön ins Klischee -- die 
Vorstandsetage voller Männer, die für das harte Business und den Profit 
verantwortlich sind, und dazu eine engagierte Frau, die für die Softskills 
der Unternehmensverantwortung zuständig ist. Was für ein Tableau!
Rückblende
Es muß so knapp drei Jahrzehnte her sein, da hing im Büro von Global 2000 
ein Plakat. Darauf stand: "An Eva und Alex! Ihr seid nicht alleine Global 
2000!" (mit "Alex" war Alexander Egit gemeint, heute ein ganz Wichtiger bei 
Greenpeace). Auf Wikipedia kann man nachlesen, Glawischnig wäre in den 
frühen 90ern "juristische Beraterin" bei Global gewesen -- faktisch war sie 
aber vor allem Pressesprecherin. Als solche sorgte sie dafür, daß politische 
Inhalte immer auf eine banal-liebenswerte Umweltsorge reduziert wurden, und 
gleichzeitig für den Aufbau ihrer später noch so viel wichtigeren 
Pressekontakte. Daß die Grünen später nur allein mit ihrem Vornamen Werbung 
machten bis hin zum "Eva-Magazin" war nur konsequent. Denn der wichtigste 
Inhalt Glawischnigs war eben immer nur die Eva. Daß es ihr scheißegal war, 
was sie den Kärntner Grünen antut, wenn sie sich zwei Tage vor der 
Landtagswahl als neue Novomatic-Alibigutfrau präsentieren läßt, paßt da nur 
zu gut ins Bild.
Systemisches
Okay, ich gebe zu, bei der Frau habe ich einen Schimpfreflex, hin und wieder 
muß das einfach raus. Ich könnte da Geschichten erzählen, ich sags euch! 
Aber das tue ich jetzt nicht. Denn eigentlich wollte ich über den 
Mechanismus reden, der hinter einer solchen Karriere steckt. Vor allem 
ärgert es mich, wenn solche Figuren von Leuten auf den Schild gehoben 
werden, die es doch besser wissen müßten. Da sind nicht nur die Grünen 
anfällig. Ähnliche Mechanismen sehen wir ja auch bei der Sozialdemokratie. 
Aber die Grünen wollten einmal eine Antipartei sein -- und da sollte man 
doch andere Maßstäbe ansetzen.
Da braucht es jetzt einen Exkurs: Die Grünen sind aus vielen Gründen jetzt 
auch aus dem Kärntner Landtag geflogen. Das wäre wahrscheinlich auch 
passiert, wenn ihnen Glawischnig nicht dieses Ei gelegt hätte. Viele Stimmen 
wären sowieso zur Sozialdemokratie gewechselt. Auch dafür gibt es eine Menge 
Gründe -- aber der entscheidende scheint mir, daß man sich in unsicheren 
Zeiten eher um den Landesfürsten scharen möchte als dessen Beiwagerl zu 
unterstützen. Das hat schon etwas mit dem autoritären Charakter zu tun. Und 
es ist genau dieser autoritäre Charakter, der in allen Parteien immer jene 
Leute nach oben schwemmt, die sich am Besten als ganz wichtig präsentieren 
können. Die bedienen diese Autoritätsgläubigkeit nämlich gleich doppelt --  
zum einen aus dem persönlichen Interesse der Parteimitglieder, die sich 
einen starken Anführer (oder bei den Grünen halt oft eine Anführerin) 
wünschen, zum andern im Vertrauen dieser Parteimitglieder, daß so eine 
starke Person an der Spitze auch die gewünschten Wahlerfolge bringt. Auch in 
diesem Zusammenhang ist natürlich das Harmoniebedürfnis speziell bei den 
Grünen zu sehen, weswegen die berüchtigte Sascha-Doktrin eingeführt wurde, 
daß in der Partei nicht mehr öffentlich gestritten werden darf. Hier wurde 
etwas nachvollzogen, was anderswo schon lange als Huldigung des Großen 
Vorsitzenden, als Fraktionenverbot oder als Ausschluß wegen 
parteischädigenden Verhaltens praktiziert wurde und wird.
Dieses Bedienen des autoritären Charakters resultiert aber auch aus dem 
Setting der politischen Alltagshegemonie: "Die Partei bin ich" ist weniger 
Ausdruck einer präpotenten Grundhaltung der jeweiligen Vorsitzenden, sondern 
wird durch die Mechanismen repräsentativer Demokratie und deren medialer 
Vermittlung geradezu eingefordert. Der oder die große Vorsitzende hat zu 
definieren, was die Partei ist und was sie will -- egal ob jetzt der Ablauf 
einer Parlamentssitzung in einer Präsidiale vorbestimmt wird, bei einem 
Wahlkampf ein Gesicht auf ein Plakat gedruckt werden soll oder ein 
Journalist ein Statement braucht -- immer ist für die ganze Partei nur diese 
eine Person gefragt.
Gescheiterter Versuch der Verweigerung
Die Grünen haben in ihrer Anfangszeit eine solche absolutistische 
Parteiführung abgelehnt -- und sind irgendwann von dieser Verweigerung 
abgekommen mit dem Argument, daß ihnen ja die Meinungsforscher versprochen 
hätten, daß ein einheitliches Auftreten mit einer Einzelspitze bis zu 20% 
der Stimmen bringen könnte. Tatsächlich ging es aber vor allem um politische 
Handlungs- und Verhandlungsfähigkeit. Wer einmal mitregieren will, braucht 
keinen politisch unzuverlässigen Parlamentsklub, der sich dem Klubzwang 
verweigert, oder eine Basis, die jederzeit die Chefität abmontieren könnte.
Dieser Mechanismus ist im Kleinen der Gleiche wie im Großen bei der 
Integration der EU. US-Außenminister Kissinger beklagte sich einst, daß er 
keine Telefonnummer hätte, wenn er mit Europa verhandeln möchte --  
Jahrzehnte später war es dann soweit, daß die EU für sich auch einen 
Außenminister installierte. Der Vergleich dieser Mechanismen mit denen bei 
der Hierarchisierung der Grünen scheint weit hergeholt, tatsächlich sind die 
Parallelen aber deutlich: Je weiter die EU nach außen einheitlich auftreten 
will, desto mehr muß logischerweise die Integration und damit die interne 
Machtbefugnis des Staatenbundes gegenüber den Teilstaaten verstärkt werden. 
Desto mehr allerdings kommt es in den Teilstaaten zu Unmut darüber. Denn in 
einer autoritär harmonisierten Struktur haben Partikularinteressen keinen 
Platz mehr.
Ja, ich weiß, jeder Vergleich hinkt und die Spaltungstendenzen bei den 
Grünen fußen natürlich auch sehr stark auf persönlichen Gekränktheiten --  
Fakt ist aber, daß mittlerweile kaum mehr eine Wahl auf irgendeiner Ebene in 
Österreich stattfindet, wo nicht irgendeine grüne Abspaltungsliste 
kandidiert. Das war in jenen Zeiten, wo die Grünen ihre Heterogenität offen 
auslebten und es deswegen immer wieder zu Interessensausgleichen kommen 
mußte, viel seltener der Fall. Die Tatsache, daß die erste Grünabspaltung 
schon passiert ist, als die Grünen noch nicht einmal im Nationalrat waren, 
nämlich vor der Wahl 1986, ist da kein Widerspruch, sondern eher Beleg 
dieser These: Denn damals versuchte eine kleine Gruppe mit Führungsanspruch 
die ihr genehme Kandidatenliste mit Freda Meissner-Blau an der Spitze auf 
allen Ebenen durchzudrücken -- was zu einer Wiener Gegenkandidatur führte. 
Danach fand man aber längere Zeit gerade in der Akzeptanz der Heterogenität 
viel Einigkeit -- man stritt sich heftigst, aber erstritt sich damit auch 
eine Erfolgsgeschichte bei den Wahlen. Vor allem aber wurden damit deviante 
Inhalte deutlich -- was sich auch darin niederschlug, daß bei den Grünen die 
einzelnen Abgeordneten zumindest im Nationalrat ein eigenes Standing hatten 
und keine unbekannten Hinterbänkler waren. Diese Individualität war aber ein 
Abbild der Heterogenität der Partei -- das Chaos war ein kreatives und ein 
mächtiges, daß zumindest für kurze Zeit wenn schon nicht die politischen 
Verhältnisse zum Tanzen so wenigstens die Kronen-Zeitung zum Hupfen brachte.
Non-Cooperation!
Wenn die Grünen also jetzt mit Schaudern in den Abgrund der 
Bedeutungslosigkeit schauen, in den sie immer mehr abzugleiten drohen, oder 
schockiert über Glawischnigs gar so empörenden beruflichen 
Perspektivenwechsel sind, müssen sie sich die Frage stellen, woran diese 
Entwicklung liegt. Die Grünen verkünden jetzt zwar groß, daß sie sich 
reorganisieren wollen, aber mir scheint nicht, daß das heissen kann, daß man 
back to the roots geht. Denn das würde bedeuten: Sofort jede 
Regierungsbeteiligung beenden, non-cooperation mit Kapital und 
Herrschaftsparteien, Trennung von Funktion und Mandat, Rotation bei Partei- 
und Klubvorsitzen, Aufhebung der Sascha-Doktrin und Rückkehr zum Protest 
gegen die herrschende Ordnung.
Das wird natürlich nicht passieren -- zu viele kleine Evas, männliche wie 
weibliche, sitzen in den Klubs und Parteibüros.
Aber eigentlich könnten mir die Grünen ja wurscht sein. Nur: Es gibt in 
Österreich sonst keine Partei, die mittelfristig die Chance hätte, Protest 
in die Parlamente auf allen Ebenen zu tragen. So eine Partei bräuchte es 
aber und zwar dringend. Nicht wegen der reinen linken Lehre, nein, dafür 
braucht man gar keine Partei. Sondern wegen eines Arguments, daß --  
angesichts der immer weiter nach rechts rückenden Stimmung im Land -- sogar 
die Grünen verstehen müßten: Pragmatismus!
*Bernhard Redl*
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